Notstandsgesetzes_WikimediaCommons

Demonstration gegen Notstandsgesetze, Bremer Marktplatz, Mai 1968 © Wikimedia Commons

1968, die Linke und die «Arbeiterklasse»

Philipp Sarasin /  Sie interessiere sich nicht mehr für «die Arbeiter», betreibe nur noch «Identitätspolitik». Stimmt dieser Vorwurf an «die Linke»?

Red. Philipp Sarasin lehrt Geschichte der Neu­zeit an der Universität Zürich. Er ist Mit­be­gründer des Zentrums Geschichte des Wissens, Mitglied des wissen­schaft­lichen Beirats der Internet­plattform H-Soz-Kult und Heraus­geber von Geschichte der Gegenwart. Er kommentiert privat auf Twitter.

In den poli­ti­schen Turbu­lenzen der Gegen­wart ist das Jahr 1968 erneut ein Flucht­punkt von Kritik wie auch der Selbst­re­fle­xion der Linken. Von rechts aussen wird die Libe­ra­lität der heutigen Gesell­schaften als «links-grün versifft» denun­ziert und dafür «68» die Schuld gegeben. Etwas wohl­mei­nen­dere Libe­rale beklagen, «die Linke» habe seit 1968 «die Arbeiter» aufge­geben und kümmere sich bald nur noch um die «Iden­tität» verschie­dener Gruppen jenseits der «Mitte der Gesell­schaft». Das ist ein Vorwurf, der insbe­son­dere von Didier Eribon populär gemacht wurde und der auch die Nieder­lage Hillary Clin­tons gegen Donald Trump zu erklären scheint.
In den diversen Lagern der poli­ti­schen Linken wiederum streitet man darüber, ob 68 eine «Revo­lu­tion» war, die viel­leicht kurz­fristig geschei­tert sei, deren Impulse aber wieder aufge­griffen werden müssten. Gret­chen Dutschke, die Witwe des West-Berliner Studen­ten­füh­rers Rudi Dutschke, hält daran fest, der entschei­dende Reform­im­puls sei von «68» ausgegangen. Andere 68er bezwei­feln das. Der Osteu­ropa-Histo­riker und ehema­lige KBW-Funk­tionär Gerd Koenen sagt, die Linke verkläre «68» zum Mythos, sie müsse jedoch aner­kennen, dass der gesell­schaft­liche Reform­pro­zess schon lange vor «68» einge­setzt habe. In ähnli­cher Weise schätzt auch der ehema­lige Göttinger Studen­ten­funk­tionär und spätere Sozio­lo­gie­pro­fessor Wolf­gang Essbach in einem Inter­view in der FAZ die Bedeu­tung von «68» ein: Die dama­lige Revolte sei nicht der Beginn, sondern das «Ende einer Reform­phase» gewesen. Und er unter­streicht, die «68er» seien stre­cken­weise auch sehr into­le­rant und zumin­dest verbal gewalt­tätig gewesen.

Amerikanisierung und Nonkonformismus

Um in diesem Gewirr der Flucht­li­nien und Rück­blicke, die «68» mit der Gegen­wart verbinden, den Über­blick nicht ganz zu verlieren, kann man fest­halten, was allein schon aus chro­no­lo­gi­schen Gründen unbe­streitbar ist: «68» kam spät – zumin­dest gemessen an der Frage, welche Prozesse die west­li­chen Gesell­schaften in der Zeit nach dem Zweiten Welt­krieg am nach­hal­tigsten verän­dert hatten. In den 1950er Jahren domi­nierten unter dem ideo­lo­gi­schen Konfor­mi­täts­druck, der vom Kalten Krieg ausging, auf der einen Seite zwar die Anstren­gungen, die «bürger­liche» Gesell­schaft zu restau­rieren, die im «Zeit­alter der Extreme» (Eric Hobs­bawm) zerbro­chen war. Auf der anderen Seite aber kündete die gerade von Konser­va­tiven viel­be­klagte «Ameri­ka­ni­sie­rung» der Nach­kriegs­ge­sell­schaft einen tief­grei­fenden kultu­rellen Wandel an.

