Der Tanz der SVP mit den christlichen Schwulen-Hetzern
Die Zürcher SVP-Nationalrätin und Regierungsrats-Kandidatin Natalie Rickli zahlt laut Tagesanzeiger in einen Solidaritätsfonds des Churer Bischofs Vitus Huonder ein, nachdem sie im September 2016 aus der römisch-katholischen Körperschaft ausgetreten war. Sie begründete diesen Schritt in einem offenen Brief an Bischof Morerod wie folgt:
«Ich habe mich oft darüber aufgeregt, dass sich Vertreter der Kirche in die Politik eingemischt haben. Dies ist falsch, denn die Kirche muss für alle ihre Mitglieder da sein: für Alt und Jung, für Reich und Arm, für SP und SVP. Das Politisieren soll die Kirche deshalb den Parteien und Politikern überlassen.(…) Denn eine katholische Organisation, welche unter dem Titel einer kirchlichen Mission Andersdenkende ausgrenzt und verunglimpft, entspricht nicht meinem Verständnis des Christentums.»
Rickli fühlte sich von Charles Martig, dem Direktor des Katholischen Medienzentrums Zürich, «ausgegrenzt und verunglimpft», weil er ihre Medienpolitik angegriffen hatte. Seine Kritik gipfelte im Satz: «Ce n’est pas très catholique, Madame Rickli.»
«Ihr Blut soll auf sie kommen»
Das Erstaunliche an der Ausrichtung von Rickli gegen Chur ist nicht ihre Begründung per se, sondern dass sie ihre Kirchensteuern nun zu einem Bischof schickt, der ihre formulierten Massstäbe für Kirchenleute nicht erfüllt. Das zeigt sich in dessen Äusserungen über die Homosexuellen anlässlich seines Vortrags im deutschen Fulda im Jahr 2015. Darin versuchte er der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens «die rechte Wende» zu geben, indem er auf das folgende Bibelzitat zur Todesstrafe für Homosexuelle verwies:
«Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen.» (Lv, 20,13)
Daraus zog Huonder die Folgerung:
«Die beiden zitierten Stellen allein würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben. Die Aussage hat daher auch Bedeutung für die Definition der Ehe und der Familie. Da gibt es keine Vielfalt der Ehe- und Familienmodelle. Davon nur schon zu sprechen, ist ein Angriff auf den Schöpfer, aber auch auf den Erlöser und Heiligmacher, also auf den dreifaltigen Gott.»
Mit dieser Aussage mischt sich Bischof Huonder nicht nur in die politische Diskussion ein, sondern grenzt auch die Homosexuellen aus und verunglimpft sie, im Widerspruch zu Ricklis oben zitierten Kriterien für Vertreter der Kirche.
SVP stimmt mit Huonders Parole zur Homo-Ehe überein
Das Bibelzitat mit der Todesstrafe für Homosexuelle und vor allem Huonders Folgerung stiessen auf breite, öffentliche Empörung. Worauf Huonder erklärte, er sei missverstanden worden. Er sei selbstverständlich nicht für die Todesstrafe für Homosexuelle.
Klar hingegen ist Huonders politisches Bekenntnis gegen die «Vielfalt der Ehe- und Familienmodelle», also gegen die Homo-Ehe. Darin stimmt die SVP mit dem Churer Bischof überein, wie man dem neusten SVP-Parteiprogramm entnehmen kann: «Die SVP will (…) keine absolute Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit der Ehe.»
Als ein paar wenige SVP-Mitglieder anlässlich der letzten Delegiertenversammlung die Streichung dieses Satzes verlangten, unterlagen sie mit 166 zu 126 Stimmen bei zehn Enthaltungen überraschend knapp. Am Schluss jedoch wurde das Parteiprogramm ohne Gegenstimme gutgeheissen, wie das «Echo der Zeit» von Radio SRF berichtete.
