Trotz vielen Corona-News: die Rohingya nicht vergessen!
Nicht ganz zufällig beschäftigen sich die Medien zurzeit vor allem mit der Covid-19-Pandemie, mit ihrer Verbreitung und Bekämpfung im eigenen Land, mit ihrer Ausbreitung in den besonders stark betroffenen Ländern, und natürlich mit den erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Wie aber sieht es dort aus, wo schon vor der Pandemie Arbeitslosigkeit oder gar Hunger herrschte. Zum Beispiel im grössten Flüchtlingslager der Welt, in Bangladesch, wo mehrere hunderttausend Menschen auf engstem Raum zusammenleben – zusammenleben müssen: die aus Myanmar geflüchteten Rohingya? Infosperber hat beim Schweizer Hilfswerk Helvetas nachgefragt, wie es dort aussieht. Antwort gegeben hat Barbara Dietrich, die für Bangladesch verantwortliche Regionalkoordinatorin.
Infosperber: Wie viele Rohingya leben gegenwärtig in den Flüchtlingslagern in Bangladesch?
Wie werden sie hauptsächlich verpflegt? Von Bangladesch-staatlichen Organen oder von Hilfswerken?
Woher kommen die finanziellen Hilfsmittel und zu welchen Teilen etwa: Bangladesch? UNO?
Die Regierung hat viel gemacht. Allein schon für die Verwaltung der fast 900’000 Rohingya in den Lagern braucht es Beamte und Infrastrukturen wie z.B. Zugangsstrassen. Die Verteilung von Nahrung ist kostspielig und der Schutz der Menschen – insbesondere der Frauen – in den Lagern ist wichtig und kostet viel Geld. Wälder sind abgeholzt, frühere Felder mit Hütten übersäht. Trinkwasser muss extra aufbereitet werden. Es wurden Kläranlagen gebaut, aber auch deren Unterhalt kostet Geld.
Die lokale Bevölkerung hat die verzweifelten Kinder, Frauen und Männer aus Myanmar, die ohne nichts vor den schrecklichen Gräueltaten geflüchtet sind, anfänglich sehr herzlich empfangen. Doch nun spüren auch die einheimischen Familien, deren Kinder oft schon früher mangelernährt waren, den Druck der plötzlichen Überbevölkerung. Die Tageslöhne der Feldarbeiter sind zum Beispiel drastisch gesunken. Sie haben kein Geld mehr für das Nötigste. Darum benötigen auch sie teilweise Unterstützung.
Die UNO und die internationale Gemeinschaft ihrerseits rechnen für das Jahr 2020 mit 877 Millionen USD, um die Rohingya mit dem Nötigsten versorgen zu können.
Wie stark ist Helvetas engagiert? Personen? Geld?
Im Moment arbeiten wir vor allem via unsere ausgebildeten Rohingya-Volontäre in den Camps. Sie gehen von Haus zu Haus und erklären den Menschen, was Covid-19 ist und wie sie sich und andere schützen können; zum Beispiel durch Social Distancing und richtiges Händewaschen. Wir verteilen Desinfektionsmittel und Hygienekits an die Rohingya und die armen einheimischen Familien, die in der unmittelbaren Umgebung leben und unter dem enormen Bevölkerungsdruck leiden.
Zum einen ist Helvetas gemeinsam mit unser Expertenpartnerorganisation ACTED im Auftrag von UNHCR im Camp Management für 160’000 Menschen tätig. Zum anderen engagieren wir uns in einem Projekt der Glückskette in der Nahrungssicherheit, indem wir mit den Rohingya und den Einheimischen Gemüseanbau betreiben.
2019 hat Helvetas 3,4 Millionen Franken für Rohingya in verschiedenen Projekten umgesetzt. Unser Budget für 2020 ist kleiner, es beträgt im Moment 2,2 Millionen Franken. Es wird immer schwerer, Gelder für die Rohingya zu bekommen, die internationale Gemeinschaft beginnt sie zu vergessen …
Wie ist die medizinische Versorgung im Lager?
Für die Covid-19-Bekämpfung sind bereits 18 Isolationsstationen eingerichtet. Mindestens 200 weitere Isolationsstationen sind geplant.
