Kleine Steuer-Korrekturen zum langfristigen Umverteilungstrend
Steuervorlagen, welche die höchsten Einkommen begrenzen oder stärker besteuern wollen, haben in der Schweiz in der Regel einen schweren Stand. Das zeugt davon, dass die grosse Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten solidarisch ist mit der kleinen Minderheit von Spitzenverdienern – weil sie möglicherweise hofft, auch einmal zu diesen zu gehören. Dazu drei Beispiele:
- Die Reichtumssteuer-Initiative der SP, die 1977 vors Volk kam, lehnten 55,6 Prozent der Abstimmenden ab; dies trotz damals aufgeheizter Debatte über Millionäre, die keinen Rappen Einkommenssteuer zahlten.
- Die SP-Initiative «für faire Steuern», die gesamtschweizerisch einen Mindeststeuersatz von 22 Prozent für Einkommen ab 250’000 Franken verlangte, scheiterte 2010 mit 58,5 Prozent Nein; diese Initiative hätte in 16 Kantonen eine höhere Steuerbelastung für Spitzenverdiener bewirkt, nicht aber in Basel und der Westschweiz.
- Die Juso-Initiative 1:12 «für gerechte Löhne», welche die Schere zwischen höchsten und tiefsten Löhnen auf 1:12 begrenzen wollte, schmetterten die Schweizer Stimmberechtigen 2013 mit 65,3 Prozent Nein-Stimmen ab.
Wertungen wie «überraschend» oder «unerwartet» fehlten in den damaligen Abstimmungskommentaren. Die Mehrheit der Abstimmenden fand es offenbar richtig, dass Spitzenverdiener in der Schweiz gehätschelt und geschont werden wie Hennen, die angeblich goldene Eier legen. Und die meisten Medienschaffenden teilten diese Meinung. Derweil stiegen die höchsten Löhne in der Schweiz stets stärker als die mittleren und tieferen. Das bewirkte eine Umverteilung der Einkommen und Vermögen von unten nach oben. Dieser Sachverhalt führte in den Medien punktuell zwar zu entrüsteten «Abzocker»-Debatten, stellte aber das System nie grundlegend in Frage.
«Überraschung in Basel» – wirklich?
Ganz anders werten Medienschaffende heute das Resultat zur kantonalen Initiative für eine «Topverdiener-Steuer» der Jungsozialisten (Juso) in Basel-Stadt; diese befürworteten die Basler Stimmberechtigten am Wochenende mit 52,7 Prozent Ja-Stimmen. «Volksinitiative der Juso wird überraschend angenommen», steht heute zum Beispiel in der NZZ im Untertitel des Berichts über das Basler Abstimmungsresultat. «Ein unerwartetes Ja gab es in Basel-Stadt für die Topverdiener-Steuer», berichten die Tamedia– und weitere Zeitungen. «Das Ja (zur Initiative) sorgt schweizweit für Aufsehen», kommentiert Jonas Hoskyn in der Aargauer und der Basellandschaftlichen Zeitung. Und der Blick konstatiert: «Überraschung in Basel».
Damit fragt sich: Kommt das Basler Ja wirklich unerwartet und überraschend? Wer frühere kantonale Abstimmungs-Resultate konsultiert, kommt zu einem anderen Schluss.
Basel-Stadt stimmte oft anders
Denn im Unterschied zur Gesamtschweiz befürwortete die Stadt Basel schon 1977 die Reichtumssteuer-Initiative der SP. Mit deutlichem Mehr stimmte Basel-Stadt 2010 auch der SP-Initiative «für faire Steuer» zu, um den Steuergraben für Spitzenverdiener in der Schweiz etwas einzuebnen. Und das Nein zur als radikal empfundenen 1:12-Initiative war in Basel-Stadt weniger deutlich als in der Gesamtschweiz.
Die Zustimmung zur Topverdiener-Initiative vom Wochenende in Basel-Stadt ist darum nicht überraschend, sondern folgerichtig. Denn die Initiative ist alles andere als radikal. Sie erhöht künftig die gesamte Steuerbelastung für Einzelpersonen mit Jahreseinkommen ab 200’000 Franken und Verheiratete ab 400’000 Franken nur geringfügig, nämlich von bisher 26 auf neu 28 Prozent.
Das Ja zu dieser Juso-Initiative stellt damit eine kleine Steuerkorrektur dar zum langfristigen Umverteilungs-Trend, der die Reichen in der Schweiz reicher machte. Und es kompensiert den Steuerverlust, den die Kantone erleiden werden, nachdem das Schweizer Volk am gleichen Wochenende der eidgenössischen Doppelpackung AHV-/Unternehmenssteuer-Reform zustimmte.
