Cortison-Spritzen in Gelenke: Oft mehr Schaden als Nutzen
Schon vor zwei Jahren hatte eine Studie im US-Fachblatt JAMA gezeigt, dass Patientinnen und Patienten, die regelmässig Cortison-Spritzen bekamen, nach zwei Jahren immer noch gleich viele Schmerzen hatten, jedoch ging Gelenkknorpel verloren.
«Es gibt keinen Wirkungsnachweis, trotzdem wird immer noch gespritzt», erklärte Professor Marcus Schiltenwolf, Leiter der Abteilung für Konservative Orthopädie und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Heidelberg, in der Süddeutschen Zeitung. Nur wenn Ergüsse vorliegen, könnten Cortisonspritzen während maximal sechs Wochen hilfreich sein.
Trotzdem sind Cortison-Spritzen gegen Gelenkschmerzen immer noch weit verbreitet, auch wenn keine Ergüsse vorliegen. Gelenkverschleiss an Knien, Hüften, Schultern oder in den kleinen Gelenken der Wirbelsäule kann jede Bewegung zur Qual machen. Oft schlagen Ärzte dann vor, die Beschwerden mit einer Cortisonspritze ins Gelenk zu behandeln, um eine mögliche Entzündung zu stoppen und dadurch die Schmerzen zu lindern. Über die realen Erfolgsaussichten und Nebenwirkungen klären diese Ärzte häufig ungenügend auf, so dass schmerzgeplagte Patientinnen und Patienten nicht informiert entscheiden können, ob sie sich mit Cortisonspritzen behandeln lassen sollen.
Cortison-Präparate nennt man in der Fachsprache Corticoide. Diese vielseitigen Arzneimittel verwenden Internisten, Rheumatologen und Orthopäden gleichermassen. Vor dem Spritzen direkt in die Gelenke warnte jetzt erneut ein Ärzteteam im Fachmagazin «Radiology». Es untersuchte fast 500 Patientinnen und Patienten, die eine Injektion mit Corticoid ins Hüft- oder Kniegelenk bekommen hatten. Bei fast 40 dieser 500 Patientinnen und Patienten kam es zu Komplikationen. Bei den einen kam es zu einer Infektion, die im wenig durchbluteten Innenraum der Kapsel schlecht behandelt werden kann. Bei weiteren führten die Corticoid-Spritzen zu einer noch rascher fortschreitenden Arthrose. Auch Frakturen in der Nähe des Knorpels würden wahrscheinlicher und Knochengewebe könne sogar absterben. Diese Nebenwirkungen sind meistens mit Schmerzen verbunden und schränken die Bewegungsmöglichkeiten noch stärker ein.
Studienleiter Professor Ali Guermazi kritisiert, dass die Argumente pro und contra Corticoid-Spritzen mit den Patientinnen und Patienten nur selten diskutiert würden.
_________________________________________
Gibt es unter den Leserinnen und Lesern welche, die sich mit Cortison-Spritzen in Gelenke behandeln liessen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Sie können unten Ihre Meinung eingeben.
******************************************************
Warum Ärztinnen und Ärzte oft zu viel behandeln:
Medizinische Über- sowie vermeidbare Fehlbehandlungen sind Delikte, die meist ungeahndet bleiben. Infosperber bricht ein Tabu.
******************************************************
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Solche Erfahrungen habe ich. Zweimal in 40 Jahren erhielt ich solche Spritzen ins Achselgelenk als alle alternativen Behandlungsversuche gescheitert waren und ich praktisch mit voller Bewegungsunmöglichkeit konfrontiert war.
Auch über zehn Jahre nach der letzten Behandlung habe ich keine Nebenwirkungen bemerkt. Bei beiden Behandlungen haben die Ärzte auf die Risiken der Behandlung hingewiesen.
Meine Frau hat über ca. 2 Jahre hinweg mehrere Finger an beiden Händen operieren lassen müssen (analog Karpaltunnelsyndrom). Bei zwei Fingern blieben Schwellung und Schmerzen bestehen. Nach je ca. einem halben Jahr erhielt sie eine Cortisonspritze bei den Fingerballen ins jeweilige Gelenk. Die Letzte erhielt sie vor ca. einer Woche. Die Wirkung war gut: keine Schmerzen mehr, Schwellung verschwunden. Pro Gelenk wurde nur je eine – sehr schmerzhafte – Spritze verabreicht.