Das Parteiprogramm der SVP stimmt also in Bezug auf die Homo-Ehe perfekt mit der Doktrin der christlichen Fundamentalisten um Bischof Huonder überein und ist letztendlich auf dem alttestamentlichen Humus gewachsen. Kein Wunder, dass laut dem Tagesanzeiger neben Natalie Rickli noch weitere SVP-Mitglieder in den Huonder-Fonds einzahlen, namentlich der Zürcher Nationalrat Claudio Zanetti und Roberto Martullo-Blocher, der Gatte von SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher und Schwiegersohn von Ex-Bundesrat Christoph Blocher.
Sie alle zahlen in den Solidaritätsfonds von Bischof Huonder ein, der gemäss Jahresbericht Ende 2017 mit 104’507 Franken gefüllt war und der unter anderem für die «Arbeit mit jungen Christen» verwendet wird. Wenn nun – wie vor kurzem bekannt wurde – Bischof Huonder ins Knaben-Institut der Piusbrüder in Wangs/SG umziehen wird, stellt sich die Frage, ob die SVP-Gelder in Zukunft weiterhin nach Chur oder nach Wangs zu den Piusbrüdern fliessen werden, falls der Wind in Chur drehen sollte.
Hass-Rede des Generalsekretärs der Piusbrüder
Auf jeden Fall trifft Huonder bei den Piusbrüdern auf waschechte Gesinnungsgenossen, denn auch die Piusbrüder sind der Homosexualität alles andere als wohlgesonnen. Beispielsweise Christian Thouvenot, der Generalsekretär der Piusbruderschaft, der im Generalhaus in Menzingen im Kanton Zug sitzt, publizierte vor vier Jahren auf der Internetseite der Piusbrüder eine regelrechte Hass-Tirade gegen die Homosexuellen und rekurrierte wie Huonder auf die Bibel.
Die heutige Welt habe seit langem die «entwürdigendsten Perversionen» übernommen und das Schicksal von «Sodoma und Gomorrha» vergessen. Die «Sünde der Homosexualität» stelle «eine schwerwiegende Unordnung dar» und werde von der Bibel «wie der Mord» unter «die Sünden, die zum Himmel schreien» eingereiht. Solche «schändlichen Leidenschaften» würden «schon auf dieser Erde nach der gerechten Strafe vonseiten Gottes rufen», und zwar wegen der «Boshaftigkeit» und der «Störung der gesellschaftlichen Ordnung».
Am Schluss seiner Hass-Rede erwähnte Thouvenot lobend Bischof Vitus Huonder, der in einem Vortrag im deutschen Fulda «mutig» die Morallehre der Kirche ins Gedächtnis gerufen habe, worauf er unter dem Druck der «homosexuellen Lobby» das Opfer einer «wahren Fatwa der Massenmedien» geworden sei.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die Schulen der Piusbrüder den Segen der SVP und der CVP haben. Eine Phalanx von SVP und CVP versenkte nämlich vor anderthalb Jahren im St. Galler Kantonsrat eine Motion, die den Schulen der Piusbrüder Grenzen setzen wollte. Infosperber hatte gezeigt, dass die Piusbrüder-Schulen die Kriterien des Bundesgerichts nicht erfüllen.
Die katholisch-evangelikale Achse für «Meinungsfreiheit»
Mitglieder der SVP sind nicht nur mit den katholischen, sondern auch mit den evangelikalen Fundamentalisten vernetzt. Als der damalige Zürcher SVP-Gemeinderat Daniel Regli kurz vor Weihnachten 2017 mit homophoben Behauptungen von sich reden machte und damit weitherum auf Empörung stiess, eilten ihm die evangelikalen «Christen für die Wahrheit» zu Hilfe und sahen die Meinungsfreiheit in Gefahr (siehe Infosperber: Die katholisch-evangelikale Achse für «Meinungsfreiheit»). Deshalb organisierten sie eine Veranstaltung zum Thema «Meinungsfreiheit – Eine Illusion: Verhindert politische Korrektheit konstruktive Debatten?», wo auch der Churer Bischofssprecher Giuseppe Gracia sprach und ins gleiche Horn der bedrohten Meinungsfreiheit blies.
Fazit: Wenn SVP-Mitglieder ihre Kirchensteuer bei Bischof Huonder abliefern, dann tun sie das, weil sie ein offenes Ohr für die konservativen, politischen Botschaften aus Chur haben. Damit düngen sie gleichzeitig den Acker weiter, auf dem beispielsweise die politischen Parolen gegen die Homo-Ehe und die Abtreibung wachsen.
