FORTRESSE_EUROPE

Wo Neonazis ungeniert auftreten dürfen: «militant» und «aggressive» © svastone

So verraten die Rechtsextremen ihre Sympathien zu den Nazis

Christian Müller /  In der Ukraine Alltag, in Deutschland verboten, in den Ländern dazwischen halbwegs versteckt: Die Neonazis geben sich zu erkennen.

Vallecas ist ein Vorort von Madrid, 300’000 Einwohner, aber mit einer eigenen Fussball-Mannschaft – und mit einer eigenen Fan-Gemeinde. Die nahm sich die Freiheit, an einem 2. Liga-Fussballspiel den ukrainischen Spieler Roman Sosulja als «Nazi» auszupfeifen. Der Schiedsrichter entschied darauf, die zweite Spielhälfte abzublasen.

Roman Sosulja ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hat tatsächlich als Freiwilliger am Bürgerkrieg in der Ostukraine teilgenommen und dies auch mit Bildern öffentlich dokumentiert: Roman Sosulja mit einer automatischen Waffe in der Hand, zusammen mit anderen Kriegern. Und er tritt offensichtlich auch ganz gerne im Umfeld der Zahlen 8, 14, 18 oder 88 auf, wie das russische Fernsehen in Beispielen zeigte.

Roman Sosulja, ganz zufällig im Umfeld der Zahlen 14 und 88 …

Zur Erklärung: H – wie Hitler – ist der achte Buchstabe im Alphabet. Die Zahl 8 bedeutet in der «Szene» Hitler. Die Zahl 88 heisst entsprechend HH und bedeutet «Heil Hitler». Die Zahl 14 verweist auf einen berühmt-berüchtigten Satz mit 14 Wörtern: «We must secure the existence of our people and a future for white children», «Wir müssen die Existenz unserer Bevölkerung und eine Zukunft mit weissen Babys sicherstellen». (Siehe dazu weiter unten.)

Der ukrainische Präsident Volodymyr Selenskij nahm Roman Sosulja in Schutz und schrieb auf Facebook: «Roman Sosulja, nicht nur Dein Team unterstützt Dich, die ganze Ukraine unterstützt Dich! Du bist nicht nur ein grosser Fussballer, sondern ein echter Patriot, der sein Land liebt und unseren Soldaten hilft. Wir sind bei Dir! Drücke die Hand!»

Szenenwechsel

Auch der deutsche Botschafter in Prag, Christoph Israng, nutzte die Sozialen Medien und twitterte, allerdings in umgekehrter Richtung. Zu einem Schaufenster in Prag, in dem eine Hitler-Maske zum Verkauf angeboten wurde, schrieb er: «Die Tschechen haben so unter den Nationalsozialisten gelitten. Warum wird solcher Schund mitten in Prag verkauft?» Und tatsächlich, die Polizei kam, der Laden wurde dicht gemacht.



Ein Souvenir-Shop in Prag mit Hitler-Maske. Hier wurde tatsächlich von Amtes wegen eingegriffen. (Foto Deutsche Botschaft in Prag).

Szenenwechsel

Dass der ukrainische Ministerpräsident an einer Neonazi-Veranstaltung im Dockers Pub mitten in Kiew teilnahm – Infosperber berichtete ausführlich – war in Kiew kaum ein Thema. Rücktrittsforderungen blieben aus, Oleksiy Honcharuk sah sich nicht einmal veranlasst, sich für seinen Auftritt an dem Anlass zu entschuldigen. Nicht zufällig, denn solche Veranstaltungen sind in Kiew an der Tagesordnung. Mitte Dezember war es «asgardsrei», die so ein Black-Metal-Konzert mit Neonazi-Formationen durchführte, im kommenden Mai ist es «Fortress Europe», die das macht. Siehe dazu oben das Aufmacher-Bild – und siehe vor allem die beiden auf dem Plakat gross mitpropagierten Plattformen «MILITANT.ZONE» und «SVASTONE.COM». Beides sind die Namen von Online-Shops, die Kleider mit Neonazi-Symbolen und -Grafiken verkaufen. Und Fortress Europa hat auch Bürogemeinschaft mit SVASTONE.COM, wie man an der Email-Adresse von «Fortress Europe» sehen kann: info(at)svastone.com. Es braucht auch nicht viel Phantasie, um im Namen «Svastone» die Anlehnung an «Svastika» – das Hakenkreuz – zu erkennen.

Ein «künstlerisch verfremdetes» Hakenkreuz auf einer Jacke von SVASTONE …

… und ein zweites Beispiel eines T-Shirts von SVASTONE: «Train hard and be strong» …

… und ein drittes Beispiel eines T-Shirts von SVASTONE: «Maximal Hate … »
.

