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Finanzministerin Karin Keller-Sutter © SRF

Leise Kehrtwende im Streit über das Eigenkapital der UBS

Urs Schnell /  Karin Keller-Sutter will nicht selbst entscheiden. Sie reicht das heisse Eisen weiter ans Parlament.

Die gängige Meinung bis vor ein paar Tagen: Nach dem Erscheinen des PUK-Berichts wird der Zug für eine angepasste Too-Big-To-Fail-Regelung endlich ins Rollen kommen. Jetzt steht fest: Dieser Zug wird zum Bummler.

Die gefährlich grosse UBS geschäftet gegenwärtig in einem Gesetzesrahmen, der zwar mehrfach revidiert wurde, den Fall der Credit Suisse aber nicht verhindern konnte. Die Schweiz schlitterte nur knapp an einer volkswirtschaftlichen Katastrophe vorbei.

Keller-Sutter wechselt Strategie

Überraschend wurde letzte Woche bekannt, dass das Finanzdepartement (EFD) in einem zentralen Diskussionspunkt die Strategie gewechselt hat. Die heiss diskutierten neuen Eigenmittelanforderungen für die UBS-Auslandtöchter sollen vom Bundesrat nicht wie geplant in einer Revision der betreffenden Verordnung beschlossen werden, sondern in einer Änderung des Bankengesetzes. Eine Medienmitteilung gab es dazu keine. Auf Anfrage schreibt das EFD, die Kehrtwende erscheine «angezeigt» – einerseits «vor dem Hintergrund der Bedeutung für die Finanzstabilität und die Volkswirtschaft» und andererseits wegen «der Feststellungen der PUK».

Gesetz statt Verordnung

Für Gesetzesänderungen ist – im Gegensatz zur Verordnungsebene – nicht der Bundesrat zuständig, sondern das Parlament. Wie Revisionen des Bankengesetzes ablaufen, demonstrierten Ständerat und Nationalrat bereits 2011. Ziel war es damals, nach der globalen Finanzkrise von 2008 die Too-Big-To-Fail-Problematik zu vermindern. Die Gesetzesrevision durchlief eine äussert langwierige Beratung mit einem Differenzbereinigungsverfahren, das erst auf den letzten Drücker gelang. Die Parlamentarier und Parlamentarierinnen waren zeitweise überfordert und hatten den Durchblick nicht. Das spielte den Grossbanken in die Hände. Resultat war ein revidiertes Bankengesetz und eine dazugehörende Eigenmittelverordnung, die der Credit Suisse über ihre Auslandtöchter weiterhin den «internationalen Wettbewerb» an Wall Street und City of London ermöglichen sollte. Den nötigen mehrjährigen Aufbau einer genügenden Kapitaldecke für ihre risikoreichen Auslandtöchter unterliess die Bank.

15 bis 25 Milliarden Eigenkapital

Jetzt geht es wieder um Auslandtöchter, diesmal um diejenigen der übriggebliebenen UBS. Und jener Teile der CS, die von der UBS als verdaulich taxiert und geschluckt wurden. Zwischen 15 und 25 Milliarden könne eine angemessene Kapitalunterlegung kosten, bestätigte Bundesrätin Keller-Sutter vor knapp einem Jahr öffentlich. Die UBS-Spitze um Colm Kelleher und Sergio Ermotti war nicht begeistert. Nicht nur die Schweizer Medien, auch internationale Kaliber vom Format der Financial Times oder des Wall Street Journal verfolgten die Auseinandersetzung mit grosser Titelsetzung.

Nun also die Kehrtwende. Frau Keller-Sutter nimmt sich aus dem Schussfeld und übergibt ans Parlament. Der Prozess um die Eigenkapitalfrage wird sich massiv verzögern.

SVP krebst zurück

Die Parteien kommen in diesem Prozedere kaum nach. Nach dem Fall der CS rief die SVP vor zwei Jahren noch nach dem Trennbankensystem und einer Verkleinerung der neuen UBS. Dieser Tage ist sie merklich leiser. SVP-Vorstösse werden zurückgezogen oder parteiintern sogar abgelehnt. Zum Beispiel in der Wirtschaftskommission des Ständerates (WAK-S) vor acht Tagen. Im April 2023 wollte SVP-Ständerat Marco Chiesa in einer Motion den Bundesrat beauftragen, er solle dafür sorgen, «dass keine Schweizer Bank mehr zu gross ist, um unterzugehen.» Chiesa weiter: «Sollte dies nicht möglich sein, sind die ‘Too big to fail’-Banken zu verpflichten, ihre Bankteile, die sie ‘too big to fail’ machen, zu veräussern oder stillzulegen.»

Jetzt beantragt die WAK-S ihrem Rat einstimmig, die Motion abzulehnen. Das Geschäft ist zusammen mit anderen Bankenmotionen auf den 10. März traktandiert.

SP kommt mit Aktionsplan

Der SP gefallen die SVP-Manöver nicht. Soeben hat sie einen «Aktionsplan zum Schutz der Schweiz vor der nächsten Bankenkrise» veröffentlicht. «Die Zeitplanung von Mitte-Rechts für das neue Too-Big-To-Fail-Regelwerk ist absolut waghalsig», lässt die Partei verlauten. SP-Nationalrätin Céline Widmer meint, ein derart zerdehnter Regulierungsfahrplan berge «ein enormes Risiko für die Schweizer Bevölkerung. So kann die UBS noch etliche Jahre von erleichterten Eigenkapitalvorgaben profitieren.» Die Redaktion des SP-Aktionsplans verantwortet PUK-Mitglied und Noch-Nationalrat Roger Nordmann.

Volksentscheid in der Eigenkapitalfrage

Sollten die Sozialdemokraten die SVP als verbündete Partei in der Eigenkapitalfrage verlieren, wird das die Herren Ermotti und Kelleher freuen. Aber das dauert ja noch. Wie schreibt das EFD: «Inkrafttreten wäre frühestens 2027 möglich, eher 2028.» Die SP könnte mit Gleichgesinnten dann das Referendum ergreifen. Bei einem Zustandekommen würde nicht das Parlament, sondern in letzter Instanz das Volk entscheiden.


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Eine Meinung zu

  • am 5.03.2025 um 18:45 Uhr
    Permalink

    NZZ Hansueli Schöchli 16.05.2023, 13.37: «35 000 Milliarden Franken – diese Zahl zur neuen UBS schockiert Parlamentarier, doch über die Risiken sagt dies wenig aus..Die optisch enorm hohen Nominalwerte von Finanzderivaten von UBS und Credit Suisse sorgen im Parlament für Unruhe»

    Höchst interessante Aussage im Artikel: «Karin Keller-Sutter will nicht selbst entscheiden. Sie reicht das heisse Eisen weiter ans Parlament.» Könnte wohl heissen, die Bundesrätin hat erkannt, dass 25 bis 35 Milliarden Eigenkapital nicht ausreichen den Supertanker UBS zu retten, wenn es brenzlig werden könnte und das Parlament mit vereinten Kräften den UBS-Grossmanagern klar machen muss, dass die Bank ein Eigenkapital von 250 Milliarden Franken haben musss, um den Hauptsitz in der Schweiz behalten zu können, oder die Bank-Schubladen sind zu räumen und ab ins Ausland. Könnte wohl auch ein Machtspiel werden: Wer bestimmt und wer muss brav und artig folgen.
    Gunther Kropp, Basel

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