In Deutschland fehlen 100’000 Babys. Auch wegen der Impfungen?
«In den ersten Monaten 2022 kam es zu einer abrupten Abnahme der Geburtenrate», meldeten Wissenschaftler im Juni 2022. Die Lebendgeburten seien in Deutschland um rund 15 Prozent gesunken, in Schweden um fast 10 Prozent, verglichen mit den Vorjahren. Der Rückgang sei «bemerkenswert stark und plötzlich». Normalerweise würden sich solche Veränderungen langsamer vollziehen.
Hing das mit den Corona-Wellen (gemessen an den Todeszahlen), mit höherer Arbeitslosigkeit bzw. mit Kurzarbeit oder mit der Covid-Impfkampagne zusammen? Nur bei einem einzigen dieser drei Faktoren fanden die Wissenschaftler «eine klare Korrelation»: Neun Monate nach Beginn der Covid-Impfkampagne sanken sowohl in Deutschland als auch in Schweden die Geburtenraten.
Die Interpretation der Forscher: Die sinkenden Geburtenzahlen hingen einerseits mit den Lockerungen nach den Lockdowns zusammen, andererseits hätte manche Paare ihren Kinderwunsch möglicherweise aufgeschoben, bis sie geimpft waren, schrieben Professor Martin Bujard, der stellvertretende Direktor des deutschen Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (bib), und ein schwedischer Kollege im Juni 2022 im «bib Working Paper» (das später im «European Journal of Population» veröffentlicht wurde).
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Negativer Trend hätte sich umkehren müssen – hielt aber an
Anfang letztes Jahr aktualisierte Bujard die Zahlen. Nun überblickte er einen Zeitraum bis November 2023.
«Wenn die Aufhebung der Kontaktbeschränkungen und die anstehende Impfung die alleinigen Ursachen für den Geburtenrückgang gewesen wären, hätte sich der Trend wieder umkehren müssen. Das ist allerdings nicht der Fall», stellte der Wissenschaftler fest. «Bis November 2023 sind die monatlichen Geburtenraten in beiden Ländern auf einen langjährigen Tiefstand gefallen – in Schweden sogar auf einen historischen Tiefstand.»
Von einem «regelrechten Absturz der Geburtenrate», schrieb daraufhin die «Welt». In nur zwei Jahren sei die Geburtenrate in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit 2009 eingebrochen.
Zwei Faktoren korrelierten mit dem Geburtenrückgang
Wieder suchte Bujard nach Zusammenhängen. Sein Fazit:
- «Eine erhöhte Sterblichkeit [an Covid] stand in keinem Zusammenhang mit den Geburtenraten.
- Auch zwischen Arbeitslosigkeit und Geburtenraten zeigte sich kein Zusammenhang.
- Bemerkbar hingegen machten sich die Impfkampagnen und die Lockerungen der Lockdown-Regeln. Sowohl in Deutschland als auch in Schweden erreichten die Impfkampagnen mit Massenanmeldungen für Erstimpfungen im April, Mai und Juni 2021 ihren Höhepunkt, die meisten Zweitimpfungen wurden zwischen Juni und August desselben Jahres vorgenommen. Die Umsetzung dieser Kampagnen ging sowohl in Deutschland als auch in Schweden mit einem abrupten Rückgang der Geburtenraten neun Monate später einher.
- Die Lockerungen der Anti-Corona-Massnahmen kommen gleichermassen als Einflussfaktor infrage: Mit den steigenden Impfquoten (und den fallenden Geburtenraten) sank dieser Index ebenfalls.»
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Mehrere Krisen als mögliche Ursache
Bujard vermutet, dass «multiple Krisen» diesen Geburtenrückgang herbeiführten. Die Pandemie sei für viele schwierig gewesen, gestresste Eltern, Kinder mit Depressionen, dann der Ukraine-Krieg, hohe Inflation, Zukunftssorgen und ein Gefühl der Unsicherheit. Seit der Pandemie torkelt Deutschland von Krise zu Krise.
Denkbar sind aber auch Faktoren, die Bujard nicht berücksichtigte. Und nicht alle Umstände wirken sich unmittelbar aus. Nach der Einführung der Anti-Baby-Pille im Jahr 1961 beispielsweise stieg die Geburtenziffer in der Schweiz erst noch drei Jahre lang und sank dann von 1965 bis 1978. Der Rückgang war aber nicht einzig durch die Anti-Baby-Pille verursacht.*
Ob es sich beim jetzigen Geburtenrückgang primär um einen Aufschub handle (und die Geburtenraten bald wieder ansteigen) oder ob es längerfristig so bleibe, sei «eine spannende Zukunftsfrage», schrieb Bujard in der Zeitschrift «Demografische Forschung».
Swissmedic 2022: «Kein Hinweis auf Zusammenhang mit der Impfung»
Auch in der Schweiz ist der Geburtenrückgang laut dem Gesundheitsökonomen Konstantin Beck «beispiellos». Ihm zufolge gingen die Geburten im Jahr 2022 um 8,5 Prozent zurück, verglichen mit dem Vorjahr. 2023 wurden in der Schweiz «so wenig Kinder wie noch nie geboren».
«Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic hat den Zusammenhang zwischen tiefen Geburtenraten und der Covid-19-Impfung untersucht. Es gebe jedoch keine wissenschaftlichen Hinweise, dass mRNA-Impfstoffe die menschliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnten. Swissmedic führte die Studie zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Fruchtbarkeit und Covid-19-Impfung gemeinsam mit zehn Partnerbehörden durch […] Weder aus der publizierten Fachliteratur noch aus der weltweiten Marktüberwachung gebe es Hinweise, dass ein Zusammenhang zwischen Impfung und Unfruchtbarkeit bestehe.» Das berichteten die «Tamedia»-Zeitungen im Oktober 2022.
Rückgang um mehr als 16 Prozent
An Weihnachten 2024 analysierten zwei andere Professoren den «alarmierenden Einbruch der Geburtenzahlen» in Deutschland in einem Artikel in «Cicero». Verglichen mit 2021, sei die Anzahl der Geburten laut den bis dahin vorliegenden Zahlen um 16,3 Prozent zurückgegangen, berichteten der Leipziger Physik-Professor Klaus Kroy und der Regensburger Psychologie-Professor Christof Kuhbandner.
Ihr Befund: «Ab dem ersten Quartal 2023 ist ein noch aussergewöhnlicherer Geburteneinbruch von durchgängig mehr als fünf Standardabweichungen zu beobachten, im dritten Quartal 2023 liegt die beobachtete Geburtenanzahl sogar um knapp elf Standardabweichungen unterhalb der normalerweise erwarteten Geburtenanzahl.»
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Abweichung vom Normal zufällig zustande komme, liege bei weniger als 1:3,5 Millionen, so die beiden Wissenschaftler. Allein von Januar 2023 bis Mitte 2024 kamen in Deutschland demnach 100’000 Kinder weniger zur Welt als zu erwarten gewesen wäre – trotz Zuwanderung.
Nicht weniger Schwangerschaften, aber weniger Geburten
Mit Hilfe der Daten, die ihnen zur Verfügung standen, durchleuchteten Kroy und Kuhbandner die Geburtenraten in Deutschland von verschiedensten Seiten. Trotz mehr Schwangerschaften kam es ihnen zufolge zu weniger Geburten in Deutschland.
Vom zweiten Quartal 2021 bis mindestens zum Ende des vierten Quartals 2021 hätten viele Schwangerschaften nicht mehr in eine Lebendgeburt gemündet. Zum Geburteneinbruch von rund 10’500 fehlenden Geburten im ersten Quartal 2022 hätten mehr Fehlgeburten, mehr Totgeburten und mehr Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Gründen beigetragen.
Den Geburteneinbruch von etwa 100’000 Geburten ab dem ersten Quartal 2023 können beide Wissenschaftler anhand der öffentlich zugänglichen Daten zu nahezu vier Fünftel nicht erklären. Rund 80’000-mal bleibe somit unklar, womit er zusammenhänge.
Grosses Problem: Fehlende oder nicht zugängliche Daten
Während Bujard von mehreren ursächlichen Faktoren für den drastischen Geburtenrückgang ausgeht, postulieren Kuhbandner und Kroy «einen Faktor […], der dafür gesorgt hat, dass viele Schwangerschaften nicht mehr in eine Lebendgeburt mündeten».
Könnte dieser Faktor mit der Impfkampagne zusammenhängen? Ein grosses Problem bei einer Suche nach den Ursachen spricht Kroy im Gespräch an: «Wir wissen nicht, welche Frauen geimpft waren und welche nicht und haben das daher auch nicht analysiert. Das könnte einen Unterschied gemacht haben.»
Das Fazit von Kroy und Kuhbandner: Es sollte «von höchstem allgemeinen Interesse» sein, herauszufinden, was für den massiven Geburtenrückgang verantwortlich sein könnte. «Aber offenbar scheint das weder die Gesundheitsministerien noch die Krankenkassen zu interessieren, weil bis heute keine Analysen dieser Daten durchgeführt oder diese Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden». Die deutschen Krankenkassen sitzen auf einem Berg von Daten.
Keine der letzten zwei Regierungen setzte den wichtigen Vorschlag um
In Deutschland sammelte das Robert Koch-Institut anonymisierte Daten, wer, wann, wo geimpft wurde; beim Paul-Ehrlich-Institut gingen die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nach der Covid-Impfung ein; die Krankenkassen wissen, wer, wann, wo wegen Schwangerschaft, einer Fehlgeburt oder wegen einer Krankheit wie zum Beispiel Covid behandelt wurde. Diese drei «Datentöpfe» wollten die Krankenkassen zu Beginn der Covid-Impfkampagne zusammenführen.
Im Mai 2021 appellierten mehrere Gesundheitsforscher eindringlich an die deutsche Regierung, die «verschiedenen Datentöpfe» in Deutschland miteinander zu verknüpfen. Die Krankenkassen unterbreiteten sogar einen Vorschlag, wie dies machbar wäre (Infosperber berichtete). Wäre dies geschehen, hätten Wissenschaftler bei 73,4 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland in anonymisierter Form nach auffälligen Mustern suchen können.
Doch die beiden letzten deutschen Regierungen waren daran offenkundig nicht interessiert.
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*Satz nachträglich hinzugefügt.
➞ Lesen Sie demnächst Teil 5.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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