Sperberauge

Pharmastandort Schweiz: An jedem Kiosk gibt’s Arzneimittel

Sperber für Sperberauge Version 2025 © Bénédicte

Martina Frei /  Über 30 Bonbons sind in der Schweiz offiziell als Arzneimittel zugelassen.

In der Migros, im Coop und an praktisch an jedem Kiosk werden in der Schweiz Arzneimittel verkauft. Denn mehr als zwei Dutzend Hustenbonbons oder Halspastillen sind hierzulande in Wahrheit Arzneimittel.

Allein elf verschiedene Sorten «Fisherman’s Friend» Pastillen beispielsweise hat Swissmedic als Arzneimittel registriert. Schon seit 1956 – wer hat’s erfunden? – stehen «Ricola Kräuterzucker Halsbonbons» auf der offiziellen Schweizer Arzneimittelliste, «Bonherba classique Kräuter Halsbonbons» seit 1964.

Um als Medikament zugelassen zu werden, muss das Bonbon lediglich bestimmte Bedingungen erfüllen. Auch wie dafür geworben werden darf, ist vorgeschrieben: «Befreit die Atemwege, erfrischt, beruhigend im Hals, extra stark im Geschmack» sind zum Beispiel zulässige Aussagen.

Swissmedic verdient mit

Der Antrag auf Zulassung als Arzneimittel ist gebührenfrei. Danach hält Swissmedic die Hand auf: 6,5 Promille des Fabrikabgabepreises pro Packung gehen an die Behörde.

Ein Vorteil für die Bonbon-Hersteller: Sie dürfen ihre Produkte mit Gesundheitsanpreisungen bewerben. «Um das beanspruchte Anwendungsgebiet rechtfertigen zu können» muss jedes Bonbon einen minimalen Gehalt an Wirkstoffen enthalten, zum Beispiel eine Mindestmenge an ätherischem Öl wie Eukalyptus oder eine Pflanzenzubereitung. Anwendungsgebiete sind je nach Zusammensetzung etwa «Befreiung der Atemwege», «Halsweh», «Heiserkeit» oder «erkältungsbedingte Austrocknung des Mund- und Rachenraumes». Ein Wirksamkeitsbeweis hingegen ist nicht nötig.

… und den Importeur freut’s ebenfalls

«Aufgrund des Heilmittelgesetzes dürfen die «Fisherman’s Friend» einzig vom offiziellen Importeur eingeführt werden […] Dies schlägt sich auf den Preis nieder: In der Schweiz kosten die Pastillen umgerechnet über 170 Prozent mehr als in Deutschland», klärt die Ausstellung «Hauptsache Gesund» im Stapferhaus Lenzburg auf.

Die allermeisten dieser über 30 «Medikamente» sind auf unbegrenzte Zeit zugelassen. Bei ganz wenigen jedoch müssen sich Kranke, die darauf schwören, sputen: Stand jetzt sind «Ricola Orangenminze Hustenbonbons» gemäss der offiziellen Liste nur noch bis 3. Mai als Arzneimittel registriert, «Fisherman’s Friend Mint Halspastillen» noch bis 30. Juni. Danach sind es bloss noch Bonbons.

Dies wiederum hätte einen Vorteil fürs Portemonnaie: Denn als Lebensmittel deklariert, dürften sie parallelimportiert werden – und damit könnte ihr Preis sinken.


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