Prostata-Früherkennung: Hände weg vom PSA-Test
Schon vor sechs Jahren hatte Infosperber über das informiert, was schon damals längst erwiesen war: «Der PSA-Test soll Prostata-Krebs frühzeitig erkennen. Doch die Risiken von Impotenz und Inkontinenz sind enorm. Viele Männer sind wegen PSA-Test unnötig impotent.»
Schon damals stützte sich Infosperber auf eine Einschätzung des «Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen» IQWiG: Auf einen einzigen Mann, der dank einem PSA-Test vor dem Tod an Prostata-Krebs gerettet wird, kommen 36 Männer, die wegen eines PSA-Tests eine Krebsdiagnose erhalten, ohne von der Frühentdeckung zu profitieren. Einige von ihnen werden nach einer Bestrahlung und Operation impotent und inkontinent, ohne irgend einen Vorteil zu haben.
Aus diesen Gründen zahlen Krankenkassen weder in Deutschland noch in der Schweiz PSA-Tests zur Früherkennung von Prostata-Krebs. Ausser Urologen, die an den Prostata-Operationen verdienen, und einigen Hausärzten, die an den PSA-Tests verdienen, raten weltweit fast alle nationalen Gesundheitsbehörden und medizinischen Fachgesellschaften (ausser den Urologen) von PSA-Tests ab, wenn keine Symptome einer Prostata-Erkrankung vorliegen.
Trotzdem wollte die Urologen-Lobby in Deutschland, dass die dortigen Kassen PSA-Tests künftig bezahlen müssen. Aus diesem Grund hat das IQWiG die Vor- und Nachteile dieses Prostata-Screenings erneut beurteilt und die frühere Einschätzung bestätigt:
- «Zwar nutzt das Screening einigen Männern, indem es ihnen eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder verzögert. Im Gegenzug müssen aber deutlich mehr Männer wegen Überdiagnosen und Übertherapie mit dauerhafter Inkontinenz und dauerhafter Impotenz rechnen, und das in relativ jungem Alter.»
Vom Screening des Prostatakarzinoms verspricht man sich die Entdeckung von Prostatakarzinomen mit einem hohen Progressionsrisiko in einem heilbaren Stadium, um die die Zahl der Erkrankungen und die Sterblichkeit zu reduzieren.
Fragwürdiger Nutzen
Zwar bewahrt ein PSA-Screening – nach dem neusten Befund des IQWiG – statistisch 3 von 1000 Männern, die sich während 16 Jahren regelmässig einem PSA-Test unterziehen, vor dem Tod wegen eines Prostatakrebses. Doch an der Gesamtsterblichkeit der 1000 Patienten ändert sich nichts. Das heisst, 3 der 1000 Männer sterben im gleichen Zeitraum zusätzlich an einer anderen Todesursache. Es kann sein, dass Folgen der Überbehandlungen – infolge des PSA-Screenings – zum vorzeitigen Tod von drei Männern führt.
Erhebliche Schäden
Der PSA-Test führt
- häufig zu Verdachtsfällen, die sich in der Folge nicht erhärten lassen;
- zur Entdeckung von Krebszellen, welche den betroffenen Männern bis zu ihrem Tode nie Beschwerden verursacht hätten.
Im ersten Fall bedeute allein die Diagnose einer potenziell tödlichen Krankheit einen Schaden, erklären die IQWiG-Autorinnen und Autoren. Zudem machen Ärzte bei vielen dieser Männer mit einem erhöhten PSA-Wert Prostata-Biopsien, ohne dass diese Männer einen Nutzen davon haben.
Im zweiten Fall werden die Männer ohne Nutzen operiert. Komplikationen wie Inkontinenz und Impotenz sind in vielen Fällen irreversibel.
Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass viele ältere Männer einen kleinen Tumor in der Prostata haben, der entweder gar nicht wächst oder nur so langsam, dass er nie Beschwerden verursachen würde. «Wenn man die Zellen der Prostata untersucht, hat fast jeder zweite Mann zwischen 50 und 60 Jahren ein Prostatakarzinom», stellte der Mannheimer Professor und Urologe Maurice-Stephan Michel bereits 2008 fest.
Wenn man diese Zellen dank Früherkennung entdeckt, kann man bis heute nicht feststellen, bei welchen wenigen Männern diese Zellen eines Tages zum Problem werden könnten. Deshalb werden nach der Entdeckung fast alle behandelt und operiert – die allermeisten ohne jeden Nutzen. Doch viele dieser Männer glauben dann fälschlicherweise, sie seien dank der Operation vom Krebs verschont geblieben.
