3/4-Erfolg beim Bundesgericht gegen Swissmedic
Aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes BGÖ wollte ich als Redaktor von Infosperber von der Zulassungsbehörde Swissmedic Unterlagen zur Zulassung des extrem teuren Medikaments Folotyn* einsehen. Das war am 25. Januar 2014. Einen Teil der gewünschten Unterlagen habe ich erhalten, jedoch nicht die Namen und beruflichen Lebensläufe von Experten der beantragenden Pharmafirma «Mundipharma», deren Berichte zu den Grundlagen des Swissmedic-Zulassungsentscheid gehörten.
Hartnäckige Weigerung der Swissmedic
Der damalige Eidgenössische Öffentlichkeitsbeauftragte Hanspeter Thür hielt die Argumentation der Swissmedic für fadenscheinig und empfahl der Swissmedic am 17. März 2015 in einem Schlichtungsverfahren, angesichts eines «überwiegenden öffentlichen Interesses» die Namen und beruflichen Lebensläufe der Firmenexperten offen zu legen.
Doch Swissmedic akzeptierte den Schlichtungsvorschlag nicht und verweigerte diese Auskünfte. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einzureichen. Dieses kam am 22. Februar 2016 zum Schluss, dass ein «klar überwiegendes öffentliches Interesse» bestehe und Swissmedic die verlangten Namen und beruflichen Lebensläufe bekannt geben müsse. Infosperber hatte darüber berichtet.
Doch die Swissmedic weigerte sich weiterhin und war «Verfahrensbeteiligte» einer Beschwerde der Pharmafirma «Mundipharma» ans Bundesgericht. Infosperber hatte darüber berichtet.
Öffentliche vs private Interessen
Das Urteil des Bundesgerichts vom 27. Juni 2016 ist jetzt zugestellt worden. Das höchste Gericht hatte zu beurteilen, was für eine allfällige Veröffentlichung der Namen und der beruflichen Lebensläufe der Pharmaexperten mehr zählt: das öffentliche Interesse oder aber ein Geschäftsgeheimnis der «Mundipharma» bzw. die Privatsphäre der Experten.
Geschäftsgeheimnis: Aufgrund der Rechtslage fasst das Bundesgericht den Begriff «Geschäftsgeheimnis» nach eigenen Angaben «weit»: Alle Informationen, die «zu einer Beeinträchtigung des geschäftlichen Erfolgs» oder zu einer «Verfälschung des Wettbewerbs» führen könnten, falls sie der Konkurrenz bekannt würden. Trotz dieser weiten Definition des «Geschäftsgeheimnisses» kommt das Bundesgericht zum Schluss: «Das von der Beschwerdeführerin [«Mundipharma»] geltend gemachte Schadenrisiko erscheint rein hypothetisch und bloss entfernt möglich zu sein».
Private Interessen und Privatsphäre der Experten: Vorerst hält das Bundesgericht – wie bereits alle Vorinstanzen – fest, dass es sich beim «Namen» und dem «beruflichen Lebenslauf» um «nicht besonders schützenswerte Personendaten handelt». Dann hält das Bundesgericht die Argumentation von «Mundipharma»/Swissmedic für falsch, dass die Firmenexperten keine öffentliche Aufgabe erfüllt hätten und deshalb nicht unter das Öffentlichkeitsgesetz fallen würden. Die Expertennamen seien in einem amtlichen Dokument enthalten, das zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dient. Schliesslich ist dem Bundesgericht aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, dass ein privates Interesse der Firmenexperte überwiegen könne. Allerdings habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, die betroffenen drei Personen direkt anzuhören.
In diesem letzten Punkt gibt das Bundesgericht den Beschwerdeführenden recht und weist das ganze Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht zurück, das die Experten noch anhören müsse. Es sei schliesslich «denkbar», dass die Experten «noch nicht vorgebrachte rechtserhebliche Privatinteressen» geltend machen könnten.
Bundesgericht auferlegt «Mundipharma» drei Viertel der Kosten
Fazit: Materiell gibt das Bundesgericht meinem Gesuch um Bekanntgabe der Namen und beruflichen Lebensläufe der Pharmaexperten zu 100 Prozent recht – unter Einschränkung, dass die betroffenen Experten bei einer Anhörung noch bisher unbekannte rechtserhebliche Privatinteressen geltend machen könnten.
Wer in einem Verfahren wie stark obsiegt oder verliert, lässt sich an der Kostenverteilung ablesen. Von den Gerichtskosten in Gesamthöhe von 4000 CHF muss ich 1000 CHF übernehmen und die «Mundipharma» 3000 CHF.
Ausserdem muss ich der «Mundipharma» eine «reduzierte Parteientschädigung» von 1000 CHF zahlen. Mein eigener Aufwand wird nicht entschädigt, weil «kein ausserordentlich hoher Arbeitsaufwand» entstanden sei. Im Klartext: Ich habe mich nicht von einem teuren Anwaltsbüro vertreten lassen wie «Mundipharma», welche die Berner Anwaltskanzlei «Bratschi Wiederkehr & Buob» für eine 29-seitige Beschwerde beauftragt hatte.