Meine Eltern gehörten zu jenen, die damals jung und hip waren – die «58er», gleichsam. Sie hatten mit «nonkon­for­mis­ti­schem» Gusto alle Normen der Väter­ge­ne­ra­tion der 1930er und 40er Jahre verachtet – aber sie waren selbst­ver­ständ­lich anti­kom­mu­nis­tisch einge­stellt, wenn auch mehr tech­no­kra­tisch als poli­tisch denkend, und sie blieben bürger­lich, hörten Jazz und verkehrten nur unter ihres­glei­chen. Von den prole­ta­ri­schen Rockern oder den Halb­starken und ihrer Musik, dem Rock ’n’ Roll, waren sie meilen­weit entfernt. In den 60er Jahren verän­derte sich diese Welt dann in atem­be­rau­bend schneller Weise: Das Amalgam von neuen Konsum­mög­lich­keiten, neuer Musik – die Beatles in erster Linie –, ameri­ka­ni­scher counter culture, «bewusst­seins­er­wei­ternden» Drogen und den gesell­schaft­li­chen Effekten der «Pille» verschob inner­halb weniger Jahre, viel­leicht sogar im Veröf­fent­li­chungs­rhythmus der Beatles-Alben, die kultu­relle Selbst­wahr­neh­mung west­li­cher Gesell­schaften. Es dauerte nicht lange, bis auch die 68er die Krawatte ablegten.

Die Neue Linke

Zugleich entstand in den USA und in West­eu­ropa eine poli­ti­sche Strö­mung, die der «alten» Linken der reform­ori­en­tierten Sozi­al­de­mo­kratie wie auch der moskau­treuen kommu­nis­ti­schen Parteien das Projekt einer «Neuen Linken» entge­gen­stellte. Mit ihrem «Neo-Marxismus» – der ein erneu­erter «klas­si­scher» Marxismus sein wollte – sollte die Revo­lu­tion wieder denkbar werden. Die real­po­li­ti­schen Refe­renzen dieser jungen Linken waren nicht mehr länger «Moskau», sondern die als «revo­lu­tionär» einge­schätzten anti­ko­lo­nialen Befrei­ungs­be­we­gungen der Dritten Welt.
Die Neue Linke war zudem ein poli­tisch-intel­lek­tu­elles Projekt, das sozial darauf basierte, dass in den 1960er Jahren der elitär verengte Zugang zur höheren Bildung sich erwei­terte und die Univer­si­täten unter dem Druck des Zustroms aus nicht-bürger­li­chen Schichten «refor­miert» bzw. auch neu gegründet werden mussten – und dabei viele bishe­rige Fakul­täten und Profes­soren plötz­lich sehr alt aussahen. Weil ein grosser Teil der Kritik der Neuen Linken sich auf die als «muffig» empfun­denen – und strecken­weise auch noch von alten Nazis durch­setzten – Univer­si­täten bezog, ist es nicht über­trieben zu sagen, dass «68» die erste Revolte der aufkom­menden Wissens­ge­sell­schaft war: Ein Aufstand von Kopf­ar­bei­te­rInnen gegen die veral­teten Produk­ti­ons­ver­hält­nisse intel­lek­tu­eller Tätig­keit. Wenn etwa Rudi Dutschke nach seinen revo­lu­tio­nären Zielen nicht im globalen Massstab, sondern vor Ort gefragt wurde, antwor­tete er nicht zuletzt mit Forde­rungen nach einer anderen Orga­ni­sa­tion von Semi­naren.

In Verbin­dung mit den oben ange­deu­teten kultu­rellen Umbrü­chen kann man jeden­falls fest­halten, dass «68» der poli­ti­sierte Höhe­punkt einer Kultur­re­vo­lu­tion war, in der glei­cher­massen erbit­tert über die Länge von Haaren und Röcken gestritten wurde wie über den Krieg in Vietnam, und ebenso über «bürger­liche» Wissen­schaft wie den «prole­ta­ri­schen Inter­na­tio­na­lismus». Vor allem aber: Die «Befreiung» des Indi­vi­duums gegen einengende Normen war nun kein Elite­pro­jekt mehr wie der Nonkon­for­mismus der 50er Jahre, sondern einer­seits dessen gesell­schaft­lich brei­tere Abstüt­zung und Durch­set­zung – und ander­seits die neue poli­tisch-theo­re­ti­sche Begrün­dung des Nicht-Konformen, Kriti­schen in einem Denken jenseits des Kalten-Krieg-Konsenses.

