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Studenten protestieren gegen die geplante Schliessung der Central European University (CEU) © CEU

Viktor Orbans Kampfansage an Spitzenuniversität

Jürg Müller-Muralt /  Die Central European University in Budapest ist eine Top-Hochschule. Gerade deshalb ist sie der rechts-nationalen Regierung lästig.

Medien und Bildung geraten früher oder später immer ins Visier autokratischer Herrscher. Wer sie beherrscht, erreicht am wirkungsvollsten die Deutungshoheit in einer Gesellschaft. Jüngstes Beispiel ist die Attacke von Ministerpräsident Viktor Orban auf die Central European University (CEU) in Budapest. Das Parlament hat auf Betreiben des Regierungschefs vor wenigen Tagen ein Gesetz verabschiedet, das auf ein Verbot der CEU in Ungarn hinausläuft. Mehr als zehntausend europäische und amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben protestiert, darunter 17 Nobelpreisträger. Selbst die staatsnahe Ungarische Akademie der Wissenschaften hat sich mit der CEU solidarisiert. Am Wochenende kam es in Budapest mit rund 80’000 Teilnehmenden zu den bisher grössten Protesten gegen Ungarns rechts-nationale Regierung.

Orbans Kahlschlag in der Bildung

Die Medien haben auch in der Schweiz über diese Ereignisse und über die Einzelheiten des Gesetzes berichtet. Etwas weniger beleuchtet wurde jedoch die ausserordentlich grosse Bedeutung dieser Bildungsstätte. Es lohnt sich also, etwas genauer hinzuschauen, was die Central European University leistet und welchen Stellenwert sie in der Bildungslandschaft Ungarns und Europas hat. Dies umso mehr, als Orbans Kampf gegen die CEU im Zusammenhang mit der vollständigen Umkrempelung und Gleichschaltung der Universitäten in seinem Land gesehen werden muss. Die Mittel für das ungarische Hochschulwesen sind bereits spürbar gekürzt worden, allein zwischen 2010 und 2013 um 25 Prozent. Die Folge: Studierende und Wissenschaftler wandern ab. In Österreich etwa studieren derzeit rund 6000 Ungarinnen und Ungarn.

Der Grund für Orbans Vorgehen gegen die CEU ist leicht zu finden: George Soros ist ein heftiger Kritiker Orbans, und die CEU steht für vieles, was dem Regierungschef zuwiderläuft: eine offene, liberale Gesellschaft, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung.

Idee von Vasarhelyi, Geld von Soros

Die Idee der Central European University geht auf Vorstellungen des ungarischen Publizisten Miklos Vasarhelyi (1917-2001) zurück, einen der bedeutendsten Dissidenten im kommunistischen Ungarn. Gegründet wurde die CEU 1991 von einer Gruppe mitteleuropäischer Intellektueller um den ungarisch-amerikanischen Finanzspekulanten George Soros. Auch er «sah nach den Umwälzungen in Ost- und Südosteuropa die Gefahr, die von neuen Nationalismen ausgehen kann und unterstützte Vasarhelyis Idee», wie die deutschsprachige ungarische Online-Zeitung «Pester Lloyd» schreibt. Erklärtes Ziel der englischsprachigen Universität ist es, offene Gesellschaften in postkommunistischen Ländern zu fördern. Doch hat sich in den letzten Jahren das Selbstverständnis der CEU stark gewandelt; der Fokus liegt heute vermehrt auch auf internationalen und globalen Themen.

Dickes Finanzpolster

Die CEU finanziert sich nach amerikanischem Vorbild durch einen Stiftungsfonds. Er verfügt mit 880 Millionen US-Dollar über eines der höchsten Stiftungsvermögen in Europa, in erster Linie aus mehreren Soros-Spenden in dreistelliger Millionenhöhe. Die CEU bewirbt sich aber auch immer wieder erfolgreich um Fördergelder des Europäischen Wissenschaftsrats; zwischen 2011 und 2016 wurden ihr gemäss eigenen Angaben gegen sieben Millionen Euro zugesprochen.

Gleich viele Männer wie Frauen

An der CEU sind 1440 Studierende aus 108 Ländern eingeschrieben, rund 20 Prozent stammen aus Ungarn. 50 Prozent sind Frauen, 50 Prozent Männer. Der Lehrkörper besteht aus über hundert Professorinnen und Professoren aus mehr als 30 Ländern. Die CEU gilt als die internationalste Universität weltweit. Günstig ist das Studium nicht: Ein Studienjahr im Master- oder Doktoratsprogramm kann zwischen 9000 und 13’000 Euro kosten. Doch gegen 85 Prozent der Studierenden erhalten Stipendien aus Stiftungsgeldern, welche nicht zurückerstattet werden müssen.

Interdisziplinäre Studiengänge

Die CEU bietet interdisziplinäre Studiengänge und betreibt Forschung in den Bereichen Kunst, Kultur, Recht, Ökonomie, Entwicklungspolitik, Umwelt, Energie, Genderstudien, Geschichte, Philosophie, Menschenrechte, internationale Beziehungen, Mathematik, Medien und Kommunikation, Religionswissenschaften, Politische Wissenschaften, Soziologie und Sozialanthropologie. Die Universität zieht renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an und richtet sich an Studierende mit hohen Leistungszielen.

