Sicherheitsgarantien für die Ukraine – aber wie?
Es braucht Sicherheitsgarantien für ein Ende des Krieges in der Ukraine. Sie sind Voraussetzung für einen Frieden, der hält. Darin zumindest sind sich alle einig. Doch damit hat es sich schon. Wie die Garantien zu gestalten sind, darüber driften die Meinungen auseinander. Jüngst wurde es offenkundig: drei Exponenten des europäischen Ukraine-Bündnisses – drei Meinungen.
Präsident Selensky wünschte sich einen Nato-Beitritt als beste Variante, der britische Premier Starmer glaubte, «dass Amerika Teil einer Garantie sein muss», der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bezeichnete als wichtigste Sicherheitsgarantie, «der ukrainischen Armee die notwendigen Mittel zu geben».
Europa weiss nicht, was es will
Die Sicherheitsgarantie Nato-Beitritt ist seit Donald Trump im Weissen Haus «vom Tisch». Er hat dekretiert, Europa statt die Nato müsse die Sicherheit garantieren, dafür bezahlen und die Truppen stellen. Den für die Ukraine «unumkehrbaren Weg zur vollständigen Euro-atlantischen Integration, einschliesslich der Nato-Mitgliedschaft», die der Nato-Gipfel 2025 in Washington noch vorgezeichnet hatte, degradierte er «unumkehrbar» zur Sackgasse.
Seither sucht Europa nach einem Ausweg. Treffen über Treffen folgen sich in hohem Tempo. Mal in kleinem Kreis auserwählter Länder in Paris, mal in einem mittelgrossen Kreis in Brüssel, zuletzt in London ein Sicherheitsgipfel, zu dem der Gastgeber Starmer 12 EU-Mitgliedländer, die Ukraine, Kanada, Norwegen sowie die Chefs der Nato und der EU-Kommission und des EU-Rats als Aspiranten für eine «Koalition der Willligen» geladen hatte.
Ein EU-Sondergipfel mit der Ankündigung, Europa rüstet auf, fand soeben statt. Nächste Woche folgt ein Treffen einer «Koalition der Willigen». In zwei Wochen ist ein nächster EU-Gipfel fällig. Die EU-Kommission wird ein Weissbuch der EU-Kommission zur gemeinsamen Verteidigung vorlegen.
Dazwischen machten sich der französische Präsident Emanuel Macron und der britische Premier Keir Starmer zu Bittgängen nach Washington auf. Sie warben beim US-Präsidenten um eine Beteiligung zumindest für Logistik, Sicherung des Luftraums und Geheimdienstinformationen, um Russland abschrecken zu können. Es folgte der Eklat zwischen Selensky und US-Präsident Trump und seinem Vize Vance und schliesslich der Bückling Selenskys kurz danach.
Erstmals seit der Invasion der Ukraine redet Europa über einen eigenen Friedensplan. Wie er aussieht und wie die Sicherheit der Ukraine garantiert werden könnte, darüber zeichnet sich noch keine europäische Strategie ab.
Welche Art von Sicherheitsgarantie?
Sicherheitsgarantien sind letztlich die entscheidende Frage. Wie stehen die Chancen, damit ein Frieden auch wirklich hält, ein Abkommen nicht gebrochen wird, wie es den Minsker Abkommen von 2014 und 2015 widerfahren ist? Was kann und muss Europa leisten, nachdem der US-Präsident die Aussicht auf einen Nato-Beitritt der Ukraine «vom Tisch gefegt» und die Entsendung eigener Truppen ausgeschlossen hat? Noch gibt sich Europa ziemlich ratlos.
Emma Ashford vom Stimson Center in Washington hat in der einflussreichen US-Strategie-Zeitschrift «Foreign Affairs» die verschiedenen Optionen analysiert und geprüft nach dem Kriterium «Wie kann ein Friedensabkommen so gestaltet werden, dass es Russland nicht Anreiz bietet, wieder aufzurüsten und zu versuchen, in den kommenden Jahren weitere Teile der Ukraine zu erobern?».
- Bilaterale Beistandsabkommen einzelner Länder
- Entsendung europäischer Truppen
- Aufrüstung der Ukraine
- Europäische Sicherheitspolitik mit Rüstungskontrolle
«Abschreckung beginnt zu Hause»
Für Ashford ist klar. «Die Ukraine muss ihre Sicherheit selber garantieren können.» Denn «Abschreckung beginnt zu Hause». Die Ukraine müsse über ein wiederaufgebautes und angemessen versorgtes Militär verfügen können. Im Unterschied zu heute müsse sie weniger abhängig von Waffenlieferungen aus dem Westen werden. Die Unterstützung von aussen müsse auf den Aufbau einer eigenen Verteidigungsfähigkeit ausgerichtet sein. Ashford qualifiziert dies als Hilfe zur Selbsthilfe.
