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Pestizide verteilen sich am Oberrheingraben über weite Strecken, beweist eine Untersuchung. © RPTU, Ulrike Eberius - multimedia-atelier.de

Pestizide verbreiten sich bis auf Berggipfel

Daniela Gschweng /  Der Wind trägt Spritzgifte auf Spielplätze, in Naturschutzgebiete und bis auf Berggipfel, weist eine Untersuchung nach.

Synthetisch-chemische Pestizide breiten sich über erstaunlich weite Strecken aus. Forschende der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) wiesen dies in einer umfangreichen Studie einmal mehr nach. Die Chemikalien finden sich selbst weg von Äckern, wo niemand mit ihnen rechnet.

In ihrer im Fachmagazin «Communications Earth & Environment» veröffentlichten Arbeit untersuchten die Forschenden aus der Pfalz verschiedene Standorte am Oberrheingraben. Dabei fanden sie Pestizide kilometerweit weg von Stellen, an denen sie angewendet werden.

Um ein räumliches Verteilungsprofil zu erstellen, nahmen sie im Sommer 2022 Proben von Gewässern, Pflanzen und Boden. Dies geschah entlang von sechs Messpfaden, die in etwa quer zum Rhein verlaufen und von der Rheinebene bis hinauf in den Schwarzwald reichen.

Messpfade Pestizide Rheingraben
Der Oberrheingraben ist eine Region mit ausgeprägter Landwirtschaft. Die Probennahme erfolgte auf sechs sogenannten Transsekten im Gebiet zwischen Basel und Mannheim (weisse Punkte).

Der Oberrheingraben zwischen Basel und Bingen ist ein Gebiet mit ausgeprägter Landwirtschaft und grenzt an Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Die Pestizide kamen überall hin. 97 Prozent aller Boden- und Pflanzenproben und 83 Prozent aller Wasserproben enthielten Spritzgifte.

Von den 93 verschiedenen Wirkstoffen, auf die die Forschenden ihre Proben prüften, fanden sich ausserhalb landwirtschaftlicher Flächen noch immer 63. Das sind mehr als doppelt so viele Wirkstoffe wie im Vinschgau, einem bekannten Apfelanbaugebiet in Südtirol. Der Vinschgau ist für seinen intensiven Pestizideinsatz bekannt.

Die Vielfalt der landwirtschaftlichen Kulturen im Oberrheingraben sei aber auch grösser, kommentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Bereits im Vinschgau hatte sich herausgestellt, dass Pestizidwirkstoffe weit über die Apfelplantagen hinaus bis in die hohen Alpenregionen gelangen (Infosperber berichtete).

PFAS-Ewigkeitschemikalie am weitesten verbreitet

Die Studie belegt erneut, dass selbst abgelegene Gebiete nicht pestizidfrei sind. Sogar auf dem Feldberg wurden drei verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen. Am weitaus häufigsten fand sich das Fungizid Fluopyram, das zu den PFAS gehört. Fluopyram zerfällt zu Trifluoracetat (TFA) – ein PFAS, das im Verdacht steht, gesundheitsschädlich zu sein, und zunehmend das Wasser verschmutzt (Infosperber berichtete).

Das Bayer-Fungizid ist bekannt dafür, sich mit dem Wind über weite Distanzen zu verbreiten. In der Schweiz und in EU-Ländern kam es bereits zu Schadenersatzprozessen. Fluopyram ist in der EU vorerst bis Mitte 2026 zugelassen. Organisationen wie das Pesticide Action Network (PAN) setzen sich gegen eine Verlängerung der Zulassung ein.

In den Wasserproben fand sich neben Fluopyram (in 94 Prozent der Proben) häufig das Insektizid Pirimicarb (67 Prozent), das Herbizid Metazachlor (63 Prozent), und das Insektizid Tebufenozid (63 Prozent). Im Boden dominierten Fluopyram, Boscalid und Spiroxamin, in der Vegation Fluopyram, Spiroxamin und Cyflufenamid.

«Unsere Ergebnisse sind eindeutig: Pestizide verbreiten sich weit über Felder hinaus», sagt Hauptautor Ken Mauser. Begegnen könne man ihnen auch auf Spiel- und Sportplätzen. Und bis in die Schwarzwaldhöhen – dort, wo man eigentlich mit sauberer Luft rechnet. Nicht zuletzt schaden Pestizide an Stellen, an denen sie nichts zu suchen haben, der Tier- und Pflanzenwelt.

Unterschätzter Cocktail-Effekt

Die Forschenden aus Landau haben in fast allen Proben Gemische aus mehreren Stoffen entdeckt. Dieser Cocktail-Effekt ist womöglich besonders schädlich. «Pestizidcocktails sind besonders problematisch, da Wechselwirkungen auftreten und sich Effekte verstärken können», sagt der Ökotoxikologe Carsten Brühl, einer der Co-Autoren. Bei der Zulassung werde aber nach wie vor jede Chemikalie einzeln bewertet.

Die Studienautorinnen und -autoren fordern, den Pestizideinsatz dringend zu reduzieren, um die Gebiete rund um Äcker, Weinberge und Obstplantagen und damit die Gesundheit der Menschen und die Umwelt zu schützen.


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