Szenenwechsel

Da spaziert man durch Prag, zum Beispiel am Fuss des Vyšehrad (der alten Burg) von der Metro-Station Pražského povstání (der Name erinnert an den Prager Aufstand gegen die Nazi-Truppen Anfang Mai 1945) die Na dolinách (das Tälchen) hinunter zur Moldau. Da, zur Rechten ein neuer Laden: ALPHAFIGHTERS. Noch nie gesehen. Alphafighters, was ist denn das? Auch ein kleiner Slogan steht da zu lesen: CHOICE OF HEROES.

Neuer Laden in Prag 4 mit seltsamen Namen und seltsamen Buchstaben. Erinnert das A von «Alpha Industries» nicht an das Logo der Sturmtruppe SA in Nazi-Deutschland?

Logo der SA in Hitler-Zeiten

Ein Blick ins Internet macht alles klar: Auch hier ein Laden, der Kleider mit Nazi-Symbolen verkauft. Und der Name der Firma, die diese Kleider produziert, heisst wohl nicht ganz zufällig «Octagon». Das Oktagon ist das Achteck – oder eben das 8-Eck. Und 8 ist auch diesmal der achte Buchstabe im Alphabet: das H wie Hitler.

Wird da nicht zu viel Neonazi-Symbolik hinein interpretiert? Eher nicht. Da wird zum Beispiel ein «Balaklawa Helmet» verkauft, der mit einem H geschmückt ist:

Eine solche Kopfbedeckung – tschechisch: kukla – heisst im englischen Sprachraum «Balaclava Helmet», weil sich die Soldaten im Krim-Krieg mit solchen Mützen gegen die Kälte geschützt haben. Totenkopf-ähnlich wie in der Abbildung links – «Dead Pool» ist das Todesspiel – oder mit dem Buchstaben H wie Hitler geschmückt sind diese Mützen heute klare Symbole der Neonazi-Szene.

Auch dieses T-Shirt kommt von der Firma mit der 8 im Namen.

Szenenwechsel

Man muss nicht unbedingt zu Fuss durch Prag spazieren. Man kann das zum Beispiel auch virtuell im Internet tun. Und wer die «unbesiegbare» Neonazi-Szene ein bisschen im Auge hat, der stösst schon bald auf – lateinisch – INVICTUS STORE. Da verrät schon ein «White-Baby»-Shirt, wohin die Fahrt geht:

«White Baby» steht da geschrieben: «The Future of our Race», «Weisses Baby, die Zukunft unserer Rasse». Und mitten im Kreis ein klassischer Schlagring, eine in den meisten Ländern strikt verbotene Waffe.

Auch andere Slogans findet man auf den T-Shirts, die hier verkauft werden. Zum Beispiel W.O.T.A.N. (Im Bild am oberen Rand der Symbol-Grafk).

Die Abkürzung W.O.T.A.N. steht für den bekannten Spruch des US-amerikanischen Rechtsextremisten David Eden Lane: «Will Of The Aryan Nation», der «Wille der Arischen Nation».

David Eden Lane ist nicht nur der Schöpfer von W.O.T.A.N., sondern auch der oben bereits erwähnten 14 Wörter: «We must secure the existence of our people and a future for white children» (siehe oben).

Szenenwechsel

Womit wir wieder in der Ukraine wären, denn die Kleider, die von INVICTUS STORE verkauft werden, stammen entweder vom russischen Produzenten BELOYAR – die «Weisse Gewalt» – oder eben, zum grösseren Teil, von SVASTONE.

Das Black-Metal-Konzert, das SVASTONE am 22./23. Mai in Kiew zum Klingen bringt, dauert zwei Tage und umfasst zwölf verschiedene Bands aus mehreren Ländern. Manche Leute hier und dort werden trotzdem argumentieren, dass die ganze Neonazi-Bewegung in der Ukraine ja nur eine zu vernachlässigende Minderheit betreffe.

Wirklich?

Eben war wieder Geburtstag von Stepan Bandera, dem ukrainischen Nazi-Kollaborateur und Juden-Schlächter im Zweiten Weltkrieg (1.1.1909 – 15.10.1959), auf dessen Namen mittlerweile nicht nur im Nordwesten der Ukraine, sondern selbst in Kiew wichtige Strassen umgetauft worden sind. Und so ein 111. Geburtstag wird in der ukrainischen Hauptstadt so gefeiert: hier anklicken, es genügt, sich die ersten zwei Minuten anzusehen.

Die Neonazi-Szene in der Ukraine ist nicht so klein, wie oft behauptet, und vor allem erschreckend stark öffentlich akzeptiert. Aber wie die beiden Beispiele aus Tschechien zeigen, sind die Rechtsextremisten, die die Nazi-Helden verehren – CHOICE OF HEROES! – auch in anderen Ländern präsent.

Szenenwechsel

Nicht ganz zufällig hat das Azov-Freiwilligen-Bataillon, das in der Ostukraine die Separatisten bekämpft und im Jahr 2015 in die ukrainischen Streitkräfte integriert worden ist, ebenfalls ein vielsagendes Emblem:

Asov, mit einer Schwarzen Sonne im Hintergrund, die klar zu den Symbolen der Rechtsextremisten gehört.

