2025-01-21+Foto+HSG+auto-schweiz+Unterzeichnung

Sie strahlen bei der Unterzeichnung des Sponsoring-Deals um die Wette (von links): Thomas Rücker, Direktor von Auto-Schweiz, Peter Grünenfelder, Präsident von Auto-Schweiz, Manuel Ammann, Rektor der HSG, Andreas Herrmann, Direktor des Instituts für Mobilität. © unisg.ch

Die Auto-Importeure kaufen sich eine HSG-Professur

Marco Diener /  Künftig gibt’s an der Hochschule St. Gallen einen «Auto-Schweiz-Lehrstuhl». Der Verband lässt sich das 2,68 Millionen kosten.

Die Nachricht ging in den Schweizer Medien fast unter. Auto-Schweiz, der Verband der Schweizer Auto-Importeure, bezahlt während acht Jahren einen Lehrstuhl am Institut für Mobilität an der Hochschule St. Gallen (HSG).

Inbegriffen sind im Paket ein 50-Prozent-Professor, ein 100-Prozent-Assistent und ein 50-Prozent-Sekretär. Und natürlich Studenten, die mitarbeiten werden. Auto-Schweiz lässt sich den Lehrstuhl 335’000 Franken pro Jahr kosten – das sind insgesamt 2,68 Millionen Franken.

«Wissenschaftliche Begleitung» der Importeure

Auto-Schweiz schreibt: «Digitalisierung, Elektrifizierung oder Automation bieten ein enormes Potenzial für künftige Geschäftsmodelle.» Bei der Erschliessung dieser «künftigen Geschäftsmodelle» wollen sich die Auto-Importeure von der HSG helfen lassen. Der Verband schreibt weiter: «Mit dem neuen ‹Auto-Schweiz-Lehrstuhl› für Mobilität erhält die Automobilität als einer der gewichtigsten Schweizer Wirtschaftssektoren eine fundierte wissenschaftliche Begleitung bei der Bewältigung der heutigen und zukünftigen Herausforderungen.»

Die HSG ist in ihrer Medienmitteilung ein bisschen zurückhaltender. Der Ausdruck «Auto-Schweiz-Lehrstuhl» steht nirgends. Stattdessen betont die HSG, sie gehe «entsprechende Partnerschaften nur ein, wenn die Freiheit von Forschung, Lehre und Publikation jederzeit vollumfänglich gewährleistet ist.»

Ist die «Freiheit von Forschung und Lehre» gewährleistet?

Ob diese Freiheit tatsächlich «jederzeit» und «vollumfänglich» gewährleistet ist – daran sind erhebliche Zweifel angebracht:

  • Zum einen, weil die Auto-Importeure ganz selbstbewusst vom «Auto-Schweiz-Lehrstuhl» sprechen. Ganz so, als ob sie das Sagen hätten.
  • Zum anderen, weil die Projekte des Instituts für Mobilität darauf hindeuten, dass Sponsoren durchaus Einfluss nehmen. Da ist jedenfalls auffallend häufig von «enger Zusammenarbeit» und «erfolgreicher Kooperation» die Rede.

Schon heute wird das Institut für Mobilität von Autoherstellern wie BMW, Toyota oder Porsche sowie Autovermieter Sixt gesponsert.

SRF fragte zuerst den Instituts-Direktor

Wie erwähnt: Die Nachricht von der gekauften HSG-Professur wäre fast untergegangen. Radio SRF brachte zwar einen Beitrag über das Sponsoring. Aber er kam daher wie eine kleine Gefälligkeit gegenüber HSG und Auto-Schweiz (ab 5:50).

Radio SRF stellte zwar die richtige Frage: Ob mit privatem Sponsoring überhaupt noch unabhängige Forschung möglich sei. Aber die Radiomacher baten die falschen Personen um Auskunft. Zum Beispiel Andreas Herrmann. Herrmann ist Direktor des Instituts für Mobilität, das sich den Lehrstuhl von den Auto-Importeuren sponsern lässt.

Herrmann sagte gegenüber SRF, die Sponsoren würden die Mobilitätsforschung nicht beeinflussen. Und: «Ich arbeite genauso mit den SBB oder auch mit anderen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs zusammen. Da gibt es überhaupt keine Restriktionen.» Interessenskonflikte gebe es nicht.

Aber was hätte er denn anderes sagen, als dass das Sponsoring kein Problem sei?

SRF fragte anschliessend den Post-Professor

Auch die zweite Auskunftsperson war falsch gewählt. Es war der pensionierte Lausanner Professor Matthias Finger. Die Frage an ihn: «Wie glaubwürdig sind denn Forschungsresultate, die dank privaten Geldern zustande kommen?» Finger gab sich überzeugt, dass gerade diese Zweifel an der Unabhängigkeit die Forschung verbessern würden: «Dadurch, dass man einen gesponserten Lehrstuhl hat, muss man ja gerade zeigen, dass man unabhängig ist. Sonst ist man nicht glaubwürdig – weder als Person noch als Wissenschaftler.»