Zentral sei aber, welche Waffen das Land brauche. Je nachdem stehen die Chancen für ein mit Russland abzuschliessendes Abkommen besser oder schlechter. Die Ukraine müsse deshalb Beschränkungen für Waffen akzeptieren. Sie brauche weniger High-Tech-Waffensysteme, als vielmehr einfachere Systeme wie Drohnen, die sie selber produzieren kann. Auch Minen und der Bau von Festungen würden die Eroberung der Ukraine erschweren. Es brauche aber beispielsweise keine hochwertig ausgerüsteten Kampfjets für eine «robuste Abschreckung».
Länder wie Frankreich, Grossbritannien oder Polen haben mit der Ukraine bereits bilaterale Abkommen abgeschlossen. Doch Ashford hält diese für wenig wirksam. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf Waffenlieferungen und die Ausbildung von Soldaten. Die Entsendung von Truppen ist nicht vorgesehen. Dazu waren die Verbündeten der Ukraine bisher nicht bereit.
Truppen aus Nato-Ländern als Risiko
Inzwischen wird zwar über die Entsendung europäischer Truppen diskutiert. Ashford sieht sie kritisch: «Erhebliche Probleme» wären damit verbunden. Die erforderliche Truppengrösse von mindestens 40’000, aber möglicherweise bis zu 200’000 Soldaten entlang der rund 900 Kilometer langen Frontlinie, die es für die Durchsetzung eines Friedens und die Abschreckung Russlands brauchte, überfordere die europäischen Staaten.
Truppen aus Friedensmissionen in anderen Weltgegenden müssten zurückgezogen und die eigenen Nato-Plangrössen vernachlässigt werden. Hinzu käme das Risiko, dass eine so grosse Truppenpräsenz aus Nato-Ländern Russland provoziere. Statt Russland abschrecken könnte Europa in den Krieg in der Ukraine hineingezogen werden.
Abschreckend würden europäische Truppen nur wirken, wenn die USA diese logistisch und durch Luftabwehr unterstützten. Doch dazu scheint Donald Trump nicht bereit zu sein. Jedenfalls haben ihn die jüngsten Bittgänge des französischen Präsidenten Macron und des britischen Premiers Starmer nicht umgestimmt.
Neue europäische Sicherheitsarchitektur
Bei den Bemühungen, die ukrainische Abschreckung zu stärken, sollte die «noch ehrgeizigere Aufgabe» nicht vergessen gehen, tiefere Ursachen des Konflikts zu beseitigen, meint Ashford. Sie erinnert an die nach dem Zerfall der alten Ordnung des Kalten Krieges erfolgte Erweiterung der Nato und der EU ostwärts und die gleichzeitige Marginalisierung Russlands in den Diskussionen über die Sicherheit in Europa.
Das rechtfertige in keiner Weise Russlands Verhalten gegenüber der Ukraine und auch gegenüber Georgien und anderswo. Um ein «Wiederaufflammen des Konflikts in der Ukraine und ähnliche Konflikte in der Region zu verhindern», müsse die europäische Sicherheitspolitik aber mit Rüstungskontrolle und der Rückkehr zum Dialog mit Russland verbunden werden. Damit liessen sich die Risiken und Ängste in Osteuropa mindern und die Wahrscheinlichkeit künftiger Konflikte verringern.
Sicherheitsgarantien sind aber nur eines der Probleme unter vielen, an denen ein Abkommen über das Kriegsende scheitern kann.
Weitere Hürden
- Territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine,
- Wie mit den Sanktionen umgehen?
- Wie die Truppen und Waffenarsenale entflechten?
- Wie die Ukraine militärisch ausrüsten, wie den Waffenstillstand überwachen?
- Wer wird Truppen zur Überwachung stellen?
- Unter welchem Kommando werden sie stehen?
Alle diese und noch weitere Fragen gilt es schliesslich zu klären, sie lassen sich aber nicht auf die Schnelle lösen und schon gar nicht an einem Tag, wie Donald Trump im Wahlkampf geprahlt hatte.
Wie hürdenreich die Suche nach einem dauerhaften Frieden ist, zeigt die soeben vom Geneva Centre for Security Policy publizierte Studie «Drawing a line: A ‘Swiss army knife’ of options for achieving a sustainable ceasefire in Ukraine». (Siehe Kasten.)