Elf randomisierte kontrollierte Studien mit mehr 400’000 Teilnehmern ausgewertet
Die neue IQWiG-Nutzenbewertung eines PSA-Screenings beruht auf der Auswertung von elf randomisierten kontrollierten Studien mit mehr als 400’000 eingeschlossenen Teilnehmern (in der Regel Männer zwischen 55 und 70 Jahren, Beobachtungszeitraum zwischen 13 und 20 Jahre). In allen Studien verglichen die Studienautorinnen und -autoren ein Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test mit keinem Screening. Ein Resultat in Zahlen: 25 der oben genannten 1000 Männer bleiben wegen der nutzlosen Behandlungen dauerhaft impotent.
Swiss Medical Board: «Mehr Nachteile als Vorteile»
In der Schweiz war der von Pharma, Kassen und Urologen unabhängige «Swiss Medical Board» schon 2011 zum Schluss gekommen, dass der PSA-Test zur Früherkennung eines Prostata-Krebses mehr schadet als nützt. Mehr Vor- als Nachteile brächten PSA-Tests nur Männern mit familiärer Vorbelastung oder mit verdächtigen Symptomen [in diesen Fällen redet man nicht von Screening]. Der Swiss Medical Board wird von der FMH, der Akademie der Medizinischen Wissenschaften und von der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren finanziert.
Deutsche Allgemeinmediziner distanzieren sich vom PSA-Test
Noch immer raten sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zu viele Hausärzte Männern zu einem PSA-Test. Doch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin rät in einer neuen Empfehlung ihren Mitgliedern davon ab, Männern eine Früherkennung mittels PSA-Wert aktiv anzubieten. Sollten Männer von sich aus danach fragen, sollten die Ärzte sie über Vor- und Nachteile gründlich aufklären.
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Dazu frühere Informationen auf Infosperber:
1. September 2015, Urs P. Gasche:«NZZ am Sonntag» schürt falsche Hoffnungen.
14. April 2015, Stiftung Warentest:Prostata-Krebs: Ärzte beraten häufig ungenügend. Ein Stichproben-Test.
2. Januar 2015, Prof. Gerd Gigerenzer:«NZZ», «Tages-Anzeiger» und «Bund» verbreiten eine Unstatistik über den PSA-Test als vermeintlichen Lebensretter.
14. September 2014, Urs P. Gasche:Medizinisch unerklärlich viele Operationen. Bei vergleichbaren Diagnosen werden Männer in einigen Gegenden der Schweiz achtmal häufiger an der Prostata operiert als in andern. Mit verantwortlich sind die PSA-Tests und andere Methoden zur Früherkennung.
31. März 2013, Urs P. Gasche:Viele Männer sind wegen PSA-Test unnötig impotent.
11. Oktober 2013, Urs P. Gasche:PSA- und andere Tests: Verstehe ich, was der Arzt sagt? So erkenne ich irreführende Informationen.
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Infosperber-DOSSIER
Sinn und Unsinn der Früherkennung
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
A) Welcher noch nicht im Pensionsalter befindliche Arzt wusste nicht um die Unzulänglichkeit des PSA- Testes?
B) Man sollte alle Screenings entweder vollständig abschaffen, weil die immer nur zu statistischen Aussagen führen, die beide, Arzt und Patient nicht zu interpretieren in der Lage sind.
Behält man aber einige bei, weil Sensitivität und Spezifität um 99.99% das rechtfertigen, muss man Ärzte zuvor so weit mathematisch- statistisch ausbilden, dass diese den Patienten das Resultat unmissverständlich erklären können. Heute kann das praktisch keiner der Kollegen. Da werden invasive Eingriffe vorgenommen, deren Rechtfertigung die Qualität eines Münzwurfes haben.
Irrtum: PSA dient nicht zur Früherkennung einer Prostata-Erkrankung. Er kann nur als zusätzliche Verlaufskontrolle bei einem Prostatakarzinom oder -Adenom dienen
@Hansruedi Hartmann-Wirz. Das ist nicht korrekt. Ein PSA-Test KANN der Verlaufskontrolle dienen. In diesem Artikel ist jedoch ausschliesslich vom PSA-Test zur Früherkennung die Rede.
Betreffend Frühtest kann man es so sehen. Wenn aber ein Routineuntersuch durch den Hausarzt auf einen plötzlich angestiegenen PSA-Wert stösst, dann ist es wohl etwas anderes! Dies besonders dann, wenn die weiteren Untersuchungen zur Diagnose «äussert aggressiver Prostatakrebs» lautet und die Zweitmeinung praktisch auf das gleiche Resultat kommt, was schliesslich zur Totalektomie führt. Wenn nach sieben Jahren immer noch «PSA-Wert nicht messbar» festgestellt wird und der Patient keine weiteren Massnahmen zu treffen hat, ist wohl viel richtig gemacht worden.