Die Arbeiterklasse will nicht

Allein, wo bleibt bei all dem die «Arbei­ter­klasse»? Man könnte dazu zuerst auf Entwick­lungen der Popu­lär­kultur hinweisen, auf die schon Erich Keller aufmerksam gemacht hat: Mit den Rolling Stones, die den schwarzen – und prole­ta­ri­schen – Chicago-Blues in die briti­sche Popmusik impor­tierten, und vor allem mit Bands aus der Indus­trie­ge­gend von Birmingham wie Led Zeppelin oder Black Sabbath formierte sich aller­spä­tes­tens zu Beginn der 1970er Jahre eine kultu­relle Verbin­dung von Mittel­schicht-Jugend­be­we­gung und zumin­dest Teilen der prole­ta­ri­schen Jugend­kultur, die es so vorher nicht gab.
Vor allem aber war das poli­ti­sche Denken der Neuen Linken ganz auf «die Arbei­ter­klasse» bezogen. In riesigen Text­fluten, die schon seit den 80er Jahren als unlesbar galten, unter­nahm sie die Anstren­gung, die Kultur­re­vo­lu­tion, die sich gerade ereig­nete, an den theo­re­ti­schen Rahmen der Revo­lu­ti­ons­kon­zepte von Marx, Lenin und Rosa Luxem­burg zurück­zu­binden. Die «Energie» der Jugend- und Studen­ten­re­volte sollte sich, so die Hoff­nung, mit den «objek­tiven» Inter­essen der «Arbei­ter­klasse» verbinden und zur eigent­li­chen Revo­lu­tion führen, jene, die den «bürger­li­chen Staat» zerschlagen und in Verbin­dung mit den Befrei­ungs­be­we­gungen im Welt­mass­stab «siegen» würde.

Auch wenn sich im Rück­blick ein etwas spöt­ti­scher Ton kaum vermeiden lässt, muss man immerhin fest­halten: Die 68er meinten es sehr ernst mit der «Arbei­ter­klasse». Das gilt vor allem für jene Akti­visten, die sich nach 1968, als die Studenten- und Protest­be­we­gung geschei­tert war – und z.B. in Frank­reich trotz Massen­streiks im Mai im Juli dann de Gaulle wieder­ge­wählt wurde –, daran­machten, die Reste der Bewe­gung in Partei­struk­turen zu orga­ni­sieren. In Italien, Frank­reich, Deutsch­land und anderswo entstanden neue, häufig maois­ti­sche Kleinst­par­teien, die sich als Avant­garde-Orga­ni­sa­tionen verstanden und deren Ziel es war, «die Arbei­ter­klasse» zu orga­ni­sieren. Nicht wenige ehema­lige Studenten schmissen ihre Studi­en­pläne und Karrie­re­mög­lich­keiten hin und gingen in die Fabriken, um Seite an Seite mit den Arbei­tern bei Ford oder Opel, bei Fiat oder in der chemi­schen Indus­trie zu «malo­chen». Viele andere standen jeden Morgen in aller Frühe vor den Fabrik­toren und verteilten die Rote Fahne, den Roten Morgen und ähnliche Zeitungen der extremen Linken.
Allein, es half nichts. Obwohl ein guter Teil jener, die von der Aufbruch­stim­mung um «68» bewegt worden waren, sich dafür entschieden haben, «im Dienste der Arbei­ter­klasse» ein von fieber­haftem Akti­vismus getrie­benes Leben als leni­nis­ti­sche «Kader» zu führen, inter­es­sierten sich die Arbeiter kaum für deren schwung­volle Reden über die «objek­tiven Inter­essen der Werk­tä­tigen». Die wirk­li­chen Inter­essen der Arbeiter zielten auf Lohn­er­hö­hungen, Reformen und den sozialen Aufstieg ihrer Kinder, nicht auf die Revo­lu­tion. Auf sich selbst zurück­ge­worfen, versanken viele dieser «K-Gruppen» in sektie­re­ri­schen Posi­ti­ons­kämpfen und lösten sich oft schon Ende der 1970er Jahre wieder auf, spätes­tens aber mit dem Jahr 1989, als in Berlin die Mauer fiel.

