Kapitalpuffer verpuffen – Warum man die UBS nicht retten kann
Red. Ökonom Beat Kappeler ist einer der wenigen unabhängigen Analysten von Finanzkrisen. In der NZZ vom 16. April forderte er ein Ende der «Too Big to Fail»-Diskussion. Infosperber stellt hier seine Argumente ungekürzt zur Diskussion.
Im Rahmen der «Too big to fail»-Debatte wird nach wie vor über das nötige Eigenkapital von Grossbanken diskutiert. Das Risiko für die Steuerzahler bleibt aber bestehen, solange der Staat nicht unmissverständlich signalisiert, dass er keine Bank retten wird.

Seit Monaten rangeln UBS und Finma um das Eigenkapital der Grossbank, «um damit das Risiko der Steuerzahler zu minimieren». Doch ein solches Risiko entsteht erst, wenn der Staat durch genau solches Gerede signalisiert, auch eine UBS allenfalls zu retten. Eigentlich sollte er jede Hilfe ausschliessen.
Wäre die Garantie für die CS vor zwei Jahren fällig geworden, wäre das für den Finanzplatz Schweiz zum Fiasko geworden und hätte den Bund auf Jahre, Jahrzehnte hinaus überschuldet.
Den vermiedenen Garantiefall der CS einmal durchrechnen
Im Garantiefall der CS hätte der Bund die 100 Milliarden der CS sowie den garantierten Verlust der UBS von vielleicht 30 Milliarden Franken aufbringen müssen, 130 Milliarden insgesamt.
Die dazu am Kapitalmarkt aufzulegenden Schuldtitel hätten zwanzig Mal mehr ausgemacht, als der Bund normalerweise jährlich an Obligationen aufnimmt. Oder der Bund hätte allein schon fast das Dreifache der jährlichen Schuldaufnahme aufgesogen, was sonst zusammen die Hypothekarschuldner, die Banken, die Industriefirmen, die Kantone, die Auslandsfirmen brauchen.
Weil über den Kapitalmarkt alle Kreditnehmer – Staat, Firmen, Hypothekenschuldner – in Konkurrenz um das Sparkapital stehen, hätten solche Schuldenexplosionen die heutigen Niedrigzinsen mehr als verdoppelt, und zwar für alle. Die 1,5-Prozent-Hypotheken wären Geschichte gewesen. Nur schon ein Anstieg auf 4 oder 5 Prozent (vor zwanzig Jahren noch üblich) hätte eine enorme Immobilienkrise ausgelöst, weil die meisten Hausbesitzer – durch bald zwanzig Jahre Niedrigstzinsen verwöhnt – entweder den Konsum drastisch einschränken oder aber das Haus liquidieren müssten.
Den Mietern hätte der Referenzzinssatz die Zinsexplosion ebenfalls direkt in ihre Haushaltskasse eingebrannt. Der Mittelstand wäre wehklagend abgestiegen. Der Industrie wäre mit verdoppelten Zinsen ein gewaltiger Kostenknebel ins Rad geworfen worden. Heute drücken die soliden öffentlichen Finanzen die Zinsen und machen den Frankenkurs erträglich.
Die Budgets der Kantone, vor allem aber des Bundes, wären durch die Zinszahlungen schwer defizitär geworden. Zu 5 Prozent kämen auf den Bund mit den 130 Milliarden Neuschulden Zinsen von 6,5 Milliarden hinzu – die Kosten der ganzen anvisierten Armeeausrüstung sofort und jährlich wiederkehrend.
Bankenrettungen ruinierten Europa und USA
Die langfristigen Folgen von Bankenrettungen für den Finanzmarkt sehen wir klar seit der Finanzkrise 2008. Die enormen Milliardenhilfen in Italien, Frankreich, den Niederlanden, England und den USA schoben diese in eine Liga hochverschuldeter Staaten. Da niemand bereit war, diese Ausgaben wieder einzusparen, wachsen die Schuldentürme ungebremst weiter. Die Zinsen darauf sind längst nicht mehr aus den Einnahmen zu bezahlen. Dazu müssten die Budgets einen Überschuss vor Zinsen ausweisen («Primärsaldo»).
Dieser wurde nie wieder erreicht, sondern die Zinsen werden als neue Schulden aufgestapelt.
Was als vorübergehende Ausnahme begründet wurde, hat sich zu einem andauernden Schneeballsystem entwickelt. Die Defizite werden endemisch.
Diese Schuldendynamik ist ausweglos. Dass diese Blase noch nicht geplatzt ist, hängt am zweiten Notgriff dieser Staaten: Die Notenbanken kauften diese Schulden auf, je um die 8000 Milliarden Euro und Dollar in Europa und in den USA. Damit stieg die Geldschöpfung an, die Inflation auch.
