Sperberauge
So arbeitet das CH-Migrationsamt
Man traut den Augen nicht. Seit vielen Wochen unternimmt die Schweiz nichts, aber auch gar nichts, um wenigstens ein paar jugendliche Flüchtlinge ohne Begleitung aus den griechischen Flüchtlingslagern zu übernehmen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter verweist immer nur darauf, dass dies mit den Ländern des Dublin-Abkommens koordiniert werden müsse. Ein gutes Hundert von Hilfsorganisationen hat in dieser Sache jetzt einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht. (Siehe unten)
Und was tut in dieser Zeit das Schweizer Migrationsamt SEM? Es vertut sich in Administration. Heute, am Osterdienstag, mitten in der Covid-19-Krise mit Tausenden von Betroffenen, publiziert es im Internet die Ausschreibung für die medizinische Unterstützung – nein, nicht für die medizinische Unterstützung der Flüchtlingshilfe, sondern für die medizinische Hilfe bei der Abschiebung von Menschen, die als Flüchtlinge in die Schweiz gekommen sind, denen das Asylrecht aber verweigert worden ist und die deswegen wieder abgeschoben werden müssen.
Es ist wahrlich nicht immer leicht, Schweizer Staatsbürger zu sein, ohne sich für dieses Land schämen zu müssen. Und Steuern zu zahlen, mit denen dann auch Behörden wie das Migrationsamt SEM bezahlt werden, macht noch weniger Spass.
Was muss eigentlich noch passieren, bis die Schweiz, eines der reichsten Länder der ganzen Welt, begreift, dass sie bei Hilfsaktionen auch ein bisschen Herz zeigen muss?
Zum Osterappell der Hilfswerke
«110 humanitäre Organisationen, Vereine, Gruppierungen und NGOs fordern in einem Osterappell von Bundesrat und Parlament, die Flüchtlingscamps in Griechenland zu evakuieren. Die Schweiz solle möglichst viele dieser Menschen aufnehmen. Die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz befinde sich auf einem historischen Tief, und die Schweiz habe die Geldmittel, Räume und Personal, um viele Flüchtlinge zu betreuen, hiess es im am Ostermontag (13.4.) via Communiqué veröffentlichten Appell. Die Schweiz habe als Dublin-Staat eine Mitverantwortung für die humanitäre Katastrophe in den Lagern auf den griechischen Inseln. Mehrere zehntausend Menschen aus Kriegsgebieten seien dort gestrandet. Breche die Lungenkrankheit Covid-19 in einem Camp aus, drohe eine Katastrophe mit vielen Toten.» (Aus der NZZ vom 13.4.2020, Die neusten Entwicklungen)
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Nicht «nichts»
Nachtrag vom 15. April, 09 Uhr: Aufgrund des obenstehenden Textes hat sich der Leiter Information und Kommunikation des Migrationsamtes SEM, Daniel Bach, gemeldet und sich gegen das oben stehende «nichts, aber auch nichts» gewehrt. Insbesondere hält er in seiner Stellungsnahme fest,
Alles klar: Die Schweiz führte auch im März, vielleicht sogar noch im April Abschiebungsflüge für abgewiesene Asylbewerber sogar nach Afrika durch. Die Schweiz führte etliche Sonderflüge nach Südamerika, auf die Kanaren, nach Marokko und weiteren Destinationen durch, um gestrandete Schweizer Touristen zurück in ihre Heimat zu bringen. Und sie «versucht» einen Transfer für 20 Flüchtlingskinder zu organisieren, was «in Zeiten von Corona nicht ganz einfach ist.»
Infosperber nimmt die Formulierung «Seit vielen Wochen unternimmt die Schweiz nichts, aber auch gar nichts, um wenigstens ein paar jugendliche Flüchtlinge ohne Begleitung aus den griechischen Flüchtlingslagern zu übernehmen» in aller Form zurück. Die Schweiz hat im Gegenteil «angeboten», «wohlwollend zu prüfen zugesichert», «bestätigt» und «zugestimmt». Aber der Transfer von 20 Jugendlichen, die in der Schweiz bereits eine «familiäre Verbindung» haben, ist «eben nicht ganz einfach». (cm)
Nachtrag: Am 16. Mai hat das Migrationsamt mitgeteilt, dass die 23 Jugendlichen aus Griechenland mit dem Flugzeug in der Schweiz gelandet sind. Endlich. Aber trotzdem: Danke! (cm)
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Siehe dazu auch
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Was regen Sie sich auf, Herr Müller? Unsere Regierung lässt doch die TV-Moderatoren täglich den Dank aussprechen für unsere Solidarität und unser Mitgefühl. Und der immer perfekt geschminkten Karin Keller- Sutter muss man doch etwas Zeit lassen zum Koordinieren «mit den Ländern des Dublin-Abkommens». Einigkeit mit dem Aussenminister wäre ja dazu nötig. Aber der bevorzugt den Tessiner-Charme.
Nein, nein, die werden nicht glücklich mit uns und wir nicht mit ihnen. Hilfe vor Ort, egal was es kostet, wenn das Geld richtig eingesetzt wird…
@Christian Müller: Wenn Sie jeden Wirtschafts-Flüchtling mit Kind und Cousin aufnehmen wollen, können Sie ja ein Zimmer bereitstellen? Falls alle Schweizer das machen, können wir schon ganz Somalia einladen. Toll oder?