Der Druck wirklicher Veränderungen

Warum fand die Neue Linke keinen stabilen, länger ­dauernden Kontakt zur «Arbei­ter­klasse», um die das ganze neo-marxis­ti­sche Denken doch kreiste? Und warum fanden die 68er gerade in Deutsch­land kein Echo bei den «prole­ta­ri­schen Massen», mit denen sie am Fliessband standen? Dazu lassen sich m.E. fünf – alle­samt bekannte – Faktoren nennen, die nichts mit einem wie auch immer gear­teten «mora­li­schen» Versagen der Linken zu tun haben, alles aber mit dem Druck wirk­li­cher Verän­de­rungen.
Erstens haben die tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion der 1970er Jahre, vor allem die Compu­te­ri­sie­rung von Werk­zeug­ma­schinen, die damit verbun­dene Abkehr vom «fordis­ti­schen» Fliess­band und die im Gefolge der Wirt­schafts­krise einsetzenden Deindus­tria­li­sie­rungs­pro­zesse den klas­si­schen linken Vorstel­lungen vom «Indus­trie­pro­le­ta­riat» als dem «fort­ge­schrit­tensten» und potenziell revo­lu­tio­närsten Teil der «Arbei­ter­klasse» jede Grund­lage entzogen: Das Prole­ta­riat als «Klasse» löste sich auf. 1980 publi­zierte der marxis­ti­sche Theo­re­tiker André Gorz sein mani­fest­ar­tiges Buch Abschied vom Prole­ta­riat.
Das bedeutet zwei­tens aber nicht, dass es seither keine margi­na­li­sierten Schichten mehr gibt. Viele weiterhin prole­ta­ri­sche und sons­tige prekäre Beschäf­ti­gungs­formen wurden jedoch von Migran­tInnen über­nommen, was diese neue Arbei­ter­schaft poli­tisch sprachlos machte. Den tradi­tio­nellen linken Parteien brach auf diese Weise ein substan­zi­eller Teil ihres ehemals «natür­li­chen» Elek­to­rats weg, während die Neue Linke in Wahlen weit­ge­hend chan­cenlos blieb.
Drit­tens: Anfang der 1970er Jahre drängte sich mit aller Macht eine neue Proble­matik in den Vorder­grund – die Umwelt. Der Effekt dieser Verschie­bung auf das Poli­tik­ver­ständnis der Linken ist kaum zu über­schätzen, weil grosse Teile von ihr den tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt, auf den die Arbei­ter­be­we­gung bislang alle Hoff­nung gesetzt hatte, plötz­lich mit sehr kriti­schen Augen zu sehen begann. Für die verblie­benen Indus­trie­ar­beiter konnte dies kein attrak­tives poli­ti­sches Projekt sein; mit der eigenen sozialen Lage hatte «die Umwelt» wenig zu tun.

