Aufrüstung mit Steuern statt Schulden finanzieren
Exerzieren wir das mal am Beispiel von Deutschland durch: Es geht um gewaltige Zahlen. 400 Milliarden Euro für die Infrastruktur. Und eine Erhöhung des Verteidigungsetats von bisher gut einem auf vier Prozente des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das sind noch einmal über 100 Milliarden. Total: Gut 500 Milliarden.
Da scheint es klar, dass diese Summe nur durch zusätzliche Verschuldung aufgebracht werden kann. Und es gibt auch wenig Zweifel, dass die Kapitalmärkte das locker schaffen werden. Es reicht, wenn die deutschen Haushalte rund 5 Prozent ihres Reinvermögens von 9000 Milliarden Euro umschichten. Doch auch die globalen Finanzkonglomerate wie BlackRock dürften daran interessiert sein, einen Teil der von ihnen verwalteten 11’500 Milliarden Dollar in die Rüstungsindustrie zu investieren.
Alles klar: Die Auf- und Nachrüstung muss und kann mit Krediten finanziert werden.
Doch ist das wirklich so?
Diese Ausgaben müssen ja nicht nur beschlossen und finanziert werden. Es geht auch darum, die Brücken, Schulhäuser und Waffensysteme zu bauen und die dazu nötigen Arbeitskräfte zu rekrutieren. Mehr Waffenschmieden, weniger Steuerberater. Die Politiker, die diese Ausgaben beschlossen haben, können nicht davon ausgehen, dass ihre Wirtschaft auf Knopfdruck mehr produzieren kann. Also muss das BIP umgeschichtet werden. Generelle Stossrichtung: Weniger Privatkonsum, mehr staatliche Ausgaben. In Deutschland belaufen sich die staatlichen Investitionen und die Militärausgaben bisher auf rund 180 Milliarden Euro. Schon 43 Milliarden mehr wären ein Kraftakt.
Doch diese 43 Milliarden sind letztlich doch nur ein Prozent des BIP. Und dieses eine oder vielleicht sogar zwei Prozent liessen sich auch über Steuern finanzieren. Damit würde man die privaten Ausgaben reduzieren und so volkswirtschaftliche Produktionskapazitäten freilegen, mit denen man die Infrastruktur wieder funktionstüchtig und die Armee verteidigungsfähig machen könnte. Den privaten Konsum kann man aber auch dadurch bremsen, dass man die Zinsen erhöht.
Und dies wiederum erreicht man dadurch, dass die Staaten im grossen Stil Schulden machen und damit die Kapitalmärkte belasten. Dazu schreibt die NZZ: «Vor einigen Jahren zahlten die Regierungen durchschnittlich nur 1 Prozent Zins, doch jetzt müssen sie mit 4 Prozent rechnen.»
Doch auch schon Zinserhöhungen von «nur» einem bis zwei Prozentpunkten würden die Kaufkraft der Mieter mindestens ebenso sehr senken wie eine entsprechende Steuererhöhung. Auch alle privaten Investitionen würden sich stark verteuern. Damit würden die volkswirtschaftlichen Produktionskapazitäten frei, die das Land für seine Infrastruktur und Militärausgaben braucht. So gesehen erfüllen höhere Steuern und die durch Kreditaufnahme ausgelösten höheren Zinsen denselben Zweck.
Die Zinsen zahlen alle
Aber die volkswirtschaftlichen Kosten der Kreditaufnahme sind sehr viel höher, denn zu den Milliarden für Investitionen und Rüstung kommen nun noch die Milliarden für die Kreditzinsen dazu. Vier Prozent von 500 Milliarden sind schon mal gut zwei Milliarden – jährlich.
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die höheren Zinsen betreffen nämlich nicht nur die Neuverschuldung, sondern auch alle bestehenden Staatsschulden: In Deutschland sind das aktuell rund 2700 Milliarden Euro. Für alle westlichen Industrieländer handelt es sich laut OECD um 59’000 Milliarden Dollar.
So gesehen kostet jeder Prozentpunkt mehr Zins, rund 600 Milliarden Dollar. Volkswirtschaftlich betrachtet sind das aber keine Kosten, sondern reine Umverteilung – noch mehr Umverteilung. Und zwar im Wesentlichen von den armen zu den 10 Prozent reichsten Haushalten, die über rund 70 Prozent aller Finanzvermögen verfügen.
Darin liegt ein weiterer Nachteil, denn Finanzvermögen müssen verwaltet werden. Auch das kostet sehr viel Geld und verschlingt Ressourcen, welche die Welt besser brauchen könnte. Weltweit betragen die Finanzguthaben etwa das Fünffache des globalen BIP. Ein Prozent Vermögensverwaltungskosten verschwenden somit etwa 5 Prozent des BIP.
Ein weiterer Vorteil der Finanzierung mit Steuern liegt darin, dass kein Staat die Steuern erhöhen kann, ohne ein Mindestmass an sozialen Rücksichten walten zu lassen. Bei der Kreditfinanzierung ist das nicht der Fall. Wer durch steigende Zinsen geschädigt oder gar ruiniert wird, ist den Launen der Märkte überlassen. Auf der anderen Seite ist genau dies einer der Gründe, warum im politischen Prozess die Finanzierung via Schulden den Steuern vorgezogen wird. Bei der Besteuerung ist klar, wer bezahlen muss – und damit einen Grund hat, sich zu wehren. Bei einer Kreditfinanzierung bleibt die Lastenverteilung unklar.