Es geht ihnen also nicht um die politische Abstinenz der Kirchenleute, wie sie vorgeben, sondern im Gegenteil um die richtige SVP-kompatible, politische Einstellung und Einmischung. Sie sympathisieren mit den christlichen Fundamentalisten und bekämpfen gleichzeitig die islamischen Fundamentalisten, die im Fall der Homosexualität erstaunlich gleich gepolt sind. Das zeugt von Doppelmoral und ist nicht glaubwürdig.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Es ist doch völlig logisch, dass die Katholische Kirche jede Gelegenheit wahrnimmt mit einem Sperrfeuer ihre vielen Kinderschänder, die im Klerus der Kirche weltweit «tätig» sind zu schützen… Auch die Praxis der Vertuschung muss getarnt werden.
Schon nach dem 2. Weltkrieg musste die Römische Kirche gewarnt werden, die Demokratien nicht mehr zu verteufeln, was sie aber nicht hinderte die Faschistischen Diktatoren, wie Franco, Salazar und Peron (teilweise) zu hofieren.
Ich vermisse eine Stellungnahme von Natalie Rickli zu den oben geschilderten Hintergründen.
Wahltag ist Zahltag: Oktober 2019 – keine SVP-Vertreter und wenige Vertreterinnen wählen…
Wie Huonder, die Piusbrüder, etliche SVP-Exponenten etc. sich über Homosexualität äussern, zeigt deren verlogene und abwertende Haltung diesen Menschen gegenüber – in der kath. Kirche wie in der SVP hat es Mitglieder mit dieser sexuellen Ausrichtung …
Ich sehe das gar nicht so!!! – Das Wort EHE an sich stammt ja von dem Sakrament der Kirche, bezeichnen wir es mal so: die Kirche hat darauf das «Urheberrecht». Schon Napoleon hat der Kirche dieses Wort gestohlen, indem er die Zivil-Ehe einführte. Zuvor gab es NUR die kirchliche Ehe. Wieso bloss wollen Schwule nun auch noch das Wort Ehe beanspruchen, welche die Kirche seit jeher als Bund zwischen Mann und Frau ZUR GRÜNDUNG EINER FAMILIE betrachtet??? Zwei Männer oder zwei Frauen können nun einmal keine Kinder kriegen, d.h. in den Augen der Kirche, «eine Familie begründen». Das sind nun einmal die biologischen Gesetze! – Wieso kann man für den Bund von zwei Menschen gleichen Geschlechts nicht einen anderen Namen finden, der die Kirche NICHT provoziert??? Die Gleichstellung in vielen Fragen vor dem Gesetz begreife ich ja und befürworte es auch. ABER WIESO DER NAME EHE ??? – Minderheiten fordern immer Toleranz (was auch richtig ist)! Wieso sind sie selber gegenüber der 2000 jährigen Geschichte der Kirche NICHT TOLERANT??? – Und ich denke, es geht nicht gegen Homosexuelle, sondern darum, dass die SVP-ler einfach scheinbar mehr Verständnis für Geschichte und Traditionen haben, als andere Parteien!
Man müsste Natalie Ricklin nur dankbar sein. Einen gezielteren Steilpass für die SP, die Alternativen und die Grünen hätte von linker Seite niemand hingekriegt. Wer sind die Kreise, die Huonder Ideologie teilen? Die Piusbrüderschaft, in ihrem Schlepptau die Ritter vom heiligen Grab, den Opus Dei und was es in dieser Richtung sonst noch gibt. Das sprengt bei weitem den Homohass. Man muss nur in der jüngeren Geschichte zurückblättern. Die Verbrechen um die Vatikanbank, den Francofaschismus mit hunderttausenden von Opfern, die P2 (Propaganda Due) mit ihrem Terrorismus, der mit dem Attentat auf den Bahnhof Bologna (85 Tote, 200 Verletze, viele verstümmelt, für das spätere Leben gezeichnet) seinen Höhenpunkt hatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sogar Rechtsliberale noch einen Finger für Ricklin rühren werden, wenn all das auf den Tisch kommt …
Bischof Huonder und sein Levitikus. Er pickt aus einem langen Text ein, zwei Sätze heraus, um sie wie Kanonenkugeln auf Leute zu schiessen, die ihm nicht passen? Ganz billig.