Vier­tens: Die 68er-Revo­lu­tio­näre wurden sehr bald mit einer ganz neuen Form von Kritik konfron­tiert – dem Femi­nismus der Neuen Frau­en­be­we­gung. Diese Kritik verän­derte die Linke grund­le­gend: Was die 68er-Theo­re­tiker gerne noch als «Neben­wi­der­spruch» abgetan hatten, wurde zur unaus­weich­li­chen Frage um «uns selbst», um Bezie­hungen, Lebens­weisen. Die Linke konnte, als «fort­schritt­liche Kraft», diesen Fragen unmög­lich auswei­chen. Wieso sollte die Unter­drü­ckung von Frauen weniger wichtig sein als die von Arbei­tern?
Fünf­tens aber ging von der seit den 1960er Jahren einset­zenden Indi­vi­dua­li­sie­rung, Libe­ra­li­sie­rung und Plura­li­sie­rung von Lebens­stilen der grund­sätz­lichste Verän­de­rungs­druck aus. Er bewirkte nicht zuletzt, dass sich «margi­nale» Gruppen und Subjekt­po­si­tionen zu arti­ku­lieren begannen, die im tradi­tio­nellen Deutungs-Reper­toire der Linken nicht vorge­sehen waren. Auch wenn sich zwei­fellos nicht alle dieser neuen Gruppen von der Linken reprä­sen­tiert sehen wollten, so gilt umge­kehrt aber auch, dass die post-indus­tri­elle und z.T. auch schon post-marxis­ti­sche Linke es sich nur um den Preis der Selbst­auf­gabe hätte leisten können, den Margi­na­li­sierten und «Anderen» ihre Stimme nicht zu leihen. Sollten denn Migran­tInnen weniger wichtig sein als «weisse» – was man nicht sagt – Frauen oder «einhei­mi­sche» Arbeiter?
Fazit: Nicht die Linke hat sich dafür entschieden, sich von ihrer tradi­tio­nellen Rolle als Reprä­sen­tantin der Arbei­ter­schaft zu verab­schieden – sie wurde von der Macht sich verän­dernder Verhält­nisse schritt­weise dazu gedrängt. Dass ein gewisser Prozent­satz des übrig­ge­blie­benen (und stimm­be­rech­tigten) Prole­ta­riats sich jetzt zusammen mit national gesinnten («Wut»-)Bürgern reak­tio­nären Ange­boten wie der AfD, dem Front National oder der Lega Nord an den Hals wirft, ist tragisch und hat viele, komplexe Gründe. Aber es hat nichts mit einem «mora­li­schen» Versagen der Linken zu tun. Und es bedeutet auch nicht, dass die Linke nun den Fehler begehen sollte, die Phan­tasmen der Vergan­gen­heit – den «tradi­tio­nellen» Arbeiter einer­seits oder die «Nation» ande­rer­seits – wieder­ent­de­cken zu wollen. Sie muss jene poli­ti­sche Kraft bleiben, die die Unter­drü­ckungs- und Ausbeu­tungs­er­fah­rungen aller Teile der Gesell­schaft arti­ku­liert. Auch wenn sie es dabei nicht allen recht machen kann.

Dieser Text erschien erstmals auf Geschichte der Gegenwart.


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5 Meinungen

  • am 25.03.2018 um 11:39 Uhr
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    Die letzten Linken waren bis vor ca. 40 Jahren politisch aktiv und sind seither ausgestorben. Sollte es mal wieder, vielleicht im Kontext der gesellschaftlichen Umwälzung, welche man ‹Digitalisierung› nennt, sollte es mal wieder Linke geben, werden die sich sicher nicht für Arbeiter interessieren.

  • am 26.03.2018 um 22:08 Uhr
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    Die Neue Linke in der Schweiz rekrutierte sich hauptsächlich aus Studenten und Intellektuellen, die grösstenteils aus dem mittleren und gehobenen Bürgertum stammten, und viele davon machten später im bürgerlichen Staat oder in der Wirtschaft Karriere. Beispiele gibt es mehr als genug. Eine Verankerung in der «Arbeiterklasse» gab es nicht, oder wenn, dann nur ganz lokal und vereinzelt. Die «Arbeiterklasse» war ein Fetisch, an den sich sämtliche Gruppierungen der Neuen Linken mehr oder weniger klammerten, von den Maoisten über die RML bis zur POCH.

    Die Neue Linke hat trotzdem vieles bewegt, von Moralvorstellungen bis zum Umdenken in Umweltfragen, z.B, AKW, darum gibt es heute die Grünen und die GLP und in Zürich die AL. Auch in gewerkschaftlichen Kreisen hat die Neue Linke viel bewegt, ohne sie gäbe es z.B. die Gewerkschaft UNIA nicht.