Schliesslich bestünde auch noch die Möglichkeit, die – realistischerweise – jährlich vielleicht 50 Milliarden zusätzlichen Ausgaben – oder einen Teil davon – dadurch zu finanzieren, dass die Notenbank das nötige Geld einfach druckt, bzw. dem Staat oder einem EU-Verteidigungsbündnis schenkt.
Fehlende Debatten
Dagegen wird argumentiert, dass die EU-Verträge dies verbieten und dass mit dieser «Geldschöpfung aus dem Nichts» die Inflation angekurbelt würde. Auf der positiven Seite steht aber, dass der ärmere Teil der Bevölkerung Zinszahlungen an die Reichen vermeiden kann. Zudem könnte eine solche Geldspritze die Konjunktur ankurbeln und das Lohnniveau anheben. Die genauen Auswirkungen einer solchen Finanzierung sind unklar.
Darüber müsste man diskutieren. Doch genau das geschieht nicht.
Und noch andere Fragen werden zumindest in den Leitmedien kaum diskutiert. Wie realistisch ist das Szenario eines russischen Angriffs auf das Baltikum, geschweige denn auf Polen wirklich? Wo genau liegen die Abwehrlücken des Westens? Müssen wir wirklich 4 Prozent des BIP aufwenden, um diese zu schliessen? Wie sieht ein möglicher Weg zu einem dauerhaften Frieden in Europa aus? Darüber möchte man als interessierter Zeitgenosse gern mehr erfahren.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Vontobel schreibt am Schluss seines Artikels: „Und noch andere Fragen werden zumindest in den Leitmedien kaum diskutiert. Wie realistisch ist das Szenario eines russischen Angriffs auf das Baltikum, geschweige denn auf Polen wirklich?“
Auch der so genannte Atomwaffenschutzschirm soll in Europa ausgebaut werden. Die Schweizer Geldhäuser investieren den auch Milliarden in Firmen die Atombomben herstellen. – Ein Schirm kann bei Regen benutzen werden. Wenn der Atomschirm einmal benutzt würde, würde die ganze Menschheit ausgerottet. –
Wie stark ist Russland? 2023 betrugen die Militärausgaben Russlands 109 Milliarden US-Dollar. Jetzt sind es sicher mehr, 2023 gab die NATO, ohne die USA 425 Milliarden USD Dollar für das Militär aus und die NATO mit den USA 1’341 Milliarden USD. Das Bruttosozialprodukt Russlands betrug 2023 2010 Milliarden USD. Es war kleiner als das von Italien von 2301 Milliarden USD. Das Bruttosozialprodukt von Deutschland betrug 2023 4527 Milliarden USD.
@Heinrich Frei:
Aus den Rüstungsausgaben Russlands können Sie nicht auf die Gefährlichkeit für Westeuropa schließen.
Wenn bei uns (fast) alle Leitmedien schreiben, wie sehr wir gefährdet seien, ist dies m.E. ein vom DeepState unserer Freunde USA eingetrichtertes Vorurteil.
Der Autor schreibt hier von einem Deutschland dessen Wirtschaft seit über 2 Jahren schrumpft, trotz 200+ Milliarden Leistungsbilanzüberschuss pro Jahr, also die Binnennachfrage extrem schwach ist – und er schlägt vor den privaten Konsum zu drücken!!
Die Produktionsanlagen sind viel zu schlecht ausgelastet, der Auftragseingang im verarbeitenden Gewerbe ist seit 2+ Jahren schlecht und bis zu den aktuellsten Zahlen abnehmend – aber W. Vontobel möchte noch mehr Kapazitäten freilegen??
Die Arbeitslosenquote in DE ist bei 6.4%(!) und steigend – er schlägt vor überflüssige Buchhalterjobs zu streichen weil man sonst keine Arbeiter findet!
Ein Artikel voll mit realitätsverweigernder Annahmen.
Am günstigsten und logischsten ist tatsächlich die Finanzierung über Geldschöpfung durch die Notenbank. Zinsbelastete Verschuldung durch souveräne Nationalstaaten wird von MMT als «corporate welfare» bezeichnet und ist letztlich schlicht Plünderung.
Ist die Geldschöpfung durch Nationalstaaten (oder die EZB) aktuell «verboten»? Jein (siehe QE), und so oder so ist das kein Naturgesetz, sondern ein rein politischer Entscheid, beeinflusst durch die Banken- und Kapitalmarktlobby, die vom corporate welfare profitiert.
Verursacht Geldschöpfung Inflation? Das ist ein längst widerlegter Mythos. Konsumentenpreise werden durch Rohstoffpreise, Energiepreise, Lohnkosten, Profitmargen usw. bestimmt. Anders bei «assets» wie Aktien und Immobilien. Deren Preis steigt aber auch durch Geldschöpfung via Bankkredite. Bei Bedarf kann das zusätzliche Geld ohnehin wieder über Steuern und Lenkungsabgaben eingezogen werden.
Hätte der Westen der Ukraine nicht nur scheibchenweise Waffen geliefert wären die Russen schon längst wieder zuhause. Heute ein europaweite Aufrüstung ist für mich reine Heuchelei, respektive Geschäfte-Macherei.
@Ruedi Basler:
Ganz einverstanden: Die aktuelle Hyperaktivität der EU-Staaten ist reine Heuchelei und Geldmacherei für die eigenen Rüstungskonzerne.
>»Hätte der Westen der Ukraine nicht nur scheibchenweise Waffen geliefert wären die Russen schon längst wieder zuhause.»
Das schreiben unsere sog. Leitmedien, aber das glaubt nur wer vom DeepState unserer Freunde USA eine Gehirnwäsche bekommen hat…