Der Meinung von Josef Hunkeler schliesse ich mich zu 100% an. Mein ganz erheblich ruiniertes und mehrfach operiertes Kniegelenk funktioniert dank einer Cortison-Injektion vor über zwei Jahren jetzt immerhin immer noch so, dass ich wieder recht schmerzfrei gehen kann und ein Knieersatz in die Ferne gerückt ist. Auch meine Fingergelenke sind nach Injektionen vor über drei Jahren bzw. kürzlich an der anderen Hand wieder so weit beweglich und auch ziemlich schmerzfrei, dass ich jetzt immerhin heute ein Bleistift halten und damit auch wieder schreiben und zeichnen kann. Und auch ich wurde von den beiden Ärzten – Knie- bzw, Handchirurg und unabhängig voneinander – gleichermassen auf Risiken und auf die beschränkte Wirkdauer von etwa drei Jahren hingewiesen.
Aber das Schlechtreden von Cortison macht sich natürlich bezahlt, an einer Gelenkoperation lässt sich bekanntlich ein Mehrfaches einer simplen Injektion verdienen…
Zum Schluss: 460 von 500 Patienten ohne gegen 40 mit Komplikationen sind ja kein schlechtes Resultat; bei mechanischen Eingriffen in die Gelenke ist das Ergebnis wohl kaum besser!
Man muss differenzieren: Neben der therapeutischen Verabreichung von Cortison in ein Gelenk gibt es solche Injektionen auch zu diagnostischen Zwecken.
Wenn nämlich das Cortison nicht innerhalb weniger Stunden den Schmerz beseitigt, entspringt der Schmerz nicht dem behandelten Gelenk.
Um abzuklären, welches Gelenk genau den Schmerz verursacht (und in welches er allenfalls nur ausstrahlt) habe ich mehrfach an der Grosszehe Cortisoninjektionen direkt ins Gelenk erhalten. Der Arzt hat mich über Risiken und Nebenwirkungen orientiert, die Entscheidung ob injiziert wird mir überlassen. Dann hat er unter sterilen Bedingungen gearbeitet. Es sind keinerlei Nebenwirkungen aufgetreten, aber wir konnten den Ursprung des Schmerzes eindeutig identifizieren. Die weiteere Thearpie war dann um einiges zielgerichteter möglich.
Bei meinem Sohn wurde eine akute Nekrose im Schultergelenk festgestellt. Auslöser waren monatelange, regelmässige Injektionen von Cortison zur Bekämpfung von Schmerzen. Das nekrotische Gewebe wurde, um das weitere Vorgehen abzuklären, punktiert. Durch diese Punktion wurden Bakterien aus dem nekrotischen Gewebe im Körper verteilt. Es entwickelte sich eine Blutvergiftung, die vom Arzt nicht erkannt wurde. Innert Stunden stellte sich ein septischer Schock ein. Die Folgen waren: 8 Tage dem Tod nahe im Koma, unzählige Spülungen an Gelenken und Thorax. Dieser Teil der Geschichte war eine Spitzenleistung der Medizin im Inselspital. Die vorangehenden Fehlleistungen mit Cortison haben ein Leben verändert. Ein traumatisierter, mit multiplen Gelenkschäden belasteter IV- Bezüger ist zurückgeblieben. Trotz 100 prozentiger Arbeitsunfähigkeit wurde der Betroffene von der Aargauer IV mit einer 75 % Rente abgespiesen. Die Arroganz der Aargauer IV wird mit Ergänzungsleistungen ausgeglichen.
Ähnlich positiv wie in den obigen Kommentaren, könnte ich von der Einnahme von Weihrauchtabletten berichten. Warum sind sie bei uns kaum ein Thema? (Wer verdient woran?)
Urs P. Gasche behauptet nicht, Cortisoninjektionen seine per se nutzlos. Der Hinweis auf mögliche Nebenwirkungen ist jedoch sehr angebracht.
Corticoide bekämpfen Entzündungen, fördern jedoch auch zu einem Abbau von Körpergewebe. Ersteres ist ein Segen und in manchen Fällen auch wirklich nützlich. Zweiteres hingegen ist ein Problem. Vor allem wiederholte Anwendungen können zu bleibenden Schäden führen. Auch Achillessehnen können z.B. reissen, wenn sie immer wieder mit Cortison behandelt werden.