saving-3404363_1280

Wo soll SRF sparen? Nicht beim Wissenschaftsjournalismus, sagen protestierende Professoren. © kreatikar

Ein allzu enger Blick auf die SRF-Sparmassnahmen

Rainer Stadler /  Bekannte Professoren protestieren gegen einen Abbau des Wissenschaftsjournalismus bei SRF. Sie übertreiben.

Dieser Tage haben prominente Professoren aus der schweizerischen akademischen Welt eine Online-Petition publiziert. Sie plädieren für einen «starken Wissenschaftsjournalismus» und kritisieren die Abschaffung des Radio-«Wissenschaftsmagazins» durch SRF. In ihrem Aufruf, der bis am Freitagmorgen bereits mehr als 6900 Unterstützer versammeln konnte, äussern sie «ihre grosse Besorgnis» darüber, dass SRF in diesem Bereich «markante Einsparungen» machen wolle. In Zeiten grassierender Falschinformationen müsse Wissenschaftsjournalismus gestärkt und dürfe auf keinen Fall geschwächt werden, schreiben die Kritiker.

Weiterhin 20 Stellen für Fachjournalismus

Unbestritten ist, dass die hiesigen Medien diesen redaktionellen Fachbereich nicht zuletzt wegen Finanzierungsproblemen stark abgebaut haben. Wie sieht es aber bei SRF aus? Auf Anfrage sagte dessen Sprecher, Roger Muntwyler, dass der öffentliche Sender in der Redaktion Wissenschaft derzeit 29 Personen beschäftige, die sich auf 21,75 Vollzeitstellen verteilen. Gemäss den derzeitigen internen Berechnungen sollen aus Spargründen maximal 2 Vollzeitstellen gestrichen werden – das entspricht einem Abbau von etwas mehr als 10 Prozent.

Ist das eine markante, gefährliche Reduktion, wie die Professoren meinen?  Bei SRF bleiben nach der Einsparung fast 20 Vollzeitstellen erhalten. Das ist im schweizweiten Vergleich eine beträchtliche Zahl. Kein anderes Medium beschäftigt so viele Wissenschaftsjournalisten. Wobei zu berücksichtigen ist, dass ein hauptsächlich audiovisueller Medienanbieter mehr Arbeitskräfte braucht als eine textbasierte Redaktion.

Wenn SRF eine Sendung abschafft, gibt es zumeist Protest aus dem engeren sozialen Umfeld des Angebots. Jeder kämpft um sein Gärtchen. Im aktuellen Fall trifft es das «Wissenschaftsmagazin» des Kulturkanals, und entsprechend löste das in der akademischen Welt Unmut aus. Derartige Aktionen gehören seit langem zum medienpolitischen Ritual, das jedoch selten eine langfristige Wirkung hat. Die Proteste dürften sich indessen häufen, je stärker die SRG gezwungen ist, starke Sparmassnahmen zu ergreifen. Und diese sind unerlässlich angesichts einer Politik, die die Einnahmen des nationalen öffentlichen Senderverbunds erheblich reduzieren will.

Schablonenhafte Diskussion

Die grosse Frage bleibt, wie und wo die SRG und damit auch SRF sparen soll. Was gehört zum Kernbereich des audiovisuellen Service public, der keineswegs angetastet werden darf? Weder der Bundesrat noch die Politik oder die Medien haben bisher ein Interesse an einer gründlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema gezeigt. Entsprechend zufällig, schablonenhaft und oberflächlich verlaufen die Diskussionen. Der grössere Blick aufs Thema fehlt. Die Verfechter eines engen und eines breiten Leistungsauftrags stehen sich sprachlos gegenüber.

Die SRG jedoch steht wegen der finanziellen Perspektiven unter Zeitdruck und muss handeln. Sie zeigt dabei Mühe, eine nachvollziehbare Umbau-Strategie zu vermitteln, was nicht verwundert, denn die politischen Rahmenbedingungen ändern sich laufend. Entsprechend jagt eine Reform die nächste, so dass es dabei selbst einem interessierten Beobachter schwindlig werden könnte. Wegen der unklaren politischen Vorgaben und der oberflächlichen öffentlichen Diskussion gewinnt die SRG aber auch Spielraum. Sie kann – im Rahmen der finanziellen Zwänge und des vage formulierten Leistungsauftrags – ihre eigenen Vorstellungen eines künftigen öffentlichen Medienangebots durchsetzen.

Zurück zum Wissenschaftsjournalismus von SRF: Wenn ein Fachmagazin verschwindet, wächst die Gefahr, dass dessen Themen an Sichtbarkeit verlieren. Dies zeigte sich in anderen Medienhäusern, welche die Rubriken für Fachredaktionen strichen. Die journalistischen Spezialkräfte sind dann gezwungen, ihre Vorschläge in den tagesaktuellen Redaktionen durchzusetzen, wo sie Gefahr laufen, den Wettbewerb mit den Politik- und Wirtschaftsjournalisten zu verlieren. SRF sagt, dass man Wissenschaftsthemen nicht nur in den grossen Nachrichtensendungen und dem «Echo der Zeit» oder dem «Rendez-vous» unterbringen will, sondern auch donnerstags bei Radio SRF1 zwischen 14 und 15 Uhr, mit vier vierminütigen «Themenblöcken», allerdings nur dreimal pro Monat.

Mehr Reichweite – eine Sünde?

SRF argumentiert, man könne auf diesem Kanal viel mehr Publikum als mit dem Kultursender erreichen – eine Sichtweise, die den Professoren nicht gefällt. Klicks und Reichweiten seien nicht gleichbedeutend mit Relevanz, schreiben sie in ihrer Petition. Das stimmt. Aber der Versuch, möglichst viel Publikum für ein Thema zu interessieren, ist ebenso wenig ein genereller Angriff auf die Qualität eines Angebots. Das «Wissenschaftsmagazin», dessen Abschaffung nun beklagt wird, hat die Themen teilweise zu wenig so präsentiert, dass man sich als Zuhörer angesprochen fühlte. Studien wurden zuweilen auf dröge Art referiert.

SRF hat in den vergangenen Jahren neue Präsentationsformen entwickelt, die im Vergleich zum latent depressiven Generalbass der ehemaligen DRS-Radiokultur ein Gewinn sind. Auf diesem Weg sollte der Sender weitergehen. SRF greift ferner Wissenschaftsthemen in «Einstein» und «Puls» sowie in der digitalen Rubrik «SRF Wissen» auf. Insofern muss man derzeit nicht um einen substanziellen Abbau der Wissenschaftsthemen im öffentlichen Sender fürchten. Vorausgesetzt, die entsprechende Redaktion wird im Verlauf von weiteren Sparmassnahmen nicht scheibenweise verkleinert.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

SRG_Dossier

Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

9 Meinungen

  • am 15.02.2025 um 11:24 Uhr
    Permalink

    Wenn der Präsident einer grossen staatstragenden Partei der Schweiz salopp empfiehlt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten, müssen wir uns fragen, ob es nicht angezeigt ist, alle Möglichkeiten der Darstellung wissenschaftlicher Zusammenhänge zu nutzen. Unsere Nachkommen haben dies verdient!
    Heinz Wanner

    • am 17.02.2025 um 07:03 Uhr
      Permalink

      Viel wichtiger wäre, die Finanzierung der Forschung zu entflechten, damit wieder „echte“ Wissenschaft betrieben wird und nicht nur in die Richtung geforscht wird, die lukrativ für jemanden ist. Oder in welcher sich jemand profilieren kann. Viele der sogenannten „wissenschaftlichen Zusammenhänge“ sind bei näherer Betrachtung keine sondern eher aus dem Zusammenhang gerissene Behauptungen. Grade in den letzten 5 Jahren gab es doch sehr viele Beispiele.

  • am 15.02.2025 um 11:32 Uhr
    Permalink

    Rainer Stadler ordnet das Zedermordio um das SRF-Wissenschaftsmagazin wohl richtig ein. Die Sendung war jahrelang nach demselben Muster gestrickt: In erster Linie wohlwollende Berichterstattung zur Forschung, eingangs mit der staunenden Zusammenfassung von Resultaten aus renommierten Magazinen wie Nature und Science, gefolgt von etwas vertiefenden Beiträgen mit O-Tönen der Forschenden. Wirkliches Neuland wurde für die Sommerpause eingeholt, wenn die Redaktorinnen und Redaktoren sich einem Thema vertieft widmeten und auch den Fuss ausserhalb der Redaktion setzten. Das war ein Ansatz, den man hätte weiter entwickeln müssen, vor allem auch mit dem kritischen Blick, was die Schweiz anders, schlechter oder besser macht als Forschende auf selben Gebiet im Ausland. Daraus hätten auch Beiträge destilliert werden können, die es vermehrt zu SRF 1 oder 4 geschafft hätten. OK, vom sicheren Port, lässt sich gemächlich raten, aber mehr Kontroverse wäre nötiges Salz für die Magazinsuppe gewesen.

  • am 15.02.2025 um 17:36 Uhr
    Permalink

    SRF ist hier mit einer sehr cleveren Strategie gegen die Halbierungsinitiative unterwegs. Man macht nicht Sparvorschläge beim ganzen oberflächlichen, unnützen Quatsch, sondern wählt Sendungen aus Wissenschaft und Kultur, wo ein offensichtlicher Auftrag im Sinne des Service public besteht. Dann ist man sich sicher, dass öffentlichkeitsgeile Selbstdarsteller, z.B. aus dem ETH- oder Unterhaltungsbereich, eine eindrückliche Gratiskampagne für den Erhalt des Status quo beim Schweizer Fernsehen abfeuern werden. Und das hat ja auch prima geklappt. Gratulation.