Ist die Covid-19-Pandemie im Lager bereits angekommen? Gibt es eine spürbar grössere Sterblichkeit?
«Patients who are referred for treatment outside of the camps will be shot or killed by the government, if there are too many cases of the virus. There is also a rumour that two community members have already been executed in these circumstances.» «The only way to stop the disease is to kill the infected person.» «No medication is available for Covid-19, so there is no point seeking medical treatment.» «If anyone contracts the virus in the camps, they will be confined by security forces and mistreated or even killed, and their home and block will be shut down.» (Deutsche Übersetzung siehe unten)
Dem wirken wir entgegen. Unsere Volontäre gehen von Hütte zu Hütte mit Megafonen und verteilen Flugblätter, zeigen «Social Distancing» – soweit das überhaupt möglich ist im dichtesten Flüchtlingslager der Welt. Sie erklären richtiges Händewaschen, führen es vor, beantworten Fragen.
In welcher Form ist Hilfe am dringlichsten? Geld? Ärzte? Material?
In welcher Form könnte die Schweiz am besten zusätzlich helfen?
Was möchten Sie von Helvetas unseren Leserinnen und Lesern besonders ans Herz legen?
(Kamlesh Vyas, Regionaler Koordinator für Humanitäre Hilfe in Cox’s Bazar, und Tazin Akter, Gender und Gemeinde-Partizipations-Koordinatorin in Cox’s Bazar, haben Barbara Dietrich bei der Beantwortung der Fragen unterstützt.)
Übersetzung des englischen Passage im Interview:
«Patienten, die ausserhalb der Lager zur Behandlung überwiesen werden, werden von der Regierung erschossen oder anders getötet, wenn es zu viele Fälle des Virus gibt. Es gibt auch das Gerücht, dass zwei Gemeindemitglieder unter diesen Umständen bereits hingerichtet worden sind.» – «Die einzige Möglichkeit, die Krankheit zu stoppen, ist die Tötung der infizierten Person.» – «Für Covid-19 gibt es keine Medikamente, so dass es keinen Sinn macht, eine medizinische Behandlung zu suchen.» – «Wenn sich jemand in den Lagern mit dem Virus infiziert, wird er von den Sicherheitskräften eingesperrt und misshandelt oder sogar getötet, sein Haus und die Lagerzone werden geschlossen.»
Zur Covid-19-Krise Stand 17. April 2020: In Bangladesch sind bisher offiziell 60 Menschen am Coronavirus gestorben. Über 1500 Personen sind positiv getestet; davon über 100 Ärzte und medizinisches Personal.
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Siehe dazu auch die Sendung im «Echo der Zeit» vom 14. April 2020: «Das grösste Flüchtlingslager vor der Corona-Herausforderung», hier anklicken.
Nachtrag vom 26. April 2020:
Siehe dazu auch ein Video von BBC über gestrandete Rohingya.
"Die Rohingya nicht vergessen » Diese Formulierung ist gut gemeint aber ungenau
Aber ein Land , das 30 % SVP Wähler hat, bei sicherlich noch einmal so hohem Anteil Menschen, welche deren Ansichten teilen aber sich die Wahlen sparen( guter Schweizer Volkssport), kan von » Vergessen » keine Rede sein. Es ist schlichte Ignoranz. So kann man das nämlich auch nennen.
Nach langem Schweigen hat Burmas De-facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi Stellung genommen zum Konflikt im Land.
Publiziert am 13. September 2018 in TAZ. Die Lage eskalierte vor einem Jahr, nachdem Rohingya-Rebellen bei Angriffen mehrere Grenzwächter töteten. In Sure 2 Vers 191 steht; und tötet sie, wo immer ihr auf sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben, denn Verfolgung ist schlimmer als Töten! Kämpft jedoch nicht gegen sie bei der geschützten Gebetsstätte, bis sie dort (zuerst) gegen euch kämpfen. Wenn sie aber (dort) gegen euch kämpfen, dann tötet sie. Solcherart ist der Lohn der Ungläubigen. Wie soll man das humanistisch interpretieren.