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Angeklagte ehemalige Investmentbanker der Credit Suisse © cash

Exklusiv: Die Klageantwort der Credit Suisse im Mosambikskandal

Thomas Kesselring /  Die Schweizer Grossbank beharrt auf der Rückzahlung des zweifelhaft vergebenen Milliardenkredits.

Red. Über die Klage des Staates Mosambik gegen die Credit Suisse hat Infosperber ausführlich berichtet. Mosambik fordert vor einem Londoner Gericht, dass der Proindicus-Kredit von insgesamt 622 Millionen Dollar für nichtig erklärt wird, und dass die Credit Suisse bereits erhaltene Gebühren, Zinszahlungen und Schuldentilgungen zurückerstattet. In einer Gegenklage nimmt die CS zu den Klagepunkten erstmals ausführlich Stellung. Thomas Kesselring, der auf Infosperber bereits seit 2016 über den Fall berichtet, informiert über die Klageantwort der Credit Suisse und kommentiert sie.

Seit langem grösster Skandal in Schwarzafrika

Der Skandal um geheim gehaltene Kredite von insgesamt 2,07 Milliarden Dollar an Mosambik gilt heute als der grösste Skandal in Schwarzafrika der letzten Jahrzehnte. Die Credit Suisse London (CSI und CSLB) und die russische Staatsbank VTB London richteten 2013/14 drei grosse Kredite (Proindicus, Ematum, MAM: siehe hier) an drei halbstaatliche Firmen Mosambiks aus. Die Staatsgarantie, die der Finanzminister in verfassungswidriger Weise gewährte, führte zur Zahlungsunfähigkeit des Landes. In Klagen und Gegenklagen geht es nun um die Frage, wer für den Schaden aufkommen soll. Da die verantwortlichen Banken ihren Sitz in London haben, wurden Klagen und Gegenklagen beim Commercial Court am Londoner High Court eingereicht. Über die Klage des Staates Mosambik gegen die CS hat Infosperber ausführlich berichtet.

Die Credit Suisse reichte ihre Klageantwort am 21. Januar 2020 im Namen zweier CS-Firmen ein: (a) der Credit Suisse International mit Sitz in London (CSI) und (b) der Credit Suisse London Branch (CSLB), für welche die Firmenzentrale in Zürich verantwortlich ist. Vertreten sind beide Firmen durch die Anwaltskanzleien Couto, Graça e Associados (Mosambik) und Clifford Chance (London). – Die Klageantwort der Credit Suisse ist im Internet nicht verfügbar.

Die Klageantwort der Credit Suisse – ein Überblick

  • Die (unter verfassungswidrigen Bedingungen ausgestellte) Staatsgarantie für den Proindicus-Kredit ist als gültig zu betrachten, weil sie vom Finanzminister unterschrieben worden war (CS § 5.1).
  • Weder CSI noch CSLB sind für die Vergehen des „Deal Teams“ verantwortlich (CS § 5.2; ausführlicher § 55.7 g-iii-B-1, S.24).
  • CSI und CSLB haben sich gegenüber den Machenschaften des „Deal Teams“ nicht willentlich blind gestellt (CS § 5.3)
  • CSI und CSLB sind für die fehlerhafte bzw. unvollständige Information der Gläubiger anlässlich der Ematum-Umschuldung vom März 2016 nicht verantwortlich (CS § 5.4). Das betrifft auch die Geheimhaltung des Proindicus- und MAM-Kredits anlässlich dieser Umschuldung, die allerdings nicht Thema der Klage ist.
  • Mosambik hat kein Recht, von der Proindicus-Staatsgarantie zurückzutreten (5.5).
  • Die CS ist zu keinem Schadenersatz verpflichtet (5.6).
  • Allfällige Schadenersatzforderungen würden ohnehin auf den Staat Mosambik zurückfallen, weil dessen Vertreter die Bank bezüglich der Staatsgarantieren angelogen habe (5.7).

Das Fazit lautet: „CSI und CSLB sind zu keinen Zahlungen für Schaden, Wiedergutmachung und Entschädigung verpflichtet“ (CS § 4). Die Bank verlangt von Mosambik, den fraglichen Kredit in voller Höhe samt Zinsen zurückzuzahlen.

