Wer Krieg finanziert, wird Migration ernten
Gemessen daran, was die USA zu den Ursachen der Migration beigetragen haben, sollten sie alle Migranten ins Land lassen, sagt ein prominenter US-Aktivist. Das sind ungewohnte Töne, nicht nur für die USA, und sie sind gut begründet. Man müsse sich auch mit den Ursachen der Emigration beschäftigen, sagt Khury Petersen-Smith, der sich für den Think Tank «Institute for Policy Studies» (IPS) in Washington mit Fragen von Souveränität, Militarisierung und Migration beschäftigt.
Viele drängende Probleme der Gegenwart hätten ihre Ursachen in der Vergangenheit, sagt der Geograf, der sich selbst als Aktivist bezeichnet. Die Probleme, die die USA mit der Migration haben, hätten sie sich oft selbst geschaffen. In einem Artikel im Nonprofit-Magazin «In These Times» und einem Online-Interview auf «The Real News» führt er zwei Beispiele an und wirft einen Blick auf den US-Verteidigungsetat.
Hausgemachte Bandenkriminalität
Es sind Argumente, die sich genauso gut in Bildern erzählen lassen: Bilder von kleinen Kindern, die an der US-Grenze von ihren Eltern getrennt werden zum Beispiel. Diese brachten die US-Öffentlichkeit immerhin dazu, die Trump-Administration zur Rücknahme eines Gesetzes zu bewegen.
Als Rechtfertigung der harten Migrationspolitik gegenüber Einwanderern aus Mittel- und Südamerika dient die Bekämpfung von Bandenkriminalität. Dahinter steht ein anderes Bild: das von stark tätowierten Street-Gangs hinter Gittern. Abgebildet sind meist Mitglieder von Trumps Lieblingsfeind, der Mara Salvatrucha, kurz MS-13, eine äusserst gewalttätige Organisation, deren Mitglieder aus mittel- und südamerikanischen Ländern stammen. Ein Problem, das sich die USA durch ihre Aussen- und Abschiebungspolitik selbst geschaffen haben.
Mara Salvatrucha (MS-13)
MS-13 ist eine schwerkriminelle Organisation, die wegen ihrer skrupellosen Mitglieder und brutalen Morde gefürchtet ist. Wer in ihren Einflussbereich gerät, riskiert sein Leben. Ihren eher harmlosen Ursprung hat sie im Schüler- und Jugendlichenmilieu und im Bürgerkrieg in El Salvador, in dem mit Unterstützung der USA viele Kriegsverbrechen begangen wurden. Flüchtlinge, die in die USA einwanderten, schlossen sich dort ebenfalls zu Banden zusammen – teils, um sich gegen andere zu verteidigen. Einige davon wurden zu gefürchteten Organisationen, die speziell Los Angeles in eine Gewaltspirale trieben. Tausende wurden inhaftiert und nach der Haftstrafe in ihre Heimatländer abgeschoben. Dort übernahmen die spätestens in den US-Gefängnissen rekrutierten Heimkehrer die relativ harmlosen kleinkriminellen Banden. Durch einen Zyklus von Abschiebung, Kriminalisierung und Einwanderung verbreiteten sich neben der MS-13 auch Banden wie die MS-18, die ihren Ursprung ebenfalls in den USA hat, über ganz Lateinamerika. Aus gewalttätigen Strassenbanden wurden so kriminelle Grossorganisationen, die vermehrt auch im legalen Bereich investieren. Die auffälligen Tätowierungen, für die die Mitglieder aus Medienberichten bekannt sind, haben sie inzwischen grösstenteils abgelegt.
Die Trump-Administration geht mit allen Mitteln gegen MS-13 vor. Unter der No-Tolerance-Politik leiden aber sehr viele Unbeteiligte, die mit organisierter Kriminalität nichts zu tun haben (Infosperber berichtete: «US-Gefängnisse: Wenn der Algorithmus Nein sagt» ). Wer vor den Banden flieht, kann nicht länger auf Hilfe hoffen. Bandenkriminalität ist nach jüngsten Entwicklungen in den USA kein Asylgrund mehr.
Albtraum Jemen
Gar nicht erst auf Einreise hoffen dürfen Flüchtlinge aus dem Jemen, denn sie fallen unter Trumps Einreiseverbot. Dabei herrscht im Jemen eine der derzeit schwersten humanitären Krisen. Die Bevölkerung leidet Mangel an fast allem und ist von internationaler Hilfe abhängig. Grund ist der andauernde Bürgerkrieg zwischen der sich als rechtmässig bezeichnenden Regierung und den Rebellen – ein Krieg, der von Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten als Stellvertreterkrieg geführt wird. Bombardiert wird fast alles: Krankenhäuser, Schulen, Märkte, Infrastruktur (siehe auch Infosperber-Dossier: Der Krieg im Jemen).
Videoscreenshot, Deutsche Welle (dw.de)
Das aktuelle Bild dazu: ein ausgebrannter Schulbus, der am 9. August von der saudischen Koalition bombardiert wurde. Dabei starben 50 Menschen, die meisten davon Kinder. Die USA unterstützen in diesem Krieg die saudische Koalition. Petersen-Smith beschreibt, was das konkret heisst: «Die Bomben kamen aus den Vereinigten Staaten. Das Flugzeug wurde in den Vereinigten Staaten hergestellt. Die Flugzeuge [der Koalition] werden mit amerikanischen Flugzeugen betankt… Die Vereinigten Staaten tun alles, ausser gerade selbst Bomben abzuwerfen». Nebenbei finanzierten sie dem Nachbarstaat Oman den Bau einer Mauer an der Landesgrenze und helfen so mit, die Menschen im Land einzusperren. Im jüngsten US-Verteidigungsetat tauche dieser Posten als «Hilfe zur Grenzsicherung» für Oman auf.
Ein neuer Feind am Horizont
Wofür die USA ihr Geld ausgeben, sei überhaupt sehr interessant, analysiert Petersen-Smith. Wie das jüngste Budget zusammengesetzt sei, sei zwar verwirrend, sage aber etwas aus darüber, wie sich die US-Aussenpolitik nach dem «War on Terror» gestalten könne, sagt er in einem Interview mit «The Real News Network». Europäische Verbündete erhielten mehr Mittel und die USA finanzierten die Entwicklung von Atomwaffen geringer Sprengkraft. Nach Meinung von Experten ist das wenig sinnvoll und verstärkt die Gefahr eines Atomkriegs, die zu reduzieren sich die USA verpflichtet haben. Auch der Begriff «geringe Sprengkraft» ist irreführend. Die neuen Waffen sollen immerhin die Hälfte der Sprengkraft der Hiroshima-Bombe haben und von U-Booten aus abgeschossen werden können. Gegen Al Kaida oder den Islamischen Staat helfe das nichts, sagt Petersen-Smith. Es sei aber ein Zeichen dafür, dass sich die USA auf eine kriegerische Auseinandersetzung mit den Grossmächten Russland und China einstellten.
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Interviews von «The Real News Network» und anderer Quellen erstellt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine