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Seine Algorithmen bevorzugen Rechtsradikale: Elon Musk im Jahr 2018. © cc-by Daniel Oberhaus

TikTok und X pushen rechtsradikale Parteien

Markus Reuter /  Gleich zwei Untersuchungen zeigen, dass die rechtsradikale AfD von den Algorithmen bei TikTok und X überproportional profitiert.

psi. Dieser Beitrag wurde von netzpolitik.org produziert. Infosperber publiziert ihn im Rahmen der Creative Commons-Lizenz BY-NC-SA 4.0 von netzpolitik.org. Das Non-Profit-Medium wird hauptsächlich durch Leserspenden finanziert.

Zwei voneinander unabhängige Recherchen zeigen, dass die Plattformen X und TikTok mit ihren Algorithmen rechte Parteiinhalte überproportional pushen. So hat eine Untersuchung von ZDF Frontal zusammen mit einem Forscherteam aus Dublin ergeben, dass Elon Musks Plattform X sowohl die AfD wie auch das BSW überproportional oft im „Für Dich“-Feed anzeigt.

Für die Untersuchung (PDF) folgten neu erstellte Accounts je acht führenden Vertreter:innen der im Bundestag vertretenen Parteien, taten aber ansonsten nichts, was Rückschlüsse auf Vorlieben hätte geben können, wie retweeten oder liken. Bei dieser Anordnung waren 37,9 Prozent der Partei-Posts im Feed von der AfD, dabei hat diese nur 15,2 Prozent der Partei-Posts erstellt. Und obwohl das BSW nur 1,4 Prozent der Partei-Posts erstellte, galt ihr mehr als jede zehnte Erwähnung im Feed. Die SPD hingegen hatte 12,5 Prozent der Partei-Posts erstellt, erschien allerdings nur in einem Prozent der Partei-Posts im Feed. Tweets von Elon Musk sahen die Testaccounts am häufigsten, davon profitierte auch Alice Weidel, die von Musk zitiert oder retweeted wurde.

Bei Retweets und Likes der Postings liegt die AfD leicht vorne. Dies hat Einfluss auf die Sichtbarkeit. Der Leiter des Forscherteams in Dublin, Przemysław Grabowicz, vermutet aber laut dem ZDF, dass dies alleine die hohe Reichweite nicht erkläre: „Unser Regressionsmodell deutet darauf hin, dass es neben der Anzahl der Interaktionen noch einige andere Faktoren gibt, die mit der Parteizugehörigkeit zusammenhängen und die Präsenz im Feed erklären“, so der Informatiker. Da X seine Algorithmen nicht offenlegt, lässt sich das jedoch nicht überprüfen.

Rechtslastige Inhalte bevorzugt auch bei TikTok

Eine Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Global Witness (PDF) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis – sowohl für Elon Musks X als auch für die chinesische Videoplattform TikTok. In dieser Untersuchung wurden jeweils drei neue Accounts erstellt, die gleichermaßen dem offiziellen Account der Parteien CDU, SPD, Grüne und AfD folgten sowie deren Spitzenkandidat:innen, außerdem klickten sie auf die jeweils fünf zuerst gelisteten Inhalte dieser Accounts.

Das Ergebnis war, dass rechtslastige Inhalte bevorzugt gezeigt wurden. Bei TikTok war die Schlagseite am Extremsten: 78 Prozent der algorithmisch ausgespielten Partei-Inhalte unterstützten die AfD, bei X waren es 64 Prozent.

Screenshot eines Balendiagramms, das zeigt, dass 78% der untersuchten Inhalte von TikTok die AfD unterstützen.
Screenshot eines Balkendiagramms, das zeigt, dass 78% der untersuchten Inhalte von TikTok die AfD unterstützen. Ergebnisse der Untersuchung von Global Witness

Ellen Judson von Global Witness hält das nicht unbedingt für Absicht. Sie sagt gegenüber TechCrunch: „Ich gehe davon aus, dass dies eine Art unbeabsichtigter Nebeneffekt von Algorithmen ist, die auf der Förderung des Engagements basieren“. So etwas passiere, wenn Unternehmen, die eigentlich dafür konzipiert seien, das Engagement der Nutzer auf ihren Plattformen zu maximieren, zu Räumen für demokratische Diskussionen werden. „Es besteht ein Konflikt zwischen kommerziellen Erfordernissen und öffentlichem Interesse und demokratischen Zielen“, so Judson weiter.

Auf die Ergebnisse angesprochen sagte TikTok, dass diese nicht repräsentativ seien und kritisierte die Methodik. Die Plattform X reagierte nicht auf die Anfrage von Global Witness. Elon Musks rechte Agenda ist bekannt. Der reichste Mann der Welt unterstützt die AfD explizit und fortwährend im Wahlkampf, unter anderem mit einem Zeitungs-Gastbeitrag, mit Reichweitenverstärkung per Retweets, einem Auftritt auf einer Veranstaltung sowie einem Livegespräch mit Alice Weidel auf X.

Vor dem Hintergrund von Musks Engagement für die rechte Partei sei Transparenz wirklich wichtig, sagte Judson gegenüber TechCrunch. Man wisse nicht, ob es eine algorithmische Veränderung gegeben habe. Global Witness hat die Studie auch mit der EU-Kommission geteilt, damit diese sie vor dem Hintergrund des Digital Services Act bewerten könne.

Anonyme Accounts verbreiten AfD-Inhalte auf TikTok

Eine Recherche der Universität St. Gallen hat das Video-Ökosystem der rechtsradikalen AfD auf TikTok untersucht. Sie kam zum Ergebnis, dass 75 Prozent der Inhalte von Fans, rechten Influencern und anonymen Accounts stammen. Anonyme Accounts in Sozialen Medien haben schon in der Vergangenheit bei der AfD eine grosse Rolle gespielt. So gab es eine ganze Armee von gesteuerten Twitter-Accounts, welche die Partei unterstützten, wie netzpolitik.org in Kooperation mit dem Tagesspiegel und mit t-online.de nachweisen konnte.

Dass Fake-Accounts nun auch auf TikTok Stimmung für die Rechtsradikalen machen, hat auch eine Studie von Democracy Reporting International festgestellt. Die Studie konnte zwar nicht auflösen, wer hinter den Accounts steckt, die Autor:innen gehen aber davon aus, dass es sich um koordinierte Aktivitäten handele.

Eine weitere TikTok-Studie im Rahmen eines Forschungsprojektes der Amadeu Antonio Stiftung und des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts, hat die AfD und andere Parteien auf Datengrundlage der offiziellen TikTok-Research-API untersucht. Laut diesen Zahlen holen die anderen Parteien mittlerweile in Sachen Reichweite auf. Die Studie belegt aber auch, dass die AfD mit einer grossen Masse an simpel herzustellenden Videos unterstützt wird, wie Belltower berichtet.

Dieses Phänomen beleuchtet auch die ARD-Reportage „Die TikTok-Armee der AfD“. Wie auch Democracy Reporting International hat auch die ARD herausgefunden, dass hierbei oftmals KI-generierte Inhalte genutzt werden.

Weiterführende Informationen


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8 Meinungen

  • am 28.02.2025 um 12:14 Uhr
    Permalink

    So so, BSW ist also eine rechtsradikal Partei… bereits daran kann man erkennen, dass diese zwei Untersuchungen nichts taugen.

    Und das «Problem» bei X und Tiktok ist: Die linken Gutmenschen haben die traditionellen für sich gepachtet. Die treiben sich selten bei X und Tiktok rum. Zudem sind bei X viele Linke abgewandert, seit Musk die Plattform übernommen hat. Die AfD hat sich halt erfolgreich auf X und Tiktok durchgesetzt, weil sie keine anderen Möglichkeiten (in den traditionellen Medien) hatte.

    Nicht zu vergessen:
    Die SPD hat ihre Finger tief in der Amadeu Antonio Stiftung drinnen und finanziert dies. Unabhängigkeit kann nicht erwartet werden.

    Ähnliches gilt für das Else-Frenkel-Brunswik-Institut. Deren Leiter will die AfD verbieten und sieht sie als rechts-extrem an. Ein neutrales Ergebnis ist also nicht zu erwarten.

  • am 28.02.2025 um 12:54 Uhr
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    Was für ein Zufall: Die links-woke Netzpolitik.org (deren Engagement für digitale Autonomie ich grundsätzlich sehr schätze) stellen fest, daß lauter woke Einrichtungen wie ZDF, ARD, Global Witness, Amadeu-Antonio-Stiftung, Democracy Reporting International feststellen, daß eher konservative Medien konservative Parteien hypen, anstatt die Kartell-Parteien (von denen ganz zufällig eben diese Organisationen gesponsert werden). Ich betone «konservativ», weil «rechtsradikal»vermutlich eine politisch motivierte Zuschreibung ist – wäre die AfD tatsächlich rechtsradikal, wäre sie verboten. Wobei das BSW durch die Verwendung des Plurals dann gleich mal den konservativen Parteien zugeschlagen wird. Themenbezogene Interessenbindung der Autor*in netzpolizik.org sowie der von ihnen zitierten Organisationen sind natürlich nicht erkennbar 😀 😀 😀

  • am 28.02.2025 um 13:48 Uhr
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    «Eine weitere TikTok-Studie im Rahmen eines Forschungsprojektes der Amadeu Antonio Stiftung und des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts, hat die AfD und andere Parteien auf Datengrundlage der offiziellen TikTok-Research-API untersucht»
    Tausende Studien über vergangene wie vorherrschende Verwerfungen haben uns bisher nicht dem guten Leben aller näher gebracht. Erstaunlich, dass immer noch erwartet wird, dass ein falsches System richtige Politik in diesem Sinne machen könnte. Warum Simone Weils «Anmerkungen über die generelle Abschaffung politischer Parteien», so gut wie keine Beachtung finden, das ist erklärungsbedürftig?
    Algorithmen verlieren dann an Macht, wenn «echte Demokratie» praktiziert wird, wie diese z.B. David Van Reybrouk in «Gegen Wahlen» beschreibt. Das bedeutet auch, dass Menschen verschiedener Herkunft….. leibhaftig zusammen kommen um gemeinsam Politik zu machen. Das beste Mittel gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit!

    • am 1.03.2025 um 01:37 Uhr
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      Absolut richtig, die liberale Parteien und Zuschauer Demokratie funktioniert nur unter ganz bestimmten Umständen mehr oder weniger gut. Einen Ausweg sehe ich auch nur mehr in der partizipativen und deliberativen Demokratie. Trotzdem ist das wahrscheinlich keine Garantie gegen autoritäre und totalitäre Bestrebungen gewisser Kreise.

  • am 28.02.2025 um 14:32 Uhr
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    Das höre ich nun zum ersten Mal, dass das BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht) rechtsextrem ist. Man lernt nie aus!

  • am 28.02.2025 um 18:25 Uhr
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    Nach Einschätzung von InfoSperber ist die AfD eine rechtsradikale Partei – richtig ?

  • am 28.02.2025 um 19:35 Uhr
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    Linke Argumentation. Wer sich wirklich auf X umsieht – wie ich – weiss, dass das bullshit ist!

  • am 1.03.2025 um 01:18 Uhr
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    Das Pushen oder Unterdrücken von bestimmten Nachrichten und Informationen ist tatsächlich ein Problem, aber auch nicht problematischer als viele andere Probleme in sozialen Medien. Diese und andere Probleme existieren allerdings auch in klassisch privaten und öffentlich-rechtlichen Medien oder vom Staat oder Oligarchen finanzierten Nichtregierungsorganisationen . Es wäre eigentlich ein Leichtes, vieles besser zu machen und zu regulieren, ohne auf Zensur zurückzugreifen. Mit den aktuellen Akteuren sehe ich diesbezüglich allerdings keinen Lichtblick, auch nicht bei netzpolitik.org, weil das BSW mit dem Label rechtsextrem oder rechtsradikal zu etikettieren entbehrt jeder Grundlage. Das war übrigens auch die Zeile, bei der ich aufgehört habe, weiterzulesen.

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