«Ein Leuchtturm»

Ihr Ruf als eine der besten Hochschulen in Ostmitteleuropa spiegelt sich auch in diversen Rankings. Sie zählt zu den 50 besten Universitäten weltweit. Unter den 200 rangierten jungen, unter 50 Jahre alten Top-Universitäten weltweit schafft es die CEU auf Rang 39. In einem EU-Ranking steht die CEU auf Platz sieben der erfolgreichsten europäischen Universitäten. Martin Schulze Wessel, Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bezeichnet die CEU als bildungspolitischen «Leuchtturm». In einem Beitrag unter dem Titel «Orbans Ethnisierung des Bildungswesens» schreibt er in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: «Man muss das universitäre Leben an der CEU erlebt haben, um zu verstehen, wie kostbar der intensive Austausch von Studenten aus aller Welt ist. Hier sassen auch in den Neunzigerjahren während der postjugoslawischen Kriege serbische, kroatische und bosnische Studenten in einem Seminarraum zusammen, hier diskutieren heute auch nach Russlands Annexion der Krim noch ukrainische und russische Studenten miteinander.»

Die Freiheit steht auf dem Spiel

In einem NZZ-Gastkommentar bezeichnete Shalini Randeria, Professorin für Soziologie und Sozialanthropologie in Genf und Mitglied des CEU-Vereinsvorstands, die drohende Schliessung der Spitzenuniversität als «ein ernstzunehmendes Zeichen für den Aufbau eines autoritären Regimes im Herzen Europas. (…) Die Freiheit der Wissenschaft steht ebenso auf dem Spiel wie die Freiheit ganzer Gesellschaften in Europa.» Das scheinen nun auch einige Politiker in der EU gemerkt zu haben. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier jedenfalls sagte vor dem Europaparlament: «Europa darf nicht schweigen, wenn der Zivilgesellschaft und selbst der Wissenschaft – wie jetzt das Beispiel der CEU in Budapest zeigt – die Luft zum Atmen genommen wird.»


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7 Meinungen

  • am 12.04.2017 um 10:13 Uhr
    Permalink

    Spitzenuniversität ? ich finde nur «All programs of Central European University are highly competitive. The university is placed 29th worldwide in the field of politics and international studies, and among the top 51-100 worldwide in philosophy by the 2015 QS World University Rankings.» Also einmal 29 und sonst zwischen 50 und 100.

    Ich habe weder für Herrn Orban viel übrig noch für die politische Kaderschmiede des Herrn Soros, der sich für die NATO-Expansion nach Georgien und die Ukraine einsetzt.
    MfG
    Werner T. Meyer

  • am 12.04.2017 um 12:31 Uhr
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    Da kann ich die Worte von Herrn Werner Meyer nur tatkräftig unterstützen! Wer sagt denn, dass die CEU wirklich so gut ist, Herr Soros? Auch ich bin kein Freund von Herr Orban, ich möchte nur, dass die auch die Social Medias endlich etwas realitätsbewusster werden! Muss man Milliardär sein, um anerkannt zu sein?

  • am 12.04.2017 um 20:21 Uhr
    Permalink

    Danke an die Leserkommentare. Vielleicht sollte sich der Autor zuerst mal über die Person Soros informieren, bevor er diese Zeilen schreibt… Bin ich doch hier auf einer alternativen Medienplattform.. Nicht?

  • am 13.04.2017 um 18:22 Uhr
    Permalink

    Weshalb nur sollte sich der verdankenswerte Artikel auch noch kritischer mit Soros beschäftigen? Es geht um Orban und dessen autokratische, menschrechtswidrige Politik und wie sein Regime die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft akut gefährdet. So gesehen leistet die von Soros gestiftete Universität einen unverzichtbaren Beitrag, um die Demokratie in Ungarn und damit in Europa zu erhalten. Ich bin weder ein Freund von privaten Unis, noch der Börsen-Spekulation, womit Soros zu seinen Milliarden gekommen ist. Mir ist aber recht, wenn er einen Grossteil davon mit Stiftungen für Wissenschaft und Menschenrechte und Demokratie etc. gemeinnützig zurückerstattet. Damit hebt er sich wohltuend von hiesigen Millardären ab, die politische Kampagnen finanzieren, die sich gegen die Menschenrechte richten oder eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik befürworten, wie sie der Nationalist Orban vormacht.

  • am 13.04.2017 um 18:29 Uhr
    Permalink

    Warum soll George Soros nicht in der Lage sein, neben Budapest auch einen Campus in den USA zu betreiben? Das Eine schliesst doch das andere nicht aus. Über Geld soll er ja genügend verfügen.

  • am 13.04.2017 um 19:22 Uhr
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    Die NZZ sagt heute: «Die Hochschulreform sei verabschiedet und eine Ausserkraftsetzung nicht geplant. Das amerikanische Aussenministerium hatte die ungarische Regierung am Dienstag aufgefordert, die Reform nicht umzusetzen.
    Voraussichtlich wird das ungarische Verfassungsgericht darüber befinden: Die
    rechtsextreme Partei Jobbik hat entschieden,einen entsprechenden Antrag der Opposition zu unterstützen."

    Auch Diese Unterstützer der SOROS-Universität überzeugen mich nicht.
    MfG
    Werner T. Meyer

  • am 14.04.2017 um 08:45 Uhr
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    Müller-Muralt bringt zugunsten dieser Universität eigentlich nur politische Argumente, keine wissenschaftlichen. Geht es hier wirklich um «die Wissenschaft"?
    Es wäre ja schön, wenn es zumindest um Völkerverständigung ginge, aber geht es hier nicht ehr um die Unterdrückung und Abschaffung der Völker? Und ist der Schulterschluss mit den Globalisten der ungehemmten Finanzspekulation wirklich so selbstverständlich?

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