Die bisherige Durchhalteparole «as long as it takes» – «so lange wie nötig» – genügt nicht mehr. Die europäischen Unterstützer der Ukraine haben angekündigt, einen eigenen Friedensplan auszuarbeiten. Noch weiss man nicht, wie er aussehen wird. Um über die künftige Sicherheitsordnung auf dem Kontinent mitbestimmen zu können, braucht Europa aber einen Plan.
Ein Werkzeugkasten für einen Waffenstillstand aus Genf
Es gilt die Lehren zu ziehen aus dem Scheitern der Minsker Abkommen von 2014 und 2015. Um zu verhindern, dass ein nächstes Abkommen mehr als nur zeitweise Feuerpausen bringt [von 2014 bis 2022 wurde weiter geschossen mit rund 14’000 Toten], braucht es nicht nur Vereinbarungen, sondern auch vielfältige Überwachungen und Absicherungen. Das «Geneva Centre for Security Policy» unter ihrem Direktor Thomas Greminger hat soeben einen 32-seitigen «Werkzeugkasten» für einen dauerhaften Waffenstillstand in der Ukraine publiziert.
Der «Werkzeugkasten» zählt auf, was alles zu beachten und zu regeln ist:
- Ein Waffenstillstandsabkommen,
- eine Waffenstillstandslinie,
- eine Puffer- und einer Begrenzungszone für schwere Waffen,
- eine internationale Überwachungszone,
- die Entsendung von Überwachungstruppen,
- humanitäre Korridore in der Pufferzone
- Sicherheitsgarantien
- Die Differenzierung zwischen einem Waffenstillstand als erstem Schritt und einem politischen Abkommen in einer nächsten Phase
- Rüstungskontrollen
- ein Stabilitätsabkommen zwischen den USA und Russland
- Diskussionen über die Zukunft der europäischen Sicherheit
Ein hürdenreicher Prozess kündigt sich an.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die Ignoranz des Westens bezüglich den Russischen Anliegen die zu diesem Krieg geführt haben ist bemerkenswert. Sie ist in allen Bemühungen der europäischen Politiker erkennbar. So klar, dass man vermuten könnte dass ein Ende dieses Krieges gar nicht erwünscht ist. Die zentralen Anliegen Russlands waren schon vor Kriegsbeginn formuliert, und nochmals bei den gescheiterten Friedensverhandlungen im April 2022. Wesentlicher Punkt davon ist, dass Russland keine (fremden) Europäischen oder NATO Truppen in der Ukraine dulden wird. Glauben unsere Politiker tatsächlich dass sich dies ändern wird, nachdem Russland soviel in diesen Krieg investiert hat? Im vorgehenden Artikel wird vergessen, dass Donald Trumps Plan einer (friedlichen) Industrialisierung der Ukraine durch die USA auch Sicherheitsgarantien herstellen würde. Es ist sogar so, dass Sergei Lavrow dies in einer Pressekonferenz zustimmend erwähnt hat. Seine Worte – so werden wir schlussendlich links und rechts von den USA umgeben sein.
Der «Werkzeugkasten» kann um ein entscheidendes Mittel ergänzt werden: Frieden durch Annäherung (nach Willy Brandt) mit vertrauensbildenden Massnahmen (Politik, Kultur, Sport etc.)
Wollen wir wieder Jahrzehnte des kalten Krieges oder ein kooperatives Verhältnis mit Europas wichtigstem Nachbarn. Dazu braucht es Verständnis (nicht Rechtfertigung) für das Verhaltens Russlands und Verzicht auf selbstgerechtes «wir sind die Guten, die Russen sind die Bösen» ob das dem fragwürdigen Partner weit weg jenseits des Atlantiks genehm ist oder nicht.
Die nächste Generation wird und danken, dass wir uns nicht in noch mehr Kriegsschulden stürzen.
Wo sind die Politiker die den Spuren von Bahr, Brandt, Gorbatschow u.a. folgen?!
Man sollte den Ukraine-Konflikt als inner-kontinental-europäische Angelegenheit bewerten. Die EU ist bekanntlich eine innereuropäische -Staatengemeinschaft. Das EU-Land Frankreich ist Atommacht. Alle Atomwaffen-Staaten auf dem Globus werden wohl ein Interesse haben, dass es zu keiner atomaren Kriegs-Katastrophe kommt und die Staaten zu Atomwüsten werden. Die EU gibt der der Ukraine-Sicherheitsgarantien und sorgt dafür dass alle Minderheiten in der Ukraine und Baltikum geschützt sind. Es werden keine EU-Truppen oder anderer Staaten in der Ukraine stationiert. Alle Atomwaffenstaaten auf dem Globus werden einen Waffenstillstand anerkennen. Die Ukraine und Russland kommen in den Genuss eines EU-Freihandelsabkommen. Die endgültigen Grenzen werden in einem Friedenvertrag bestimmt.
Gunther Kropp, Basel
Es gibt keine Sicherheitsgarantien durch Stärke, mächtige Partner oder Waffen. Das alles zeigt Angst, Ablehnung und Konfrontation. Solange auf diese Weise Scheinsicherheit herrschen muss, solange kann kein echter, zwischenmenschlicher Austausch erfolgen.
Frieden bedarf des Redens miteinander, der Diplomatie und vor allem des ernsthaften Bemühens, sich für die Sorgen & Nöte des anderen zu interessieren.
Man muss sich um die Menschen selbst kümmern, nicht um deren Ideologien. Das bedeutet, sich zuerst um sich selbst zu kümmern und sich bewusst zu werden, was bloss Ideologie & Moral ist und was die eigenen echten Bedürfnisse sind. Denn unter der aufgesetzten Moral & Ideologie zeigen sich die wahren Bedürfnisse der Menschen, welche sich so ähnlich sind, dass niemals ein Kampf gegeneinander erforderlich ist.
Alle nicht von Moral und Ideologie durchtränkten Säugetiere führen nämlich keine Kriege unter ihresgleichen.
Soweit ich weiß, steht in den Statuten der Nato,dass kein Land aufgenommen wird,dass sich im Krieg befindet. Somit wäre die Ukraine 2025 eh nicht berechtigt in dieses Bündnis aufgenommen zu werden, hat nichts mit Trump zu tun. Ein großes Problem der Ukrainischen Armee ist, dass sie zahlenmäßig viel kleiner ist als die Russische, man kann schon weiter für Milliarden Waffen dorthin senden, es geht der Ukraine nur langsam die Soldaten aus, die diese bedienen. Was ich vermisse in der ganzen Diskussion, was bietet Europa den Russen an, denn ohne Zugeständnisse wird Russland wahrscheinlich kein grosses Interesse haben, diesen sinnlose Schlachten zu beenden, die Zeit und Größen Verhältnisse spielen klar ihnen in die Karten. Leider sehe ich praktisch kein Realitätsbezug bei den erwähnten Anstrengungen der Europäer in dieser leiden Geschichte. Es wäre an der Zeit den Kriegstreibern das Verhandlungsmandat zu entziehen, ansonsten sehe ich keine positive Zukunft.
Man sollte nicht nur militärisch denken. Wie wärs mit einer Abrüstugsvereinbarung zwischen Europa und Russland (wie seinerzeit zwischen Gorbatchow und Reagan). Dies schien damals auch als unmöglich.
Allen diesen Vorschlägen ist eines gemeinsam, so wird es nie funktionieren! Es hängt das Pferd am Schwanz auf !
Russland wird schlicht nicht berücksichtigt und Russland hat so gehandelt mit Einmarsch in die Ukraine, weil seit 20 Jahren Russland provoziert wurde und am Schluss des Spiels die ROTE LINIE überschritten wurde! Obwohl der WESTEN es wusste, nahm er es bewusst in Kauf.
ALSO ist das Hauptaugenmerk auf das russische Sicherheitsbedürfnis zu legen und da die Garantie zu legen.
Desshalb ist es auch unmöglich ein europäisches Heer an die Grenze zu Russland zu positionieren. Das wäre Wahnsinn !
Im Dezember 2021 schickte Russland ein Dokument an Washington und an die NATO, getitelt «Agreement on measures to ensure the security of The Russian Federation and member States of the North Atlantic Treaty Organization», bisher blieb der Versuch der Definition solcher Sicherheitsgarantien für alle ohne Antwort.
Die russische Position ist ja gerade die, dass die Aktivitäten der NATO in der Ukraine seine Sicherheit gefährden, deshalb werden allfällige Sicherheitsgarantien für die Ukraine das Ergebnis von Verhandlungen mit Russland sein müssen. Einseitige Versuche der NATO und der EU, Übereinkünfte mit der Ukraine nach dem Fait accompli Prinzip vereinbaren zu wollen, werden deshalb wohl scheitern und nicht zu Frieden führen, speziell nicht der Versuch der Entsendung von Truppen.