Was gemäss Levitikus sonst noch so alles geahndet werden soll:
– zweierlei Saat auf einem Feld: Strafe
– Beischlaf mit fremder Sklavin: Busse
– Beischlaf mit fremder Frau: Kopfab
– Homosexualität: Kopfab
– Nicht mehr Jungfrau bei Eheschliessung: Steinigen und alle dürfen mitmachen
– Kleider aus zweierlei Faden: Strafe.
Und so weiter und so fort.
Und hier noch ein ganz Besonderer für Natalie Rickli und ihre SVP: «33 Und wenn ein Fremder bei dir – in eurem Land – als Fremder wohnt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. 19.34 Wie ein Einheimischer unter euch soll euch der Fremde sein, der bei euch als Fremder wohnt; du sollst ihn lieben wie dich selbst. Denn Fremde seid ihr im Land Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott."
Vieles ist völlig abwegig. Und aus diesem Haufen pickt der Bischof eines der absurderen Verbote heraus, das halt so gut zu seiner Einstellung passt, und verwendet es als Kanonenkugel gegen die bösen Schwulen. Warum wettert er nicht gegen Tartar und Blutwurst? Warum schmäht er seine Kollegen nicht, die Kleider aus zweierlei Faden tragen?
Mir erscheint der Beitrag, auch, wenn die Recherchen einigermassen stimmen, doch einseitig auf die SVP und Natalie Rickli – in negativem Sinn – ausgerichtet (ausgeschlachtet) zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht ebenso viele der anderen Parteien, die Vielfalt der «neuen Familien-Modelle», etwas zwiespältig betrachten! Ich denke, besonders die Grünen, die auf «Natürlichkeit» ausgerichtet sind, sind sicher etwas zweifelnder. Leider ist die traditionelle Familienform, die ja nicht einfach eine christliche Erfindung ist, aus der Mode gekommen. Die Kinder haben vor allem darunter zu leiden. Schwule und Lesben schauen genauso gut, wenn nicht sogar noch besser zu den ihnen anvertrauten Kindern! Doch, wenn diese Kinder in der Schule sind, haben diese Kinder eben zwei Väter, oder zwei Mütter, was sicher nicht von allen Mitschülerinnen und Mitschüler ohne weiteres «begriffen» wird, wenn sie davon erfahren. Etwas halsbrecherisch ist der Vergleich der «SVP-Traditionalisten» mit den islamischen Traditionalisten, die angeblich nur von SVP -Leuten kritisiert würden. Bei den islamischen Traditionalisten geht es, gemäss Scharia, oft um Tötung, oder Verstümmelung!
Geht es dem Bischof nun um die praktische Anwendung des Bibeltextes innerhalb der Kirche, oder nur ausserhalb? Das Thema „Homosexualität“ bildet eine Schnittmenge und wird sowohl von der Kirche als auch der Politik bewirtschaftet – wobei die Politik deutlich später hinzugestossen ist. Wie wir alle wissen, geht es bei Homosexualität auch um die Übertragung von Krankheiten, die früher nicht harmlos waren und ein ganzes Volk bedrohen konnten. So intensiv wie man heute über Impfgegner schreit, schrie man früher über Homosexualität. Im letzten Abschnitt sehe ich nicht zwingend eine Doppelmoral. Hinkendes Beispiel: Person A ist mit Person B und C per du, B aber nicht mit C. Das ist mathematisch eine Ungleichung, erscheint also als Doppelmoral. Ist es aber nicht. Im übrigen lege ich Wert auf die Feststellung, dass „kirchlich“ keinesfalls automatisch gleichzusetzen sei mit „christlich“, aber auch nicht mit „biblisch“. Der Sinn der Kirche ist „uneigeschränkte kompromisslose brutale Macht über die Menschheit“ – der Sinn der Bibel ist ein ganz anderer. Ein schweres Thema, das der Autor sich da ausgesucht hat 😉