Heute regieren die Notenbanken. Man verfolge nur das monatliche Zittern der Finanzinvestoren, ob EZB und Fed die Zinsen senken oder anheben. Der freie Zins als Druckmesser des Marktes ist ausgeschaltet. Die angekündigten Rüstungsausgaben werden einen neuen Zyklus dieser in Schulden verschränkten Notenbanken und Defizitstaaten auslösen. Ohne neue Schulden und neue Kunstgriffe der Notenbanken geht es nicht. Sogar die einst solide Bundesrepublik wird dies mit den Riesenschulden des Kanzlers Merz brauchen. Die USA haben bereits deutlich höhere Zinskosten als Militärausgaben.
Es geht anders
Das Kontrastprogramm wurde von Island, Zypern und ansatzweise von Griechenland vorgelebt. Sie liessen die Grossbanken ganz oder teilweise fallen. In Island und Zypern wurden Aktionäre, Obligationäre, in Zypern sogar die grossen Einleger ungerührt zur Kasse gebeten. Doch nach kurzem Schock und rasantem Rückgang des BIP fanden sich rasch neue Investoren für die solcherart ohne massive Staatsmittel verschlankten Bankfirmen.
Die Bankkrisen wurden nicht verschleppt, die Köpfe wurden klar, und Island sowie Zypern wuchsen sofort wieder mit Jahresraten von 5 bis 6 Prozent.
Demgegenüber schleppen sich Italien, Frankreich sowie Spanien heute noch mit kläglichen Schrittchen weiter, die Schulden sind dank Mario Draghis Wort «whatever it takes» immer noch da und werden freventlich weiter angehäuft.
Sogar Griechenland mit seinen sanierten Banken, aber auch mit drastischen Einschnitten ins Staatsbudget wuchs schneller als Italien, das noch immer aus Brüsseler Kassen hochgepumpt wird – aber nicht spart, so wenig wie Frankreich.
Hätte nun die Schweiz vor zwei Jahren die CS-Garantie auszahlen müssen oder würde sie irgendwann den viel grösseren Krisenfall UBS aus Staatsmitteln stemmen müssen, dann wären die jahrzehntelang aufgebaute Solidität und der gute Ruf ruiniert. Der Frankenkurs würde fallen, die Inflation würde importiert. Die beim CS-Fall angerufene «Rettung» des Finanzplatzes hätte sich in seine Abschaffung verkehrt. Und mit einer jahrelang verschleppten Sanierung würde der «Engelskreis» der Nachkriegszeit beerdigt – Budgetüberschüsse, tiefe Zinsen für alle, starker Franken gegen importierte Inflation und für den Kaufkraftgewinn aller.
Daher bleibt im Krisenfall nur der rasche Schnitt wie in Island und in Zypern.
Immer wieder dieselben Fallen
Der erhöhte Kapitalpuffer der UBS, wie ihn die Finma fordert, soll nun diesen Fall überhaupt vermeiden helfen. Das dürfte eine Illusion sein. Solches «Kapital», solche Reserven sind keine Goldsäcke im Keller, sondern überall platzierte Guthaben. Das Teilreserven-System bedeutet, dass die Einlagen-Versprechen der Banken in Panikzeiten leer sind – sie haben viel mehr ausgeliehen als Einlagen erhalten.
Auch wenn die UBS selber normalerweise seriös arbeitet, kann die Krise von aussen kommen, wenn nichts mehr normal ist. Die Schuldenwirtschaft in Dollar und Euro wird einmal kollabieren. Die Anleger werden fliehen, die Zinsen steigen, die Wirtschaft wird stagnieren, die Wähler werden rebellieren – und die Notenbanken werden wieder mit Inflationierung reagieren.
Dann aber werden sicher geglaubte Kapitalpuffer entwertet.
Hatte nicht die seriöse Nationalbank 2022 fast ihr ganzes Eigenkapital innert Monaten verloren – 132 Milliarden Franken –, weil sich alles aussen gegen sie verschwor? Die Aktienkurse fielen um 20 Prozent, die aufgekauften Staatsanleihen ebenso, weil die Zinsen auf den Anleihen der Schuldenstaaten innerhalb dieses Jahres von 1,6 auf 4,25 Prozent anschwollen, ohne dass Krise war; und der Euro fiel um 5 Prozent.
Dass sich die Kapitalmarktzinsen in diesem Krisenfall verdoppeln, wie oben geschrieben, ist somit noch eine harmlose Annahme. Dies alles heisst, dass ein Kapitalpuffer in einem Krisenfall des internationalen Finanzsystems kein Ruhekissen ist, wie er das auch nicht 2000 war (Dotcom-Blase), 2008 (Finanzkrise) oder 2020 (Covid). Solche Krisen sind häufig, auch wenn das breite Publikum, darunter auch die Politiker, dies immer vergessen und verdrängen.
Dann gilt das ebenfalls schöne Wort des Finanzautors James Grant «Der Fortschritt ist kumulativ in Wissenschaft und Technik, aber zyklisch im Finanzwesen». Finanzleute, Anleger und Regulierer stolpern immer wieder in dieselben Fallen. Und wie der CS-Fall belegte, sind die Regulatoren der Finma immer hinter der Kurve.
Wer sich im Volk umhört, trifft niemanden, der glaubt, eine Rettung der UBS könnte gelingen.
Plakat: «Wird nicht gerettet»
Dagegen gilt es sich vorzusehen. Der Bund muss laut und glaubwürdig sagen, dass eine grosse Bank nie gerettet wird. Besser noch ist eine Gesetzes- oder Verfassungsnorm, die es solchen Banken vorschreiben würde, in ihren Filialen und online dick anzuschreiben: «Wird nicht gerettet.» Dann würden die Kunden allenfalls selbst ihre Beziehungen unter mehreren Banken streuen, das System dekonzentrierte sich spontan.
Ebenso gut wäre, das Trennbankensystem für alle Banken vorzuschreiben – also die Investmentaktivitäten auszugliedern. Dies war auf dem grössten Finanzplatz, in den USA, von 1933 bis 1999 die Regel. Nur acht Jahre nach der Aufhebung raste das Finanzsystem in die Tiefe, die UBS mit ihm.
Es hilft nicht, Maximalanteile der Investmentbank an der Universalbank festzulegen. Was lange gärt, wird endlich Wut: Man kann wetten, dass wir in den nächsten Jahren immer wieder Bank-Volksinitiativen erleben werden, von sanft bis radikal.
Minimale politische Vorsicht gebietet dem Parlament, vorausschauend zu legiferieren – und sie rät der UBS, auch selber ein wenig vorauszudenken.

Beat Kappeler
«Geld in falschen Händen – Überschuldete Staaten und haltlose Notenbanken schrauben am Geldwert»
Eigenverlag, 2024, 23 CHF, im Buchhandel oder direkt bei
beat-kappeler@bluewin.ch bestellen.
Aus dem Text des Buch-Covers: «Die USA und die Euroländer hinter den Währungen sind tief verschuldet. Sie werden mit einer enormen Geldsause gestützt. Der Franken steigt und steigt, bedrängt Exporteure und Arbeitsplätze.
Dieses Buch geht den Ursachen nach, zeigt unbekannte Originaldokumente der Notenbanken und Finanzpolitiker, zeigt dem Bürger und Sparer wie er herumgeschoben wird.
Der Blick zurück in die Geschichte belegt stabiles Geld dank Wettbewerb zwischen den Geldsystemen, privaten und staatlichen. Der Ausblick zeigt viele neue Konzepte dazu.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Früher hatten die nationalen Grossbanken die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es den Sparern und Anleger gutgeht, weil die Guthaben sicher angelegt und verwaltet wurden. Die Wirtschaft und die Privaten wurden mit Krediten versorgt, um investieren oder Häuser oder Wohnungen etc. etc. pp kaufen zu können. Der Staat hatte sichere Steuereinahmen, weil es den Bürgern und der Wirtschaft gutging. Und es mussten keine Milliarden verpulvert werden für Rettungsversuche.
Die nationalen Grossbanken wurden globalisiert und zu Geldstaubsaugern umfunktioniert, die das Geld der Staaten, der Wirtschaft und der arbeitenden Menschen aufsaugen, damit es den Gamblern gutgeht. Mit anderen Worten: Der Staat soll Grosszocker-Stuben retten, damit weiter erfolgreich abgezockt werden kann.
Gunther Kropp, Basel
«Besser noch ist eine Gesetzes- oder Verfassungsnorm, die es solchen Banken vorschreiben würde, in ihren Filialen und online dick anzuschreiben: «Wird nicht gerettet.»
TOP! Genau das brauchen wir. Kann doch nicht sein, dass eine private Bank vom Staat (STEUERGELD) gerettet werden soll.
Was soll dann der Staat sonst noch «retten»? Migros, Hotels, Skilifte, Kitas, usw.
Ich mag Ökonomen wie Beat Kappeler oder auch Yanis Varoufakis. Deren Erklärungen verstehe ich auch als Normalo und es ist immer erschreckend. Leider ändert sich nichts, auch wenn es Frauen und Männer in der Wirtschaftswissenschaft gibt, die nicht realitätsfremd leben. Aber diese Religion, denn unsere Finanzwirtschaft basiert nur auf Glauben, wird nie, nie, nie, nie, niemals sterben. Ich habe mich auf das Jahr 2032 eingestellt. Dann kommt der nächste wirklich grosse Crash mit ein paar Vorbeben so um 2027. *zwinkersmiley*
Aber es wird danach wieder so unverblümt weiter gehen. Denn Revolutionen sind verboten und werden von unseren PolitikerInnen im Keim erstickt.
Trotzdem danke Herr Kappeler.