«Wie» – Schindluder mit drei Buchstaben
Gegenüber Radio SRF sagte die grüne Berner Nationalrätin Aline Trede – angesprochen auf verschiedene Klimaschutzmassnahmen: «Es braucht wie beides. Es braucht wie alles.»
«Wie» ist ein unnützes Modewort. Der Zuhörer, die Zuhörerin fragt sich: Braucht es wirklich beides? Braucht es wirklich alles? Oder nur «wie beides» und «wie alles»?
Weitere Müsterchen von Aline Trede aus der Sendung «Tagesgespräch»:
- «Es hat schon immer wie einen Austausch gegeben.»
- «Da müssen wir wie zusammenarbeiten.»
- «Warum ich die Diskussion wie nicht verstehe, …»
- «Das haben wir leider wie verpasst.»
- «Wir haben uns auf autokratische Staaten wie verlassen müssen.»
- «Die Bevölkerung muss wie auch okay sein.»
- «Wir haben wie einen neuen Entscheid.»
«Wie» dient allen, die sich nicht festlegen wollen. Die im Ungefähren bleiben wollen. Und das führt dann zu absurden Aussagen wie: «Ich habe es wie vergessen.» Dabei ist eigentlich klar. Entweder man hat vergessen. Oder man hat nicht vergessen.
Weitere Beispiele: «Es ist mir wie zu viel geworden.» «Das Mehl ist mir wie ausgegangen.» «Mir ist es wie zu kalt.» «Das Problem hat wie zwei Seiten.» «Das System ist wie überlastet.» «Das regelmässige Einkommen fällt wie weg.»
Hier der letzte Teil der alphabetischen Liste von Wörtern (T bis Z), die es zu vermeiden gälte:
- Technologie: Bedeutet eigentlich «die Lehre der Technik». Meistens ist mit «Technologie» bloss «Technik» an sich gemeint. Aber «Technologie» klingt halt ein bisschen wissenschaftlicher.
- tektonische Plattenverschiebung: In einem Interview mit dem abtretenden Chef des Amtes für Kultur des Kantons Bern meinten die «Bund»-Journalisten: «In ihre Amtszeit fielen diverse tektonische Plattenverschiebungen.» Das ist Unsinn. Im Amt für Kultur gibt es keine «tektonischen Plattenverschiebungen». Und auch bei Wahlen gibt es keine «tektonischen Plattenverschiebungen», selbst wenn das Wichtigtuer unter den Journalisten gerne behaupten. Eine «tektonische Plattenverschiebung» gibt es auf Island. Und dort ist sie ein ernsthaftes Problem.
- Thema: SRF meldete über sich selber: «Wir haben das Thema, dass wir möglichst viele ausbilden müssen.» Dabei hat SRF nicht ein «Thema», sondern eine «Aufgabe» oder ein «Problem».
- Thematik: Blähwort für «Thema». Oder auch für «Aufgabe» oder für «Problem». Siehe oben.
- toxisch: Mittlerweile ist alles «toxisch»: Beziehungen, Partner, Konstellationen, das Arbeitsklima, sogar Aktien – und vor allem Männlichkeit. Damit ist aber wenig gesagt. Denn «toxisch» bedeutet einfach «giftig». Meist ist aber «bösartig», «gefährlich», «schädlich» oder «zermürbend» gemeint. Warum also nicht diese wunderbaren deutschen Wörter verwenden?
- triggern: Modewort. «Warum triggert uns eine spanische Erdbeere so sehr?», fragte die «Berner Zeitung». Sie hätte auch «Warum stört uns …» schreiben können.
- unregelmässig: In Tamedia-Zeitungen war von «unregelmässigen Verträgen» die Rede. Gemeint waren «unsaubere», vielleicht sogar «gesetzwidrige». Was wirklich das Problem mit den Verträgen war, erfuhren die Leser nicht.
- Unregelmässigkeit: Normalerweise geht es bei «Unregelmässigkeiten» nicht um einen falschen Rhythmus, sondern um einen «Fehler», eine «Täuschung» oder sogar um einen «Betrug». Warum also das ungenaue Wort «Unregelmässigkeiten»?

- Unschärfe: Der «Bund» berichtete über die «Unschärfen der Prognostiker». Was eine «Unschärfe» ist? Ein «Fehler». Im Artikel ging es nämlich darum, dass die Prognostiker vor den Wahlen falsch gelegen hatten. «Unschärfe» ist ein verharmlosender Ausdruck. Warum das Kind nicht beim Namen nennen?