Die Klage von Mosambik enthalte «fundamentale Mängel»

Die Verteidiger der Credit Suisse kritisieren zudem viele formalen Aspekte der Klageschrift von Mosambik:

  1. Sie enthalte „fundamental deficiencies“ und sei teilweise unklar, daher sei eine adäquate Antwort unmöglich. So sei beispielsweise unklar, ob Mosambik die CS auch wegen der MAM-Transaktion verklage, obwohl sie damit nichts zu tun hatte (CS § 19).
  2. Häufig werden die Anschuldigungen als „vage“ abqualifiziert und die angeführten Evidenzen als ungenügend zurückgewiesen. Die Gegenpartei müsse ihre Vorwürfe ausreichend belegen. Beispielsweise sind laut Mosambiks Anklage (Mos. § 121) der Proindicus- und Ematum-Kredit unter schweizerischem Gesetz vergeben worden, obwohl Mosambik kein Berater oder Anwalt, der sich mit schweizerischem Recht auskennt, zur Verfügung gestanden habe. Die CS entgegnet, Letzteres müsse erst bewiesen werden (CS § 225).
  3. Die Kläger berufen sich in vielen Punkten auf die Anklage der amerikanischen Bundesstaatsanwaltschaft vom 19.12.2018 (CS § 33). Diese Berufung sei unklar und nicht ausreichend (CS § 68). Unklar seien auch die Vorwürfe, die Schmiergelder (bribery) betreffen (CS § 68).
  4. Die Kläger würden CSI und CSLB vermischen. CSLB (für welche die Zürcher Zentrale mitverantwortlich ist) habe mit der Vergabe der Kredite Proindicus und Ematum nichts zu tun gehabt. Dass kürzlich ein Teil des Proindicus-Darlehens von CSI nach CSLB transferiert worden sei, tangiere die Anschuldigungen gegen CSLB bezüglich der ursprünglichen Kreditvergabe nicht (CS § 23).
  5. Auffallend häufig korrigieren die Verteidiger der CS die Daten, an denen zitierte Emails verschickt worden sind. Dabei schiessen sie einmal ein aufschlussreiches Eigengoal, das noch Folgen haben könnte (vgl. unten, Punkt 3).

Verteidigung und Gegenattacke der Credit Suisse folgen Paragraph um Paragraph der mosambikanischen Klage gegen die Schweizer Grossbank. Die mosambikanische Klage umfasst 35 Seiten, die Antwort der Credit Suisse 114 Seiten. Sie ist also mehr als dreimal so voluminös und ausgesprochen detailliert. Kürzel und Verweise auf andere Paragraphen – frühere wie spätere – sind omnipräsent, und so ist der Leser, der zudem bei jedem Punkt den Wortlaut der mosambikanischen Anklageschrift nachschlagen muss, ständig mit Hin- und Herblättern beschäftigt. Wer sich durch das Dokument hindurchkämpft, ahnt, dass sich hinter dieser Textsorte eine Strategie verbirgt: Der Leser soll sich verzetteln und im Labyrinth der zum Teil kryptischen Einzelheiten verlieren. Das Wesentliche entschwindet dann garantiert seinem Blick.
Gerade deshalb sollen hier einige wesentliche Punkte beleuchtet und der Verteidigungsstrategie der Credit Suisse nachgespürt werden.

1. Replik auf den Vorwurf, die verfassungswidrigen Staatsgarantien Mosambiks für die Kredite seien ungenügend geprüft worden

Im Wesentlichen beruft sich die CS auf die Tatsache, dass die fraglichen Staatsgarantien vom Finanzminister ausgestellt wurden. Man habe ihm sowie dem Direktor der nationalen Schatzkammer vertraut (CS § 223). Deshalb habe die Bank vernünftigerweise davon ausgehen können („reasonably believed“), die Staatsgarantien seien legal, und sie sei auch nach wie vor von ihrer Gültigkeit überzeugt. Die Bank gibt zwar (CS § 191) zu, dass die Kredite zu hoch waren, um in die alleinige Kompetenz des Finanzministers zu fallen, leugnet aber, dass die Art, wie sie abgesegnet wurden, dem Gesetz SISTAFE (Sistema de Administração Financeira do Estado) widerspreche. Es gelingt ihr allerdings nicht zu widerlegen, dass die Staatsgarantien dem Art. 179 der mosambikanischen Verfassung widersprachen, demzufolge die Kompetenz, höhere Kredite zu bewilligen, beim Parlament liegt. Obwohl die entsprechende Verfassungsregel in vielen Ländern gilt, will die CS davon nichts gewusst haben.
Weitere Statements der CS-Anwälte zum gleichen Thema: Die Bank könne sich auf einen Präsidenten-Erlass mit Gültigkeit von 2010 bis 2015 stützen, der den Finanzminister dazu ermächtigt habe, Transaktionen mit Einfluss auf die interne und externe Verschuldung zuzustimmen (CS § 67). Das klingt so, als ob die Credit Suisse bzw. ihr Anwaltsbüro davon ausgeht, dass ein präsidialer Beschluss die Verfassung aushebeln könne.

In ihrer Klageantwort erklärt die CS sogar, es sei unerheblich, ob die Staatsgarantie die mosambikanische Verfassung und Gesetze verletzt haben. Denn nach Bekanntwerden aller Irregularitäten hätten mosambikanische Institutionen und Politiker mit ihrem Verhalten gezeigt, dass sie sich an die mit den Krediten eingegangenen Verpflichtungen gebunden fühlten. Insbesondere Mosambiks Teil-Rückzahlungen liessen auf Anerkennung dieser Verpflichtungen schliessen (CS § 192).

Die Verteidigung der Bank ignoriert hier die Spaltungen innerhalb der mosambikanischen Führungspartei Frelimo sowie die Tatsache, dass Regierung und Generalstaatsanwaltschaft („Attorney General“) unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Auffassungen vertraten. Die wichtigsten Repräsentanten der mosambikanischen Zivilgesellschaft (CIP und das Fórum de Monitoria do Orçamento FMO) halten die Kredite entschieden für illegal, und die internationale Jubilee Debt Campaign mit Sitz in London zählt sie zu den „odious debts“. Die folgenden Punkte erhärten diese Diagnose.

2. Replik auf den Vorwurf, der Proindicus-Kredit sei ein Betrugsinstrument gewesen

Diesen Vorwurf hat bereits die New Yorker Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage erhoben. Er wurde nie entkräftet, und so greift ihn die mosambikanische Staatsanwaltschaft auf: Der Proindicus-Liefervertrag sei ein Betrugsvehikel beziehungsweise ein Täuschungsmanöver gewesen, das den Initianten des Kreditgeschäfts „zur Bereicherung auf Kosten Mosambiks“ gedient habe (Mos. § 64)1. Die CS-Anwälte lassen das nicht gelten und fordern die Kläger auf, ihre Aussage hieb- und stichfest zu belegen („The Claimant is put to strict proof of these allegations“; CS § 100).
Diese Aufforderung erscheint merkwürdig angesichts der erdrückenden Menge an Fakten, die inzwischen auf dem Tisch liegen. Der ehemalige CS-Investmentbanker Andrew Pearse, ein ehemaliger Investmentbanker der CS London mit Direktor-Titel, hat im vorigen November vor einem New Yorker Gericht die treibenden Motive der Drahtzieher, zu denen er selbst gehörte, offen gelegt: Im Februar 2013 habe er sich in Mosambiks Hauptstadt Maputo mit Jean Boustani, dem angeklagten Privinvest-Verkaufschef getroffen. Dieser hatte die Idee, Privinvest solle in Mosambik ein Küstenschutzprojekt durchführen. In langen Gesprächen hätten sie nach Möglichkeiten Ausschau gehalten, sich mit gemeinsamen Projekten vom Typ Proindicus in weiteren afrikanischen Ländern die Nase zu vergolden2 (Boustani hat dies inzwischen unter anderem mit Nigeria und Kongo-Brazzaville versucht – beide Male vergeblich – sowie mit Angola, wo er zwar Erfolg hatte, inzwischen aber ein kompliziertes Nachspiel droht).

Besonderes Gewicht hat die folgende Aussage von Pearse: „Ich habe mit dem Angeklagten [Jean Boustani] und seinem Chef, Iskandar Safa, vereinbart, 2,5 Prozent des Betrags zu erhalten, um den wir den Proindicus-Kredit über die ursprünglichen 372 Mio. Dollar hinaus erhöhen“3. Daraufhin erhöhte Pearse zusammen mit seinen Kumpanen den Proindicus-Kredit zunächst auf 622 Millionen Dollar und ergänzte ihn anschliessend mit zwei weiteren Krediten von 850 Millionen und 535 Millionen. Das ist fast das Sechsfache des ursprünglichen Kreditbetrags – von anfangs 350 Millionen auf 2007 Millionen -, und diese Erhöhung erfolgte innerhalb von bloss vierzehn Monaten. Pearse kassierte mindestens 45 Millionen (nach eigener Aussage sogar 49 Millionen4) – davon 40,8 Millionen als 2,5%-Anteil an der Summe, um die er den Ausgangskredit erhöhen half. Weitere 2,5 oder (wahrscheinlicher) 5,5 Millionen strich er für die Senkung der Proindicus-Bankgebühren ein.5
Und die Credit Suisse? Nach eigenem Bekunden wusste sie sehr wohl um die besondere Korruptionsgefahr in Mosambik (CS § 71.1). Dennoch weist sie den Hinweis in der Mosambik-Klage, diese Gefahr hätte eigentlich erhöhte Vorsicht beim Due Diligence-Process erfordert (Mos. § 43), als „vage“ zurück (CS § 71). Trotz der rasch aufeinander folgenden Auszahlungen, trotz der gigantischen Summen, um die es dabei jedes Mal ging, und trotz der abnormen Tatsache, dass sie alle (abzüglich Spesen) an eine Firma in Abu Dhabi gingen, mit der die Bank gar keinen Kreditvertrag hatte, kam die Bank anscheinend nie auf die Idee, sich zu vergewissern, dass alles mit rechten Dingen zuging. Und sie holte in Mosambik keine Erkundigungen über die materiellen Ergebnisse dieser Auszahlungen ein. Selbst der Umstand, dass während der ersten Monate sämtliche Kontakte zur Credit Suisse von Privinvest-Verkäufer Boustani ausgingen und nicht von Mosambik – es hatte ja auch kein Bieter-Wettbewerb stattgefunden –, scheint die Credit Suisse nie stutzig gemacht zu haben.

Aufgeblähte Kredite und überhöhte Preise

Schon im Oktober 2013 wusste man in Mosambik, dass mit dem Ematum-Kredit etwas nicht stimmte: 500 Millionen waren spurlos verschwunden. Der Skandal schwelte zweieinhalb Jahre lang, bevor die Bombe im April 2016 platzte und sich die wahre Dimension des Schlamassels offenbarte. Kurz vorher, als der Ematum-Kredit im März 2016 umstrukturiert wurde, verschwieg die CS den Gläubigern noch immer den Proindicus- und den MAM-Kredit, obwohl sie selbst den grösseren von beiden ausgerichtet hatte. Sogar als der IWF Mosambik mit dem Einfrieren der Budgethilfe bestrafte, schwieg die Credit Suisse weiterhin eisern. Die Vermutung liegt nahe, dass die Bank auch keine interne Untersuchung veranlasst hat.
Sowohl das Audit-Verfahren der Firma Kroll (Februar bis Juni 2017) als auch das New Yorker Gericht kamen zur Erkenntnis, dass die Preise der gelieferten Schiffe eklatant überhöht waren. Pikanterweise war schon der Ausgangskredit von 350 bzw. 372 Millionen Dollar praktisch um hundert Prozent aufgebläht, wie eine Vergleichstabelle zu den tatsächlichen und den veranschlagten Kosten für Schiffe und Radarzubehör zeigt6. Auch dass schon vor Auszahlung des Proindicus-Kredits horrende Schmiergelder gefordert wurden – beispielsweise 50 Millionen Dollar vom mosambikanischen Broker Nhangumele im Namen des Präsidentensohns – ist hinlänglich belegt.
Wenn die CS der Öffentlichkeit weismachen will, sie habe von all diesen Dingen nichts wissen können, dann erschüttert sie damit die Grundlage für das Vertrauen in ihre Geschäftstätigkeit.

3. Replik der CS auf den Vorwurf ihres Versagens beim Compliance-Prozess

CSLB habe sich bezüglich der Due Diligence-Processe auf die Ergebnisse von CSI verlassen (§ 71.2). Dass Credit Suisse Schweiz die Transaktionen ausdrücklich gutgeheissen hat, geht aus einer Aussage des Ex-Bankers Surjam Singh vom 8.11.19 vor dem New Yorker Gericht hervor.7
Der entscheidende Punkt, um den es dabei offenbar ging, bezog sich auf die Einschätzung Iskandar Safas – des Chefs der Schiffbaufirma Privinvest, an welche die Kredite ausbezahlt werden sollten. Die CS ist schon früh auf die besonderen Risiken von Geschäften mit Iskandar Safa aufmerksam geworden, und entsprechende Warnungen hat es vor und während dem Proindicus-Compliance-Verfahren wiederholt gegeben. Das geht schon aus der Anklage der New Yorker Staatsanwälte hervor, und darauf spielt auch die mosambikanische Anklage an (Mos. § 56).8

Die Entgegnungen der CS auf diesen Vorwurf sind in mehrfacher Hinsicht pikant. So erwähnt die Klageantwort beispielsweise (§ 79.1), die Bank habe Iskandar Safa im Juli 2010 die Eröffnung eines Kontos verweigert, weil sein Name bei WorldCheck – einer Datenbank zu personengebundenen finanziellen, regulatorischen Risiken und Reputationsrisiken – aufgeführt war9. Im Dezember 2011, als Privinvest-Verkäufer Boustani mit der Credit Suisse in Kontakt getreten war, habe ein CS Team Iskandar Safa weiterhin als „UC“ (= undesired client) qualifiziert, und anlässlich des Compliance-Verfahrens im März 2012 habe ein Mitarbeiter der Bank an eben diese Eigenschaft Safas erinnert (CS § 79.1)10. Um die Risiken eines Geschäfts mit Safa zu belegen, habe dieser Mitarbeiter Zeitungsausschnitte zu mehreren Gerichtsfällen gesammelt, in die Safa zwischen den achtziger und den nuller Jahren verwickelt war (CS § 79.4).11
Die CS-Anwälte versuchen nun, diese Hinweise mit dem Argument abzuschmettern, aus den gesammelten Artikeln gehe hervor, dass Iskandar Safa stets freigesprochen worden sei12, weshalb WorldCheck seinen Namen im September 2010 aus der Liste der Geschäftspersonen mit Risikoprofil gestrichen habe (CS § 79.2). Der fragliche Mitarbeiter in der Credit Suisse London war aber, wie man seit Bekanntwerden der US-Klage weiss, immerhin der Leiter der Abteilung Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA). Die Agentur Bloomberg identifizierte die Person, die dieser Abteilung seit Anfang Oktober 2006 vorstand, als Fawzi Kyriakos-Saad.13
Von Nationalität Libanese, war Kyriakos-Saad über den Libanesen Iskandar Safa wahrscheinlich besonders gut informiert. Jedenfalls widersetzte er sich noch im November 2012 dem Plan, die Firma Privinvest als unproblematisch einzustufen, und nannte Iskandar Safas in einer Unterredung einen „master of kickbacks“ (CS § 86.2)14. Über diese Unterredung habe der „Angeklagte Nummer 4“ (d.h. David Pearse) seine Bankkollegen informiert. Laut der CS-Klageantwort versuchte man deshalb noch gleichentags, Kyriakos-Saad in einem weiteren Gespräch davon zu überzeugen, dass Safa und seine Firma „gute Partner für einen Deal“ seien (CS § 86.2). Doch dieser Überzeugungsversuch ging offenbar daneben.
Pedantisch korrigieren die CS-Anwälte an dieser Stelle ein von der Anklageschrift Mosambiks genanntes Datum: Das erwähnte Gespräch mit Kyriakos-Saad habe nicht am 1. November 2012, sondern erst am 19. November stattgefunden. Diese Berichtigung erweist sich als unfreiwillige Schützenhilfe für den mosambikanischen Kläger, denn aus anderen Quellen lässt sich rekonstruieren, dass Kyriakos-Saad am gleichen oder am folgenden Tag sein Amt als Leiter der Abteilung EMEA verlor – angeblich wegen einer internen Umstrukturierung.15

Selbst wenn es der Credit Suisse gelingen sollte zu beweisen, dass die Koinzidenz dieser Daten ein purer Zufall war, bleibt die Behauptung, der Compliance-Prozess sei gewissenhaft durchgeführt worden, unglaubhaft. Iskandar Safa figurierte zwar nicht mehr auf der WorldCheck-Liste, doch hatte er sich nun einmal den Ruf, ein „master of kickbacks“ zu sein, erworben, auch wenn er einer Verurteilung stets entronnen war. Und dass er diesem Ruf auch weiterhin konsequent nachlebte, bestätigte Pearse vor dem New Yorker Gericht höchst persönlich: „Mr. Safa was the boss who made decisions as to who would be paid“. Und: “Mr. Safa [Iskandar] was the boss of Privinvest and nobody made payments without his approval”.16 Das hat auch Privinvest-Verkaufschef Boustani in seinen tagelangen Ausführungen vor demselben Gericht vorigen November wiederholt bestätigt. Safa und Boustani benutzten für solche Zahlungen nicht den Begriff «Schmiergelder».
Art.1 der Geschäftsbedingungen der CS erwähnt unmissverständlich die Konsequenzen eines mangelhaften Compliance-Prozesses: «Die Bank ist verpflichtet, die Legitimation des Kunden und der Bevollmächtigten mit der geschäftsüblichen Sorgfalt zu prüfen. Wird diese Pflicht durch die Bank, ihre Mitarbeiter oder Hilfspersonen verletzt, so trägt die Bank einen dadurch entstandenen Schaden.»
4. Replik der CS auf Vorwürfe im Zusammenhang mit der Ematum-Umstrukturierung im März 2016

Während der Ematum-Umstrukturierung im März 2016 spielten Andrew Pearse und Detelina Subeva als Vertreter der Firma Palomar Capital Advisors (Zürich) eine wesentliche Rolle. Mosambik kritisiert in seiner Anklage (Mos § 144), dass die CS dies toleriert habe. Denn die beiden gehörten 2013, bei der Vorbereitung des Proindicus- und Ematum-Kredits, zum betrügerischen Deal-Team in der CSI London. Die CS weist diese Kritik zurück: Pearse und Subeva hätten 2016 als Berater Mosambiks fungiert, und es sei nicht Aufgabe der CS gewesen, diese zu genehmigen oder zurückzuweisen (CS § 258.6).
Die CS bestreitet also nicht, dass der Bank die Beteiligung der beiden Personen an der Ematum-Restrukturierung bekannt war und dass sie nicht dagegen einschritt. Das nährt den Verdacht, dass die CS kein Interesse hatte, die Tricksereien im Kontext der Ematum-Umstrukturierung zu unterbinden.
Ein wesentlicher Aspekt, der von der mosambikanischen Anklage nicht zur Sprache gebracht wurde und auf den die CS-Anwälte deshalb nicht eingehen, ist das Versteckspiel, das während der Ematum-Umschuldung alle Beteiligten bezüglich der geheim gehaltenen Kredite (Proindicus und MAM) gemeinsam gespielt haben. Wären diese Kredite vor Abschluss der Ematum-Umschuldung publik geworden, so hätten die Gläubiger das Angebot wahrscheinlich abgelehnt. Aus den Protokollen des Boustani-Prozesses geht hervor, dass die CS mit Anwälten darüber gesprochen hat, ob und wie die Existenz dieser Kredite offenbart werden sollten („how the Proindicus and MAM loans should be disclosed“)17. Die Frage, weshalb die CS bzw. die CSSEL bis zum Abschluss der Ematum-Umstrukturierung geschwiegen hat, stellt sich daher umso dringender.
Laut CS hat diese Umstrukturierung nicht die CS, sondern die Credit Suisse Securities (Europe) Limited (CSSEL) durchgeführt.18 Nicht die CS, sondern die CSSEL habe also dafür Gebühren verlangt, und diese seien nicht übertrieben gewesen (CS § 181.4; 182.2). Die Frage nach der Mitwirkung der Bank bei der Verheimlichung des Proindicus-Kredits wäre in diesem Fall an die Adresse der CSSEL zu richten. Auch die Frage nach dem Verhältnis von CSI, CSLB und CSSEL wäre hier aufzuwerfen. Wusste die eine Hand nicht, was die andere tat? Eine Entschuldigung kann das jedenfalls nicht sein. Sollte die Bank den Überblick über die Geschichte eines neunstelligen Kredits verloren haben, weil sie sich in zu viele unterschiedliche Institute aufgesplittert hat, so wäre das alles andere als beruhigend.

5. Hat sich die Credit Suisse in eine Sackgasse manövriert?

Es wird immer deutlicher: Die Liaison, die die Credit Suisse mit dem Geschäftsimperium Iskandar Safas einging, ist fatal. Das Argument, mit dem sich die Bank verteidigt – Safas Name sei zum fraglichen Zeitpunkt auf der WorldCheck-Liste wieder gelöscht gewesen –, ist schwach.
Wie problematisch Geschäfte mit Safas Firmenimperium sind, zeigen zwei aktuelle Beispiele:

  1. Das Deutsche Bundesministerium für Verteidigung, von dem fast zwei Jahre lang erwartet wurde, dass es einen 5,3 Milliarden Euro schweren Auftrag zum Bau von Mehrzweck-Kampfschiffen des Typs MKS 180 an eine Kieler Werft vergibt, die zu Safas Privinvest-Imperium gehört, entschied sich schliesslich, laut einer Information vom 27.Januar 2020 gegen Privinvest.19
  2. Angola wiederum hatte sich zwar 2017 auf einen 500 Millionen-Deal mit Safas Firma Privinvest eingelassen. Doch könnte dies ein unangenehmes Nachspiel haben: Als Retourkutsche für die Anklage von Isabelle dos Santos durch Angolas Regierung kündigte deren Halbschwester Tchizé dos Santos an, sie werde Einzelheiten zur Vergabe des Projekts an Privinvest, die den aktuellen Präsidenten João Lourenço belasten sollen, publik machen.

Entscheid gegen Privinvest in Deutschland

Langezeit sah es so aus, als ob die deutsche Regierung kurz davorstand, den milliardenschweren Auftrag zum Bau von Marineschiffen an die Werft German Naval Yards zu vergeben, die zu Safas Privinvest-Imperium gehört. Stattdessen erhielt im letzten Moment die niederländische Werften-Gruppe Damen den Zuschlag. Der Aufschrei in Schleswig-Holstein, wo Safas Firma über 1000 Personen beschäftigt, ist zwar gross, und die Firma will den Entscheid gerichtlich anfechten: Ein so sensibler Auftrag dürfe nicht an eine ausländische Firma gehen. Das Privinvest-Imperium befindet sich aber eben gerade nicht in deutscher Hand. Die Kampfschiffe sollen nun zu 80 Prozent in Deutschland von der Hamburger Werft Blohm + Voss, die zur niederländischen Damen-Gruppe gehört, gebaut werden. Die Entscheidung gegen Privinvest fiel, kurz nachdem deren Verkaufschef, Jean Boustani, in einer wochenlangen Gerichtsverhandlung in New York die bizarre Genese des Privinvest-Geschäfts mit Mosambik offengelegt hatte.

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Lesen Sie das ganze DOSSIER:
Die Rolle der Credit Suisse im Mosambik-Skandal

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FUSSNOTEN
1“The Proindicus Supply Contract was an instrument of fraud, alternatively a sham. The parties to it did not intend it to be a genuine procurement contract for the supply of goods and services (…), but a vehicle for the enrichment of the Defendants at the expense of the Republic.” (Mosambik-Klage, § 64
2Protokoll Boustani-Prozess, p.1104-1110 (23.10.19).
3Centro de Integridade Pública (CIP), 6.11.2019: https://cipmoz.org/wp-content/uploads/2019/11/COMO-SURGIRAM-AS-DI%CC%81VIDAS-OCULTAS.pdf
4Centro de Integridade Pública (CIP), 08.11.19: https://cipmoz.org/wp-content/uploads/2019/11/corrupc%CC%A7a%CC%83o-favoreceu-a-contrac%CC%A7a%CC%83o-das-di%CC%81vidas.pdf
5Pearse bestätigte den New Yorker Richtern, er habe für seinen erfolgreichen Einsatz zur Verringerung der Proindicus-Bankgebühren 2,5 bzw. 5,5 Millionen Dollar erhalten. Der Betrag sei ihm von Privinvest einen Monat nach Auszahlung des Kredits überwiesen worden. – Protokoll Boustani-Prozess: 2,5 Millionen, p.1130/31; 5,5 Millionen, p. 1138 (23.10.19) und 1350 (24.10.19).
6CIP, 29.10.19, Anhang, S.11: https://cipmoz.org/wp-content/uploads/2019/10/di%CC%81vidas-ocultas-.pdf
7“Everyone and the mother at Credit Suisse has approved these transactions” (Protokoll Boustani-Prozess, p. 3169 (08.11.19).
8Mosambik-Anklage § 56. Der genannte Vorfall ist bereits in der amerikanischen Anklageschrift, § 42, Thema: https://www.justice.gov/usao-edny/press-release/file/1141841/download
9Das Portal zu dieser Datenbank ist unter „WorldCheck“ leicht im Internet zu finden (sehr langer Link).
10Das erwähnen auch die New Yorker Anklage vom Dezember 2018, § 41 [vgl. Anm.8] und die Mosambik-Anklage § 43.
11Vgl. New Yorker Anklage, § 41
12Vergleiche auch meine Recherchen über Iskandar Safa: https://www.infosperber.ch/Wirtschaft/Privinvest-Was-man-uber-den-Konzernchef-Iskandar-Safa-weiss
13https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-01-29/credit-suisse-ignored-warning-over-2-billion-deal-with-tycoon. Identischer Artikel in: swissinfo: https://www.swissinfo.ch/eng/credit-suisse-ignored-warning-over–2-billion-deal-with-tycoon/45524536
14Dazu schon die New Yorker Anklage § 42 und Mosambik-Anklage § 56.
15https://www.monetas.ch/de/1551/-Fawzi-Kyriakos-Saad-UNITED-KINGDOM-London.htm?ident=l0coJ5ASWTf9ZeR5y%2BoBVfLdcIg6EIFAVTbLC3JGSbg%3D und https://www.financeasia.com/tag/fawzi%20kyriakos-saad. Auf die Koinzidenz der Daten hat zuerst die Agentur Bloomberg hingewiesen [s. Anm. 13].
16Protokoll Boustani-Prozess, p.1139 (23.10.19).
17Protokoll Boustani-Prozess, p.4569 (20.11.19).
18Die Credit Suisse bemerkt dazu: “The representative office of Credit Suisse Securities (Europe) Limited (CSSEL) [is] in Switzerland. CSSEL is domiciled in the United Kingdom.” [ https://www.credit-suisse.com/sites/disclaimers/disclaimers-global/en/about-us/important-legal-information-cssel-csi-csag.html]
19https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Marine-Auftrag-fuer-MKS-180-Kieler-Werft-geht-leer-aus,mks104.html und: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/german-naval-yards-kieler-werft-geht-im-streit-um-fregatten-juristisch-gegen-bundesregierung-vor/25476186.html?ticket=ST-1008699-HWuqBzNz6TZUjFZiPnnE-ap6

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Thomas Kesselring unterrichtete bis 2015 als Professor an der Pädagogischen Universität in Mosambik. Er war bis 2013 auch Professor an der Pädagogischen Hochschule Bern. Er ist Mitglied von Rat Kontrapunkt sowie von Actares.

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Eine Meinung zu

  • am 12.02.2020 um 19:49 Uhr
    Permalink

    Wenn man weiss, dass das Geld von den Banken aus NICHTS gemacht wird, kann man über diese Forderungen von beiden Seiten nur lachen. Es ist eher die Frage wer tut was Sinnvolles damit, da es ja schon mal geschaffen wurde. Zurückzahlen würde übrigens nur heissen dass das Geld sich wieder ins NICHTS auflöst. Was wäre also der tiefere Sinn davon?

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