  • am 10.04.2018 um 02:38 Uhr
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    Philip Sarasin selbst ist ein gutes Beispiel dafür, dass die sogenannte Linke keinen wirklichen Bezug zur Arbeiterschaft hat und diese Menschen schon immer eher gering schätzte: Vor einigen Jahren hat er sich öffentlich abschätzig über jene geäussert, die eine Berufslehre absolvierten – im Sinne von: Wer nicht für ein Studium tauge, der mache eben einfach eine Lehre und das sei weniger wertvoll.
    Dieser Auffassung widerspricht aber unter anderem die frühere amerikanische Botschafterin, die dieses duale Schweizer Bildungssystem lobte, da es den Lehrabsolventen durch die Möglichkeit eine Berufsmatur zu erwerben auch eine Chance zur akademischen Weiterbildung biete und deshalb als Beispiel für eine breit gefächerte Ausbildung gelte.
    Zudem gehörte die Bank Sarasin der Familie Philipp Sarasins. ( Brecht schreibt dazu: «Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank ? » )
    Sarasin selbst lebte also immer in privilegierten Verhältnissen – dass er materiell weniger Begüterte, wie beispielsweise Absolventen einer Berufslehre in einem Zeitungsartikel herabwürdigte, passt zur Haltung vieler materiell begüterter Linker, die im Gegensatz zu Menschen aus Arbeiterfamilien nie darben und um Anerkennung kämpfen mussten.
    In diesem Zusammenhang scheint es interessant zu sein, dass nach dem Konkurs der Bank Sarasin jene Bank, die später die Bank Sarasin aufkaufte, vom Personal nur die Lehrlinge übernehmen wollte – die Teppich-Etage wurde entlassen

  • am 10.04.2018 um 12:16 Uhr
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    Sehr geehrte Frau Haldner
    Ihr Meinungsbeitrag enthält eine Reihe von Unterstellungen, die ich gerne korrigieren möchte. Erstens: Ich habe mit der Bank Sarasin – jetzt Saffra Sarasin – nicht das Geringste zu tun, es bestehen weder familiäre noch sonstige Beziehungen. Zweitens: Ich habe in keinem meiner Beiträge zur Diskussion um die Gymiquote in Zürich die Berufslehre herabgewürdigt oder mich «abschätzig» über jene geäussert, die eine Berufslehre absolvieren. Ich habe mich kritisch mit dem Bildungssystem auseinandergesetzt. Dass Sie mit meiner Position in dieser Frage nicht teilen, ist eine andere Sache. Mit freundlichen Grüssen, Philipp Sarasin

  • am 11.04.2018 um 01:25 Uhr
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    Sehr geehrter Herr Sarasin
    Was Ihre Aussage, Sie seien mit der Familie der Besitzer der Bank Sarasin, heute Saffra Sarasin, nicht verwandt, betrifft, ist es sicher wichtig, das richtig zu stellen-aber die Aussage in meinem Text, nämlich, dass Sie als (zumindest heute) materiell Privilegierter vermutlich weniger Tuchfühlung haben mit der Arbeiterklasse ist nicht in Abrede gestellt u. ich nehme an, dass Sie trotzdem nicht aus einer Arbeiterfamilie stammen.
    Wenn Sie schreiben, Sie hätten nicht die Berufslehre herabgewürdigt, so gibt es einige Beiträge, die dem widersprechen:Z. Bsp. ein Interview mit Patrik Schellenbauer zu der Debatte der Vor-u. Nachteile von Berufslehre und Gymnasien in der Berner Zeitung vom 24.10.2011:"Philipp Sarasins Artikel hat viele Leser verärgert, weil er die Schweiz «bildungsfeindlich» nennt. Verstehen Sie die Empörung?
    Schellenbauer: «Ich verstehe vor allem, dass die pauschale Etikettierung der Berufsbildung als Mittelmass auf Unmut stösst. Diese Sicht verkennt, dass viele Berufslehren auf hohem Niveau sind und vielseitige Ansprüche stellen, durchaus auch kognitive. Wenn diese Lehren noch mit der Berufsmatura kombiniert werden, entstehen Ausbildungen, die -obwohl sie anders sind-den Vergleich mit der Matur nicht zu scheuen brauchen.» Zu der Gymiquote in Zürich gibt es ebenso Artikel, die meine Aussage beweisen:"Scharfe Kritik an Gymiprüfung» NZZ 14. 6.09.Ich teile aber durchaus Ihre Meinung,dass der Zugang zum Gym für alle Schichten offen sein soll.

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