- unterwegs: Wer Zeitungen liest, erfährt, dass Menschen «mit vorgefassten Meinungen unterwegs» sind, dass sie «digital unterwegs» sind, «asketisch unterwegs», «musikalisch unterwegs», andere sind «zweisprachig unterwegs» oder «faktenfrei unterwegs». «Unterwegs» lässt sich entweder streichen oder mit einem kraftvollen Verb ersetzen.
- urban: Bedeutet nichts anderes als «städtisch».
- Vakzin: Ist ein «Impfstoff».
- verbale Drohgebärde: Nichts anderes als eine «Drohung».
- Verbindlichkeiten: Sind ganz einfach «Schulden».
- vertikal: Warum nicht «senkrecht»?
- Verwerfung: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter sagte in ihrer Neujahrsansprache: «Hätten wir diese Demut vor der Demokratie nicht, würde jede Entscheidung zu Verwerfungen führen.» Was sie mit den «Verwerfungen» wohl meinte? Weiss sie es selber?
- Visibilität: Der «Tages-Anzeiger» berichtete von Künstlerinnen, die «mit ihrer Kunst für mehr Visibilität sorgen möchten». Die Künstlerinnen wollen also für «Sichtbarkeit» sorgen – aber offenbar nicht für Verständlichkeit. Sonst würden sie nicht von «Personen mit Vulven sprechen». Es sieht aus, als ob die Künstlerinnen möglichst unter sich bleiben möchten.
- virtuell: Wieder der «Tages-Anzeiger»: «Es folgt ein virtuelles Gespräch am Computerbildschirm». Frage: Was soll das Wort virtuell? War es ein Gespräch? Oder war es keines?
- volatil: Eigentlich Börsensprache, wird aber mittlerweile für alles Mögliche verwendet. Bedeutet «stark schwankend».
- Volunteers: Für einmal wäre das deutsche «Freiwillige» ebenso falsch. Gemeint sind nämlich nicht Leute, die freiwillig einen Einsatz leisten, sondern gratis. Richtig wäre deshalb der etwas verstaubte Begriff «Ehrenamtliche».
- vulnerabel: Das Wort «vulnerabel» begann während der Corona-Pandemie seine Karriere. Heisst nichts anderes als «empfindlich», «anfällig», «verletzlich», «verwundbar» oder «gefährdet». Es gäbe also eine ganze Reihe genauer Alternativen, die jeder versteht – auch ohne Hochschulabschluss.
- witterungstechnisch: Verlegenheitswort. Zum Beispiel verwendet, als ein Skirennen verschoben werden musste. Dabei ist an der Witterung nichts «technisch», sondern «natürlich». Zusammensetzungen mit «-technisch» sind meistens ebenso sinnlos wie Zusammensetzungen mit «-mässig».
- wettbewerbsintensiv: Die «NZZ» informierte uns in einem Artikel über die Swisscom: «Der italienische Markt ist wettbewerbsintensiv und stark fragmentiert.» Das ist Marketingsprache. Wie alle Zusammensetzungen mit «-intensiv». Der italienische Markt ist ganz einfach «umkämpft» und stark «aufgespaltet».
- wie: siehe Haupttext oben.
- woke: Modewort. Heisst «achtsam», «aufmerksam», «bewusst», «sensibel» oder «wachsam».
- Zeitachse: Schlecht drücken sich nicht nur Journalisten aus, sondern auch Beamte. Der Kanton Luzern beklagte sich über den Bund: «Beantragte Massnahmen in der Grössenordnung von rund 200 Millionen Franken werden vom Bund nicht unterstützt oder auf der Zeitachse nach hinten verschoben.» Wer das verstehen will, muss sich ein Diagramm vorstellen – mit «Zeitachse». Dabei ginge es ganz einfach: Der Bund hat den Strassenausbau «aufgeschoben»
- zeitintensiv: Wieder ein Modewort. Bedeutet «aufwendig» oder «zeitraubend».
- zeitnah: Ein wunderbares Wort für Schaumschläger. Alle anderen, die sich nicht festlegen wollen, sagen «bald» oder «rasch». Und alle, die sich festlegen, sagen «heute», «morgen» oder «nächste Woche».
- Zivilbevölkerung: Gemeint ist eigentlich immer die «Bevölkerung».
- Zivilgesellschaft: Und hier die «Gesellschaft». Dass diese zivil ist, versteht sich von selbst.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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