Das Problem: Finger war als Professor alles andere als unabhängig. Die Post sponserte seinen Lehrstuhl mit 650’000 Franken pro Jahr, wie die Konsumentenzeitschrift «Saldo» schon 2018 aufdeckte. Entsprechend äusserte sich Finger in der Öffentlichkeit. Als die Post 2016 die Schliessung von 600 Poststellen ankündigte, bezeichnete Finger dies als «überfällig». Und als die Postauto-AG 78 Millionen Franken an Subventionen von Bund und Kantonen ertrog, sagte er: «Die Verantwortung liegt nicht allein bei ihr.» Schuld sei auch das Bundesamt für Verkehr (BAV).

Die Rolle des Nationalfonds’

SRF berichtete, dass sich gegenüber den CH-Media-Zeitungen sogar der Nationalfonds positiv zum Sponsoring an Schweizer Universitäten geäussert habe. Doch so ist es nicht. Der Nationalfonds äusserte sich bloss zu privaten Forschungsinstituten. Zu gesponserten Lehrstühlen im Allgemeinen und zum «Auto-Schweiz-Lehrstuhl» im Speziellen sagte er nichts.

Kritik gab es schon 2013

Radio SRF hätte durchaus kritische Stimmen zum «Auto-Schweiz-Lehrstuhl» gefunden – wenn es denn gewollt hätte. Andreas Brenner, Professor für Philosophie an der Universität Basel, etwa sagte dem «Zofinger Tagblatt»: «Privates Geld wird nicht einfach so in die öffentliche Forschung gegeben, sondern verfolgt immer ein Ziel.» Und: «Immer wenn Geld fliesst, entsteht entweder direkt Abhängigkeit oder es entsteht der Anschein einer solchen. Beides sollte unbedingt vermieden werden.»

Das fanden 27 Wissenschaftler schon 2013, als sie den «Zürcher Appell» veröffentlichten. Sie forderten von den Universitäten, dass sie «dem kostbaren und von der Verfassung geschützten Gut der akademischen Freiheit und Unabhängigkeit Sorge tragen und das wissenschaftliche Ethos nicht mit problematischen Kooperationen gefährden».

162 gesponserte Professuren

Anlass für den «Zürcher Appell» war damals, dass die UBS einen Lehrstuhl an der Universität Zürich sponserte. Heute sind solche Sponsorings gang und gäbe. Laut dem «Zofinger Tagblatt» sind in der Schweiz 162 Professuren gesponsert. Dazu kommen Lehrstühle, die eine Anschubfinanzierung von Firmen erhielten, inzwischen aber von der öffentlichen Hand bezahlt werden.

Der Fall Philip Morris

So unproblematisch, wie es bei Radio SRF klang, sind die bezahlten Lehrstühle nicht. Die Universität Lausanne beispielsweise lehnt solche kategorisch ab. Und der Fall Philip Morris zeigt, dass es mit der Unabhängigkeit gesponserter Professuren nicht unbedingt weit her ist. Infosperber berichtete vor einem knappen Jahr darüber, dass der Tabakkonzern bei Studien der Universität Zürich das letzte Wort hat. Er kann die Publikation unliebsamer Studien verhindern.


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Zum Infosperber-Dossier:

Geld_und_Geist1

Hochschulen zwischen Geist und Geld

ETH, Universitäten und Hochschulen lassen sich Lehrstühle, Institute und Forschung von Privaten mitfinanzieren.

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2 Meinungen

  • am 2.03.2025 um 12:06 Uhr
    Permalink

    Es ist gut, dass Infosperber in diesem Kontext auf den „Zürcher Appell“ verweist und ihn verlinkt. Der Appell ist überzeugend formuliert, bleibt aber im Allgemeinen. Demgegenüber haben Kollege Marc Chesney und ich am 23. Juli 2014 in der NZZ einen Artikel veröffentlicht, der das Problem schärfer umreisst und konkrete Kriterien für legitimes Universitätssponsoring bestimmt. Der Artikel ist noch heute auf Wissenschaftsmanagement Online zu finden. Der Titel lautet: Umstrittenes Universitäts-Sponsoring: Ein Blick in die Schweiz.

  • Portrait_Marcel1
    am 3.03.2025 um 11:52 Uhr
    Permalink

    Was steht denn bzgl. Unabhängigkeit des Lehrstuhls im Vertrag zwischen der Uni St. Gallen und Auto Schweiz? Haben Sie den Vertrag bei der Uni angefordert, Herr Diener? Die Uni untersteht dem Gesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz) des Kantons St. Gallen vom 16. September 2014; sie muss den Vertrag offenlegen, wenn jemand die Offenlegung verlangt.

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