Kleine Zeichen aus Basel und Bern
Das Stimmverhalten in Basel-Stadt ist in der Regel progressiver und sozialer als im Schnitt der Schweiz. Doch Basel-Stadt ist kein Einzelfall. Auch die Kantone Bern und Neuenburg stimmten zum Beispiel schon 1977 für die Reichtumssteuer-Initiative. Dass der Kanton Bern wie Basel ebenfalls zu den sozialeren Kantonen gehört, bewiesen die Abstimmenden am Wochenende mit ihrem Nein zu einer andern kantonalen Vorlage: Sie lehnten es ab, die Fürsorgeleistungen zu kürzen. Die Resultate in Basel-Stadt und Bern signalisieren damit immerhin eine kleine Wende im allgemeinen Umverteilungs-Trend.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Nicht Arbeit und Reichtum, sondern Luxuskonsum höher besteuern!
Reich wird man in der Regel nicht durch Arbeit, sondern durch Realkapitalbesitz (Aktien, Immobilien, Rohstoffe) oder durch Erbschaft. Volkswirtschaftlich schädlich wird Reichtum erst, wenn er mit Luxusgütern verprasst wird, sonst bleibt er ja – vielfach als risikotragendes Kapital – der Wirtschaft und damit auch den Arbeitnehmenden – erhalten. Daher sollten nicht primär Löhne oder Vermögen höher besteuert werden, sondern deren Verwendung für Luxusgüter und –dienstleistungen via eine progressive Konsumsteuer.
Guten Tag
Die Juso hat etwas begriffen was die alte SP noch nicht verstanden hat. Sie nutzen die Internetmedien, schreiben Symphatisanten persönlich an, sind präsent auf Facebook, beantworten auch mal eine Email persönlich, auch Cedric Wermut ist kontaktierbar für interessierte Wähler/innen. Die Juso wird Volksnah und interessiert sich mehr für den Volkswillen und weniger für den persönlichen Erfolg, das hat gewirkt, das funktioniert. Die Informationspolitik der Juso sind nicht leere Versprechungen um sich selbst in eine gute Position zu bringen, sie haben nicht die Absicht mit anderen Parteien zu buhlen, ihr Ziel ist und bleibt der reine Volkswille. Die Juso hat es geschafft, bei den sozial Denkenden Wähler/innen Hoffnung zu wecken, das es doch noch anders gehen könnte, und sie hat es für diesmal geschafft. Eine gute Leistung, ein Bravo an die Juso und Cedric Wermut.
Zur Basler Reichtumssteuer schreibt Hanspeter Guggenbühl zwei Mal, dass es zu einer Umverteilung «von unten nach oben» komme, wenn die Einkommens- und Vermögensschere aufgeht. Das ist Unsinn. Das Gegenteil trifft zu: Dank der Progression werden hohe Einkommen deutlich stärker besteuert als untere. Einmal zusätzliche 100‘000 Franken Einkommen bei einem Reichen bringt viel mehr Steuersubstrat als 100 mal zusätzlich 1000 Franken bei unteren Einkommen. Dasselbe passiert bei der Vermögenskonzentration. Und auch bei der AHV: Auch Reiche bezahlen AHV auf das volle Einkommen, die maximale Rente ist aber auf rel. tiefem Niveau beschränkt. Und die PK gewährt auf überobligatorische Einkommensbestanteile sehr viel tiefere Umwandlungssätze. Nur im Obligatorium gilt das gesetzliche Minimum von 6,8 Prozent. In all diesen Fällen erfolgt also eine – gesellschaftlich durchaus erwünschte – Umverteilung von oben nach unten. Öffnet sich die Einkommens- und Vermögensschere, so ist das ungerecht und ein gesellschaftliches Problem. Aber immerhin wird sie von der Umverteilung abgefedert – von oben nach unten.
@H�mmerli Die genannte Umverteilung beim Steuersubstrat bringt eine winzige Mehreinnahme von ca 22’440-19’300 CHF = 3’140 Fr.
Unter ihrer Annahme von 1:100. Ein Ehepaar in der Stadt Baden mit einem steuerbaren Einkommen von 2’500’000 und einem steuerbaren Verm�gen von 5’000’000 zahlt bei einer Mehreinnahme von 100’000 Fr. 22’440 Fr. mehr Steuern.
100 Ehepaare in der Stadt Baden, mit einem steuerbaren Einkommen von je 150’000 CHF zahlen je 19’664 CHF. Bei 151’000 Einkommen sind es 19’857 CHF, also 193 FR. pro Ehepaar mehr. Bei 100 Ehepaaren sind das dann 19’300 CHF.
Bei einem Einkommen von 2.5-2.6 Mill.Fr kann aber leicht Kapital in Form von vermieteten Immobilien u. Aktien im Laufe der Jahre angeh�uft werden verbunden mit steigenden Eigenkapitalrenditen, besonders in Zeiten von fast 0% Znsen Fremdkapital. Die Kreditw�rdigkeit bei hohen Einkommen u. angeh�uften Kapitalverm�gen ist auch h�her.
Bei einem Median-Arbeitseinkommen und normalen gew�hnlichen Lebensbedingungen bleibt man kapitalschwach. Um die Kreditw�rdigkeit steht es auch schlecht u. die Umverteilung nach oben �ber die steigenden Mieten tun ein �briges.