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*Der konkrete Fall
Konkret geht es um den Swissmedic-Entscheid zur Zulassung des von «Mundipharma» vertriebenen Medikaments Folotyn. Dieses Medikament ist für eine sehr seltene Krebserkrankung Erwachsener meistens in den Lymphknoten (T-Zell-Lymphom) mit schlechter Überlebensprognose zugelassen, sofern Chemotherapie und/oder Bestrahlung keine Wirkung mehr zeigen. Pro Jahr sollen in der Schweiz rund hundert Personen daran erkranken. Der Krebs breitet sich rasch aus, weshalb in der Regel sofort eine Chemotherapie und eine Bestrahlung empfohlen wird. Oft kommt es noch zu einer Transplantation von Stammzellen.
Keinerlei Nutzen nachgewiesen
Swissmedic räumte im Zulassungsentscheid zwar selber ein, dass es keinen Nachweis dafür gibt, dass Folotyn das Fortschreiten des Tumors bremst, geschweige denn das Leben der PatientInnen verlängert. Trotzdem hat Swissmedic Folotyn bewilligt. Die europäische Zulassungsbehörde EMA hat die Zulassung von Folotyn verweigert.
Das Bundesamt für Gesundheit hat Folotyn zwar nicht auf die Liste der kassenpflichtigen Medikamente gesetzt, doch die Kassen müssen es trotzdem als Medikament für seltene Krankheiten vergüten. Für eine Kur von acht Infusionen für eine Person verlangt die Herstellerin 77’000 Franken.
- Infosperber wird über das Ergebnis der Befragung der Pharmaexperten berichten. Das Verfahren kann allerdings dauern…
- Zum Urteil des Bundesgerichts betreffend Swissmedic/Mundipharma
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor hatte am 25. Januar 2014 als Redaktor von Infosperber das Einsichtsgesuch bei der Swissmedic selber eingereicht. Nach teilweise abschlägigem Bescheid stellte er einen Schlichtungsantrag beim Eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) und erhob schliesslich Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses gab dem Begehren von Infosperber statt. Die Pharmafirma rekurrierte ans Bundesgericht. Swissmedic war Verfahrensbeteiligte. Siehe Bericht darüber auf Infosperber.
Gut gemacht mit Mut, herzlichen Dank Urs P. Gasche!
…. trotz sehr weit definiertem «Geschäftsgeheimnis» kommt das Bundesgericht zum Schluss: «Das von der Beschwerdeführerin [«Mundipharma»] geltend gemachte Schadenrisiko erscheint rein hypothetisch und bloss entfernt möglich zu sein».
Die Wirksamkeit der Medikamente wurde dabei noch gar nicht beurteilt. «Mundipharma»… bedeutet vermutlich, dass sich dieses Kartell als absolutistisch versteht. Wer beurteilt denn überhaupt die Wirkung der Pharmazeutika? Produzenten und Experten unter sich im Elfenbeinturm?
Experten ausserhalb des Turms sagen, es gäbe ca 400 wirksame Heilweisen betreffend Krebserkrankung, fast alle sind verboten, wer verbietet denn???
Es ist sogar verboten zu heilen, sofern die Therapie nicht zugelassen ist, wurst, ob sie hilft oder nicht!
ob alles wahr ist weiss ich nicht:
https://www.ibmsdeutschland.com/
Gratuliere auch. Nur eine Frage bleibt immer unbeantwortet. Will es der Patient oder
die Patientin überhaupt, wenn man sie am Lebensende – so wie hier beschrieben keine
schöne Zeit – noch als Mittel zum Umsatzgenerieren missbraucht werden?
Das Sterben kann man nicht verhindern, man soll es aber nicht missbrauchen.
Wo bleibt da die so gern zitierte ärztliche Ethik?
„Süddeutschen.de“ 2009:
„Deutsche Patienten halten den Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen für weitaus größer, als er ist – vor allem, wenn sie ihre Informationen beim Arzt beziehen.“
Über den rechten Glauben an die Schulmedizin…..
http://www.yamedo.de/krankheiten/krebs/krebsvorsorge.html
Über diese 4 zu 5 Argumentation habe ich auch schon gelesen. Das ist einfach
Betrug am Bürger. Prof. Hoppliger – sein Interview für der Diabethesgesellschaft at –
meint, der Arzt sollte mehr Gesundheitscoach sein. (SIPCAN.at)
Selbst was z.B. die Krebsliga.ch schreibt, ist nur Umsatz generieren.
Zur «gesunden» Ernährung aus den Regalen meint selbst die WHO, sie ist so gefährlich wie rauchen und Alkohol.
Obwohl die Problematik mit Zucker – speziell verdecktem – bekannt ist, darf Baby-Nahrung bis zu 40 % daraus bestehen. Chile hat übrigens die kindbezogene Werbung verboten Ferrero will dagegen prozessieren.