Auch möchte man nochmal darauf hinweisen, dass nach der bisher geäußerten Position Russlands eine An- oder Einbindung der Ukraine an die NATO (wohl auch an eine gemeinsame EU-Armee) nicht infrage kommt.
Der Westen als Verhandlungspartner ist nicht zuverlässig. Die Erweiterung der NATO nach Osten war ein Wortbruch, die russischen Verhandlungspartner wurden mit der Zusage getäuscht, dass sich die NATO nicht nach Osten ausdehnen würde. Sie hat! Bush jun. hat 2008 auf der Bukarester Natokonferenz den ersten Anlauf genommen den neutralen Status der Ukraine und Georgien zu beenden und diese Länder in die NATO zu holen. Das eine war ein Wortbruch, das andere ist ein Vertragsbruch. Die USA haben Verträge über die Begrenzung von Mittelstreckenraketen beendet und auch Open Sky. Im Libyenkonflikt haben die Russen einer Flugverbotszone zugestimmt, die NATO hat daraus vertragsbrüchig eine 6 Monate andauernde Bombardierung Libyens gemacht, um Gadaffi zu stürzen. Wie sollen die Russen zum Westen ein Vertrauensverhältnis aufbauen können, wenn sie stets belogen werden, wie auch beim Minsker Abkommen?
Sie setzen im Artikel «Sicherheitsgarantie» mit militärischer Abschreckung, Truppenpräsenz etc. gleich.
Eine Sicherheitsgarantie kann jedoch bespielsweise eine blosse Vertragsunterzeichung Russlands sein, wo das Land «garantiert» (verspricht, sich verpflichtet), die Ukraine nicht anzugreifen – oder Russland «garantiert» Serbien seine territoriale Integrität, ohne Truppen vor Ort.
Zu welcher Wahrscheinlichkeit solche Zusagen eingehalten werden, ist eine andere Frage. Das Wort «Garantie» impliziert 100 % Sicherheit, was natürlich nicht möglich ist.
Deshalb ist auch die Aussage Selenskis, er möchte keinen Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien, unlogisch. Sobald beide Konfliktparteien einen Waffenstillstand akzeptieren, ist das eine Sicherheitsgarantie. Wie erfolgsversprechend steht auf einem anderen Blatt.
Es werden solche Wörter einfach unkritisch übernommen & verbreitet, ohne sie klar zu definieren.
zit.Emma Ashford («..Statt Russland abschrecken könnte Europa in den Krieg in der Ukraine hineingezogen werden..») – mit Verlaub : Europa hat sich SCHON hineinziehen lassen.
Zit.Ashford(«…die Ukraine muß ihre Sicherheit selbst garantieren können…) – den Grundsatz hätte die EU von Anfang an beherzigen sollen.
zit.Ashford(«…sollte die «noch ehrgeizigere Aufgabe» nicht vergessen gehen, tiefere Ursachen des Konflikts zu beseitigen…) – DAS vor allem !
Es fällt auf, daß Ashford einen Punkt überhaupt nicht erwähnt : den Versuch, eine Brücke neuen Vertrauens in Richtung Rußland zu schlagen. Hält sie das für unmöglich ? Vielleicht, aber wenn man bedenkt, welche irrsinnigen Aufwendunge und Kosten erspart werden könten, wenn ein solcher Brückenschlag gelänge, dann sollte diese Variante wenigstens auch erörtert werden. Es gäbe vielleicht einen Ausgangspunkt : wenn die EU schlicht ihre verfehlte Politik gegnüber Rußland seit 1989 offiziell eingestehe würde.
Sicherheitsgarantien sind letztlich die entscheidende Frage, sagt Frau Ashford. Das glaube ich nicht. Viel wichtiger ist die Einsicht, dass Sicherheit nicht teilbar ist. Die Erweiterung der Nato nach Osten war eine Scheinsicherheit auf Kosten Russlands. Russland protestierte und suchte das Gespräch, wurde aber ignoriert. So blieb nur noch der Krieg als Ausweg. Neutralität war und ist die einzige wirkliche Lösung für die Ukraine oder aber nun für das, was von ihr übrigbleibt. Das Beispiel Finnlands zeigte ja, dass es funktioniert.
Europa braucht einen neuen Helsinki-Prozess. Das ist mittelfristig. Und kurzfristig gilt die Logik des Krieges. Und den ist Russland daran zu gewinnen. Deshalb wird Russland weitgehend die Bedingungen diktieren, ob das nun dem Westen gefällt oder nicht. Und zu glauben, dass es den Ukrainern unter russischen Bedingungen schlechter geht, halte ich für kulturelle Ueberheblichkeit.