Australien macht teure Hepatitis-C-Arzneien für alle bezahlbar
Als der Pharmakonzern Gilead im Jahr 2013 neue, wirksame Medikamente für Hepatitis C-Patientinnen und -Patienten auf den Markt brachte, war die öffentliche Empörung riesig. Eine 12-wöchige Behandlung hatte damals in den USA zwischen 84’000 und 94’500 Dollar und in der Schweiz ebenfalls über 80’000 Franken gekostet. Bis Ende 2017 erzielte Gilead mit seinem Hepatitis C-Medikament Harvoni einen Umsatz von 30 Milliarden Dollar.
Pauschale für sämtliche Patientinnen und Patienten
Australien hat vor fast vier Jahren einen innovativen Weg gefunden, um hochpreisige Medikamente der ganzen Bevölkerung zugänglich zu machen. 2015 schloss die Regierung mit den Pharmakonzernen Gilead, AbbVie, Bristol Myers Squibb und Merck Vereinbarungen ab: Für eine Pauschale von einer Milliarde Australische Dollar (706 Millionen CHF) kann Australien über fünf Jahre so viele Hepatitis C-Medikamente beziehen wie es braucht. Jetzt können alle Patientinnen und Patienten profitieren, für die der Einsatz dieser Medikamente medizinisch zweckmässig ist. Die «New York Times» informierte Anfang März darüber.
Das «New England Journal of Medicine» publizierte jüngst eine Studie, die zeigt, dass die Kosten einer Behandlung in Australien damit auf durchschnittlich 7’352 US-Dollar pro Patient sinken. Insgesamt konnten sieben Mal mehr Kranke behandelt werden als vorher. Die Regierung hofft, dass Australien das erste Land der Welt ohne das ansteckende Hepatitis C wird.
In den USA profitieren nur 15 Prozent aller Betroffenen
In den USA sterben mehr Menschen an Hepatitis C als an allen anderen Infektionskrankheiten zusammen. Die Fälle nehmen stark zu, vor allem aufgrund der Heroin- und Opioid-Krise. Doch in den sechs Jahren, seit die neuen Heilmittel auf dem Markt sind, wurden nur 450’000 Leute behandelt. Das sind gerade einmal 15 Prozent der Hepatitis C-Kranken in den USA. Grund sind die extremen Kosten.
Nur die am schlimmsten Betroffenen werden überhaupt behandelt. Bei einer derart ansteckenden Krankheit ist das ein gefährliches Spiel, das sich auch finanziell nicht rechnet. Unbehandelt breitet sich die Krankheit rasch aus und bewirkt chronische Leberkrankheiten, Zirrhose und Leberkrebs. Eine weitere massive Belastung für das marode Gesundheitssystem der USA.
Bis 2017 war das Medikament in der Schweiz schweren Fällen vorbehalten
upg. Wegen des exorbitanten Preises machte das Bundesamt für Gesundheit das sehr wirksame Hepatitis C-Medikament nur für schwer Erkrankte kassenpflichtig. Erst seit 2017, als das BAG den Preis für eine Behandlung auf rund 30’000 Franken aushandeln konnte, zahlen die Kassen dieses sowie Konkurrenzprodukte allen Patientinnen und Patienten, bei denen es medizinisch indiziert ist. Nach offiziellen Angaben sterben in der Schweiz jedes Jahr rund 200 Personen an den Folgen dieser Krankheit. Doch die Dunkelziffer scheint hoch zu sein. Olivia Keiser, Co-Autorin einer Studie der Universität Genf, erklärte: «Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Hepatitis C-Virus wird in der Schweiz beträchtlich und systematisch unterschätzt.»
Laut dem BAG sind nur rund 58’000 Personen oder 0,7 Prozent der Schweizer Bevölkerung mit dem Virus infiziert. Die Schweiz sei damit nicht vergleichbar mit Ländern, in denen grosse Teile der Bevölkerung mit dem Virus infiziert sind und unter chronischer Hepatitis C und ihren Folgen leiden, erklärt das BAG.
Der Männeranteil beträgt rund 70 Prozent. Viele haben sich beim Spritzen von Drogen mit verunreinigten Nadeln angesteckt. Die Infektion verläuft bei einer Mehrheit in den ersten Jahren ohne Symptome. Deshalb weiss etwa die Hälfte der Betroffenen nicht, dass sie das Virus in sich tragen.
Hilft die Konkurrenz unter den Pharmakonzernen
cd. Das vielversprechende Modell Australiens könnte Schule machen – sofern die Pharmaunternehmen darauf einsteigen. In den USA führten die Bundesstaaten Louisiana und Washington mit verschiedenen Unternehmen Verhandlungen. Man hofft, dass entsprechende Verträge bis 1. Juli 2019 unter Dach und Fach sein werden.
Falls Regierungen für hochpreisige Medikamente eine Pauschale wie in Australien aushandeln könnten, würde dies den Pharmaunternehmen nicht nur die Deckung der Forschungskosten, sondern auch ausreichende Gewinne garantieren. Gleichzeitig stünden die Medikamente viel mehr Betroffenen zur Verfügung. Laut «New York Times» zögert die Branche dennoch, auf solche Vereinbarungen einzusteigen. Sie wollen ihr traditionelles, überaus profitables Geschäft nicht durch neue Modelle gefährden.
Die Befürworter des australischen Wegs hoffen auf den Futterneid der Pharmaunternehmen: Keines will dem andern durch eine Vereinbarung mit der Regierung die Markthoheit überlassen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine