Sperberauge

AfD-Gauland ist im Vergleich zu BRD-Anfängen harmlos

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Red. /  Bis 1960 waren Rechtsradikale in der BRD kein Randsegment, sondern Bestandteil des Polit-Establishments.

Relativierungen des Nationalsozialismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Heterosexismus fand man während der ersten 15 Nachkriegsjahren bei Unions- und FDP-Politikern der politischen Mitte. Daran erinnert Reinhardt Gutsche* und liefert Beispiele dafür:

Die FDP-Landesverband NRW entpuppte sich nach Kriegsende als Quasi-Nachfolgepartei der NSdAP und musste von der britischen Besatzungsmacht aufgelöst werden. Die AfD-Vorgängerparteien «Deutsche Partei» DP und BHE sassen nicht nur in allen Länderparlamenten, sondern auch im Bundestag und bildeten mit der Union sogar mehrere Koalitionsregierungen. DP-Mann Hans-Christoph Seebohm, unter den Hakenkreuzlern ein Chef-Arisierer jüdischen Eigentums, war von 1949 bis sogar 1966 Bundesminister für Verkehr. Für einige Wochen war er sogar Vize-Kanzler. Seine Fusionspläne mit der NPD scheiterten nur am Widerstand der Besatzungsmächte. Ein DP-Flugblatt der Zeit berief sich auf Lyrik des rechtsextremen Schriftstellers und Freikorpsführers Bogislav von Selchow: „Ob der Schmach der Feigen, die alles nahm …“ Ab 1949 äusserte sich Seebohm in Reden über Ehrfurcht vor Fahnen der NS-Zeit, sprach vom Grundgesetz, das von den Alliierten aufgezwungen worden sei, und von einer Sozialdemokratie, die asiatische Wurzeln habe und nicht zum Deutschtum führen könnte.
Eine weitere demokratische „Lichtgestalt“ der Bonner Republik, der Antisemit Professor Theodor Oberländer, war von 1953 bis 1960 Vertriebenenminister. Er warnte davor, dass „für ganz Europa das Anschwellen der gesamtslawischen Bevölkerung zu einer ernsten Gefahr werden“ könne und machte schon 1937 das „Judentum“ für die Verbreitung des Kommunismus verantwortlich.
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*Der Autor Reinhardt Gutsche, geb. 1943, studierte bis 1968 an der Humboldt-Universität Berlin und dissertierte dann am Herder-Institut der Universität Leipzig. Nach 1990 arbeitete er an Forschungsprojekten der Universität Potsdam und der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied des Netzwerkes «Kulturring in Berlin e.V.». Seine Spezialgebiete sind die deutsch-französischen Kulturbeziehungen, die Europapolitik und Aspekte der Geschichte der DDR und der Wiedervereinigung.


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2 Meinungen

  • am 21.11.2019 um 15:23 Uhr
    Permalink

    Und, nicht vergessen: Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, genannt «König Silberzunge» von der CDU, einst hochrangiges Mitglied der NSDAP von der ersten bis zur letzten Stunde, Nazi-Blockwart 1939/1940, SA-Mann und überdies auch noch hochrangiger Funktionär in Goebbels’ Propagandaapparat. – Und, auch er unvergessen: Hans Karl Filbinger, ebenfalls von der CDU, seines Zeichens langjähriger Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, bekannt geworden auch als «Furchtbarer Jurist», NSDAP-Parteigenosse ab 1937 und als Militärrichter von Hitlers Kriegsmarine für mehrere Todesurteile gegen Deserteure verantwortlich. Oder Heinrich Lübke, der zweite Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, auch von der CDU, auch er von seiner NS-Vergangenheit schwer belastet, war er doch während des Kriegs massgeblich zuständig für die Rekrutierung von KZ-Häftlingen als Zwangsarbeiter in den Rüstungsbetrieben der Heeresversuchsanstalt Peenemünde (Bau der V2-Grossrakete). – Nur zwei von unzähligen anderen Altnazis, die nach Kriegsende nahtlos, ohne Bruch, in Nachkriegsdeutschland gross Karriere machten. «Auf freiem Fuß geblieben nur dank des Schweigens derer, die sie kannten» (Zitat Rolf Hochhuth) …

  • PeterGraf_Portrait
    am 25.11.2019 um 15:21 Uhr
    Permalink

    Nachkriegsdeutschland folgte dem iuristischen Rückwirkungsverbot, wenn Nazi-Täter geschützt werden sollten. Ausnahme: gegenüber den Angeklagten der Nürnberger Prozesse. Interessant nur, dass nach der Wende 1989 gegenüber Funktionären der verschiedensten Ebenen des DDR-Staates dieses Rückwirkungsverbot nicht angewendet wurde. (vgl. Matthias Krauss: «Die grosse Freiheit ist es nicht geworden», Verlag das Neue Berlin, Berlin 2019, 2. Auflage., S. 139 ff.)
    Peter Graf, Bern

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