  • am 15.02.2025 um 23:02 Uhr
    Permalink

    Rainer Stadler liegt falsch. Gegen die Abschaffung der Radiosendung «Wissenschaftsmagazin» protestieren nicht nur ein paar Professoren, sondern (Stand 15.2.) 22’000 Menschen: Engagierte Hörerinnen und Hörer, welche die Sendung auf SRF2Kultur empfangen oder als Podcast abonniert haben und der Ansicht sind, dass hier eine Kernaufgabe der SRG kompetent, verständlich und attraktiv erfüllt wird.
    Diese Sendung sei «dröge»? Wer Ohren hat zu hören, gelangt bei jeder Ausgabe zum Schluss, dass hier ein inhaltlich und gestalterisch hochqualifiziertes Team mit Elan und hörbarer Freude an der Arbeit ist. Eine Arbeit, welche z.B. während der Pandemie breit in Sendungen wie «Echo der Zeit» und «Rendez-vous am Mittag» ausstrahlte. Alles schon vergessen?
    Der Klimawandel ist die grösste globale Herausforderung der nächsten Jahrzehnte, mit weiteren Pandemien ist zu rechnen, mit Fake News und Verschwörungstheorien dito. In dieser Situation die Wissenschafts-Berichterstattung zu schwächen, ist fahrlässig

  • am 16.02.2025 um 15:10 Uhr
    Permalink

    Die ganzen Wissenschaftsgremien der Medien haben sich obsolet gemacht, nach dem Versagen während der Pandemie. Entweder macht man Wissenschaftsvermittlung oder aber eben Politik. Auf zweiteres kann gut verzichtet werden.

  • am 16.02.2025 um 18:17 Uhr
    Permalink

    Grundsätzlich würde natürlich ein fundierter Wissenschaftsjournalismus viel mehr zum Auftrag von SRF gehören als Formate wie 1 gegen 100 oder Happy Day.
    Allerdings hat SRF in diesem Bereich auch mit 29 Mitarbeitenden in der Coronakrise ziemlich übel versagt. Und ein Wille, daraus zu lernen, ist nicht erkennbar. So hat SRF die RKI-Files immer noch keines Wortes gewürdigt, angeblich, weil das nicht interessant sei. Und dass Schweden von allen europäischen Staaten mit der günstigsten Sterbestatistik durch die Krise gekommen ist, wissen Leute, welche sich nur über SRF informieren, auch nicht.
    Natürlich wird die Misere durch Stellenabbau nicht behoben, aber das würde sie auch durch eine Aufstockung nicht. Das Problem liegt tiefer.

  • am 16.02.2025 um 20:06 Uhr
    Permalink

    Als ehemaliger Leiter der Redaktion, die das Wissenschaftsmagazin verantwortet, erlaube ich mir ein paar Anmerkungen: Die Zahl von 20 Stellen ist irreführend. Die Audioredaktion umfasst rund 5 Stellen: Radio lässt sich effizient mit wenig Ressourcen produzieren. Neben dem Wissenschaftsmagazin beliefert die Redaktion auch die Newsredaktionen (z.B. Echo), SRF1, SRF3 und Tagesschau und 10 vor 10 als inhouse-Experten. Zwischen diesen Beiträgen gibt es viel Synergie: Die Streichung beendet diese: der Verlust wird grösser als die eingesparten Stellen.
    Das Magazin hatte 2022 ca. 80’000 Hörer und Downloads – etwa so viele, wie die BaZ erreicht (Wemf). Nicht schlecht für ein Special interest-Magazin. Innert kurzem haben über 20’000 Menschen Petitionen gegen die Streichung unterzeichnet. Sie scheinen die Meinung des Autors nicht zu teilen, dass die Beiträge nicht ansprechend seien.
    Die Redaktion entwickelte einen Podcast, um ein jüngeres Publikum zu erreichen. Dieser wurde vor kurzem gestrichen.

  • am 17.02.2025 um 18:26 Uhr
    Permalink

    Was ich hier einmal mehr vermisse – sowohl generell und grundsätzlich als auch speziell betreffend SRF – ist eine qualifiziert geführte Diskussion der politisch Verantwortlichen zur Qualität, wenn es um das Sparen geht (was unabdingbar scheint, und es immer noch mehr sein dürfte). Druck entsteht nicht nur, weil das Geld knapp wird, sondern auch, weil viele an Bisherigem festhalten – und zugleich spüren, dass es einfach so nicht weitergehen kann.
    Wenn erstarrte Systeme aufbrechen, kann dies Angst machen. Aber es mag auch kreativer Raum und neue Lebendigkeit frei werden. Denn wenn Altes zu Ende geht, entfaltet das Leben seine unbändige Kraft zur Erneuerung. Es bestehen einerseits Herausforderungen, die es zu meistern, aber andererseits auch Chancen, die es zu nutzen gilt.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...