Die Schwarze Sonne

Und gut versteckt im gleichen Emblem ist auch ein anderes Symbol:

Man muss das Emblem nur seitlich spiegeln und den Kopf leicht nach links neigen, und schon ist das SS unverkennbar sichtbar. SS, so wie zu Hitlers Zeiten.

Szenenwechsel

Szenenwechsel? Wirklich? Wahrscheinlich ist «Szenenwechsel» das falsche Wort. Wahrscheinlich sind all diese Szenen näher beieinander und mehr verzahnt, als man es sich denkt.

Es lohnt sich auf alle Fälle, die Augen offen zu halten. Oft finden sich solche Symbole versteckt auch in den Tattoos dieser Extremisten.

Auch für Neonazi-Tattoos ist Kiew der richtige Platz.

Genauere Informationen zu den heimlichen und unheimlichen Nazi-Symbolen geben unter anderem die folgenden vier Informationsplattformen Auskunft:

Wikipedia

UNIVERSITÄT MÜNCHEN

BELLTOWER

ADL (in englischer Sprache)

… und in der Schweiz? Kein Thema?

Die Tageszeitung «Der Bund» in Bern berichtete am 7. Dezember 2019 über ein Treffen von Rechtsextremisten in einer Berghütte in Galgenen im Kanton Schwyz. Die Behörden wussten davon, haben aber nicht eingegriffen. So oder so: Auch hier ist höchste Aufmerksamkeit angezeigt.

… und ein kleiner Nachtrag:

Heute, am 6. Januar 2020, haben die deutschen NachDenkSeiten auf diesen Artikel auf infosperber.ch aufmerksam gemacht – herzlichen Dank! – und gleichzeitig darauf hingewiesen, wie das Neonazi-Thema auch in Deutschland verharmlost wird – mit drei Beispielen. Da wird zum Beispiel auf bento.de, «das junge Magazin vom Spiegel», ein Ostukraine-Bürgerkrieg-Veteran hochgejubelt, der jetzt eine Pizzeria betreibt. Und was zeigt das Bild? Der Mann trägt genau so ein Neonazi-T-Shirt von Swastone. Er ist also kein geläuterter Soldat, sondern nach wie vor ein Propagator von Gewalt und Rassismus. Aber das hat die ahnungslose Spiegel-Journalistin leider nicht bemerkt …

Der ukrainische Bürgerkriegsveteran und heutige Pizzabäcker trägt ein T-Shirt von Swastone, worauf Gewalt und Rassismus propagiert wird. Seine Geisteshaltung hat er offensichtlich nicht geändert.

… und in einem Artikel auf jungle.world:

Jung, aber bereits ein Veteran des ostukrainischen Bürgerkrieges – und mit einem T-Shirt von Swastone (Foto Ann Esswein)

Auch auf der Website der EMPR (Euro Maidan Public Responsibility) ist ein Bild, wie sich der Chef-Pizzabäcker selber und seine Mitarbeiter schmücken:

Besonders die Totenköpfe, die Chef-Pizzabäcker Leonid Ostaltsev auf seiner Brust trägt, sorgen doch gewiss für einen guten Appetit.

Und wie die «Kyiv-Post» berichtete, hatte auch Boris Johnson keinen Grund, das Lokal zu meiden:

Boris Johnson mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko in der Pizzeria Veterano (Foto Kyiv Post).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Zum Autor deutsch und englisch.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 11.01.2020 um 15:03 Uhr
    Permalink

    Also Deadpool ist einfach ein sehr sarkastischer Cartoon und die Maske zeigt den ironischen Superhelden mit gleichem Namen.

  • am 20.01.2020 um 10:55 Uhr
    Permalink

    Was die T-Shirts der Pizzabäcker angeht, ist mindestens eines (Foto Ann Esswein) definitiv nicht dem Label «Swastone» zuzuordnen, sondern dem kalifornischen Label «Affliction». Dieses Unternehmen hat seine Wurzeln in der MMA-Szene, vertreibt aber eher szenetypische Bekleidung mit Anmutungen in Richtung Rock’n & Roll, Moto Culture, Vintage Americana und Impact Sports. Bezüge zur Neo-Nazi Szene oder diesbezügliche Symbolik, wie sie bei «Swastone» eindeutig zu erkennen ist, ist da in der Gesamtbetrachtung nicht auszumachen.

    Auch auf dem Bild des Spiegel ist ein Logo am T-Shirt (linker Arm) zu sehen, der zumindest eindeutig nicht «Swastone» zuzuordnen ist.

    Ansonsten wirkt der Auftritt der Veterano Group für unsere Augen … ich sage mal «bizarr». Man schaue sich einfach mal entsprechende YouTube Videos der Veterano Group an. Natürlich spielt man beim gesamten Markenauftritt mit Kriegssymbolik, ob das aber wirklich Bezüge zur Neonazi-Szene hat – auch personell – das vermag ich persönlich nicht zu beurteilen. Der Rückgriff auf die getragene Kleidung greift hier m. M. n. jedoch nicht.

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