Armutslöhne für billiges Palmöl
Red. – Die Debatte um die Konzernverantwortung ist mit der neuen Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» wieder lanciert. Dass das Thema nicht an Aktualität eingebüsst hat, zeigen auch neue Recherchen wie zum Beispiel der von Solidar Suisse publizierte Palmölreport «Gefangen in Armut auf Malaysias Palmölplantagen, Löhne in der Lieferkette von Nestlé und Barry Callebaut: Weit weg von existenzsichernd». Im Folgenden gibt Infosperber Auszüge aus dem Report und der Medienmitteilung wieder.
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Palmöl: Ein lukratives Geschäft für Schweizer Konzerne
60 Prozent aller verpackten Supermarktprodukte enthalten Palmöl. Mit einem jährlichen Verbrauch von 445’000 Tonnen respektive 110’000 Tonnen verarbeiten Nestlé und Barry Callebaut mit Abstand am meisten Palmöl von allen Schweizer Firmen. Nestlé gehört zu den sieben grössten Abnehmern von Palmöl weltweit. Die untersuchten Plantagen in Malaysia beliefern die beiden Schweizer Konzerne direkt.
Malaysia drittwichtigster Palmöl-Lieferant der Schweiz
Schon seit 2012 verhandelt die Schweiz im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA über ein Freihandelsabkommen mit Malaysia, das auch Zollvergünstigungen für «nachhaltiges» Palmöl enthalten soll.
Solidar Suisse hat berechnet, wie hoch ein existenzsichernder Lohn für Palmölarbeiter*innen in der Region Sabah, Malaysia, sein müsste. Die Recherche zeigt: Keine der untersuchten Plantagen bezahlt ihren Arbeiter*innen auch nur annähernd einen existenzsichernden Lohn.
Dieser beträgt rund 2540 malaysische Ringgit (ca. 508 Franken). Doch die real bezahlten Löhne betragen gerade einmal zwischen 800 und 1’800 Ringgit (160 bis 360 Franken). Die tiefsten Löhne sind also nicht einmal ein Drittel dessen, was für ein menschenwürdiges Leben notwendig wäre. Viele Arbeiter*innen erreichen trotz Vollzeit nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn.
Bei Regen oder Krankheit kein Einkommen
Die Armutslöhne haben System: Praktisch alle Arbeiter*innen sind im Akkordlohn beschäftigt. Ihr Verdienst hängt von der Ertragsmenge und externen Faktoren wie dem Wetter ab. Bei Regen oder Krankheit entfällt das Einkommen komplett. Die meisten Menschen auf den Plantagen müssen Schulden aufnehmen, um Lebensmittel oder andere Grundbedürfnisse zu finanzieren.
Die Arbeiter*innen in Sabah stecken in einem Teufelskreis aus Armut, Illegalität und Perspektivenlosigkeit, 80 Prozent der Beschäftigten sind Arbeitsmigrant*innen, vorwiegend aus Indonesien. Ohne legalen Status bleibt ihnen und ihren Familien der Zugang zum öffentlichen Gesundheits- und Bildungssystem verwehrt. Viele leben in Angst vor Polizeirazzien und Abschiebungen.
Nachhaltigkeitslabel ohne Garantie für faire Löhne
Sämtliche Mühlen, die zu den untersuchten Plantagen gehören oder sich in der Nähe befinden, sind auf der Lieferantenliste von Nestlé und Barry Callebaut aufgeführt. Sie setzen auf das Nachhaltigkeitslabel RSPO (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl), welches auch im Rahmen des Freihandelsabkommens mit Indonesien als Anforderung für zollvergünstigtes Palmöl gilt.
Obwohl sie sich zu «verantwortungsvollem» Palmöl bekennen, zeigt der Bericht gravierende Missstände in ihrer Lieferkette auf.
Bei beiden Firmen erfüllt nur der geringste Teil des verarbeiteten Palmöls den vom Label definierten Standard, der die Einhaltung entlang der ganzen Lieferkette sicherstellen soll. Beide Firmen, insbesondere Nestlé, kaufen für einen erheblichen Anteil ihrer Lieferkette sogenannte «RSPO Credits». In diesem Ablasshandel werden Beiträge an Produzent*innen bezahlt, die nach RSPO-Standard produzieren, als Ausgleich für bezogenes Palmöl, das dem Standard nicht entspricht.
Problem nur teilweise erkannt
Nestlé hat gemäss eigenen Angaben die Bezahlung eines existenzsichernden Lohnes als «drängendes Thema» erkannt und einen Aktionsplan zur Einführung von Existenzlöhnen veröffentlicht. Dieser berücksichtigt aber nur eigene Angestellte und direkte Lieferanten, nicht jedoch die vorgelagerte Lieferkette, zum Beispiel Palmölplantagen. Bei Barry Callebaut finden sich keine konkreten Hinweise für Bemühungen, entlang der Lieferkette einen existenzsichernden Lohn zu bezahlen.
Als Mitglieder und Verfechter des RSPO-Standards könnten sie sich auch dafür einsetzen, dass die Bezahlung eines Existenzlohnes wieder als Zertifizierungskriterium im Kriterienkatalog aufgenommen wird, nachdem die kürzlich überarbeiteten Richtlinien die Zahlung eines existenzsichernden Lohnes nicht mehr verlangen.
Arbeitsrechte in einem Freihandelsabkommen mit Malaysia
Seit 2012 verhandelt die Schweiz im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA mit Malaysia über ein Freihandelsabkommen. «Die Arbeitsbedingungen im Palmölsektor sind ein wichtiger Punkt in den Verhandlungen», erklärte das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO gegenüber der Wochenzeitung «Le Courrier» Die EFTA wolle die Respektierung der Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter gegenüber der früher im Abkommen mit Indonesien getroffenen Vereinbarung noch verstärken.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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