@Odermatt. Leider nicht. Der Hausarzt sollte den PSA-Wert nicht erfassen, sofern der Patient keine Symptome einer Prostata-Erkrankung hat. Falls ein Prostatakarzinom «äusserst aggressiv» ist, hat er im Zeitpunkt einer «Früherkennung» in den allermeisten Fällen längst Metastasen gebildet und die Prognose ist schlecht. Eine Früherkennung mittels PSA-Test nützt wie oben gesagt nur 3 von 1000 Männern, die regelmässig einen PSA-Test machen.
Vielen Dank, Urs Gasche,
ich bin 75, das Thema ist deshalb schon länger aktuell und der Artikel hilft mir mich weiterhin zurückzuhalten und mich ans «etwas mehr zur Toilette zu gehen» zu gewöhnen.
Prävention ist und bleibt ein Milliardengeschäft, das wohl mehr Schaden anrichtet als nützt. Aber wir werden von dieser unnützen Hysterie nicht abweichen, weil zu viele davon leben uns das leben zu versauen
Ich führe diesen Test nicht routinemässig durch, genau aus den oben genannten Gründen. Ich empfehle meinen Patienten, die Seite Harding Zentrum für Risikokompetenz zu besuchen. Das gleich gilt für das Mammographie-screening, das in ein riesigen Business ausartet, aber nur dazu führt, dass eine Frau von 1000 an einem anderen Tumors statt Mamma-Ca verstirbt. In unserer Gegend wird dafür aggressiv geworben: mir kommen diese rosa Broschüren nicht ins Wartezimmer.
Es ist wichtig, zwischen absolutem un relativem Risiko zu unterscheiden, in dem diese durcheinander gebracht werden wird Angst geschürt, die bekanntlich immer ein schlechter Ratgeber ist.
Ich bin für sinnvolle Risikoreduktion, z.B. Rauchstopp!
Ich hatte Störungen im Harnverhalten, die Ursache war unklar, die Ursache war unklar, der Urologe machte den PSA Test und aufgrund des Resultates eine Biopsie, sie ergab, dass einseitig bösartige Tumorzellen im Frühstadium vorhanden waren, wir warteten noch zu und behandelten zuerst das Harnverhalten. In der selben Zeit stieg aber der PSA-Wert von 6 auf fast 12 und wir entschlossen uns zum Eingriff. Aufgrund des geringen Durchmessers der Krebszellen konnte die Brachy-Methode angewendet werden. Der Eingriff erfolgte 2007 am Triemli-Spital und hatte weder Impotenz noch Inkontinenz zur Folge. Der PSA Wert ist seither dauerhaft sehr tief. Am selben Tag als ich die Diagnose erhielt, starb ein naher Freund von mir am Prostatakrebs, den man zu spät festgestellt hatte. Man darf den PSA Wert sicher nicht überbewerten, aber ich bin jedenfalls froh, dass ich den PSA Test gemacht habe.
@Waechter. Wenn Sie Störungen im Harnverhalten hatten, könnte dies ein Symptom einer Prostata-Fehlfunktion gewesen sein. In diesem Fall war der PSA-Test nicht ein Früherkennungs-Screening (ohne Symptome), sondern er diente der Abklärung der Symptome. Dann hatte wohl die Krankenkasse den PSA-Test bezahlt. – Abgesehen davon muss ein PSA-Wert von 12 noch nicht alarmierend sein. Dieser Wert schwankt aus verschiedenen Gründen sehr.
Der Begriff PSA-Test (Screaning) ist auch nach all den Kommentaren unklar. Die Ermittlung des PSA-Wertes mittels Blutanalyse ist wohl nicht gefährlich. Gefährlich sind die falschen Schlüsse, die daraus abgeleitet werden. Im Zweifel Biopsie, wurde mir immer empfohlen. Stimmt man dem zu, beginnt der Teufelskreis, der dann in vielen Fällen zu Fehlbehandlungen führt. Im Zweifel wird operiert! Stoppen kann es nur der «Patient» auf sein Risiko.
Man sollte einmal untersuchen, ob der PSA-Wert dann diagnostisch und prospektiv von Nutzen ist, wenn ein Patient mehrere Jahre hintereinander normale Werte hat, die aber dann mit einem Mal ansteigen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser «Knick» in der Laborwertekurve aussagekräftig ist.
Das ist jetzt wieder einmal so eine irreführende Tatsache. Ein dringend notwendiger Test für ältere Männer ist eine Untersuchung auf Benigne Prostatahyperplasie (Prostatavergrößerung, BHP) (https://www.netdoktor.ch/krankheit/prostatavergroesserung-8144).
Ein PSA-Test würde ein negatives Resultat zeigen. Jedoch kann, wenn dieses Problem nicht dringend behandelt wird, die Blase platzen, die Niere geschädigt werden eine Harn-Vergiftung eintreten.