Tanker in the sea - top view

Immer mehr Gas kommt mit LNG-Tankern nach Europa. Der Ukrainekrieg hat die Versorgung über Pipelines eingeschränkt. © imarksm/Depositphotos

US-LNG-Gas hat Europa gerettet, aber der Preis ist hoch

Christof Leisinger /  Seit dem Ukrainekrieg muss Europa den Gasbedarf mit teuren Importen decken, auch aus den USA. Trump droht sonst mit Zöllen.

Billiges Gas aus russischen Pipelines und eine Friedensdividende – damit ist es in Europa vorbei, seit Wladimir Putin im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat. Der Despot hatte die Gaslieferungen in den Westen schon im Vorfeld drosseln lassen. Und nach Kriegsbeginn wollten die europäischen Staaten den Energie-Import aus dem Osten möglichst stark reduzieren, um Putins Krieg nicht auch noch weiter zu finanzieren.

Tatsächlich sind die europäischen Gasimporte aus Russland schon vor zwei Jahren deutlich zurückgegangen, wenn auch noch nicht vollständig versiegt. Davon haben unter anderem Norwegen, Katar und vor allem auch die USA profitiert. Die von der Geopolitik brutal aus den energiepolitischen Träumen geholten Europäer wollten unbedingt vermeiden, im Winter im Kalten zu sitzen, und waren bereit, alternative Anbieter mit entsprechend hohen Preisen zu locken.

Europa muss um Energielieferungen buhlen

So mussten sich die europäischen Regierungsvertreter unterwürfig-hoffnungsvoll an die vorher wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierten Länder am Persischen Golf wenden, und beinahe schon flehentlich an die Amerikaner. Plötzlich sollten es die nordamerikanischen Energieriesen und die spezialisierten Flüssiggasunternehmen richten, nachdem man sie kurz zuvor noch wegen der Förderung von Fracking-Gas als «tiefste Umweltsünder» verachtet hatte.

LNG Exporte der USA nach Europa
Die LNG-Exporte der Amerikaner nach Europa florieren. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Sie konnten froh sein, dass diese Firmen schon in vorhergehenden Jahren trotz aller Widerstände enorme Investitionen getätigt hatten. Faktisch hatten sie grosse Anlagen zur Verflüssigung von Erdgas gebaut, riesige Tankschiffe für den Transport dieses tiefgekühlten Energieträgers entwickelt und Kunden in aller Welt gefunden, welche ihrerseits die Infrastruktur aufbauten, um das LNG abnehmen zu können.

Auf dieser Basis blühte das Geschäft mit LNG oder eben mit dem verflüssigten, tiefgekühlten Erdgas weltweit richtiggehend auf. Heute zählen die amerikanischen Anbieter neben den Kataris und den Australiern zu den grössten Exporteuren – und der Trend zeigt weiter nach oben. Schätzungen von Fachleuten besagen, dass die LNG-Nachfrage in den nächsten 15 Jahren um die Hälfte zunehmen wird. Im Moment werde das Wachstum von Kapazitätsengpässen gebremst, heisst es.

Gute Geschäfte für amerikanische LNG-Firmen

Hektisch versuchen Firmen wie Cheniere Energy, EQT, Southwestern Energy, Golar LNG, Flex LNG, Freeport LNG oder auch Tellurian neben den Energieriesen Exxon Mobile, Shell und BP, ihre Anlagen auszubauen, um mehr zu liefern – und natürlich, um höhere Gewinne zu machen. Sie wollen vor allem auch von der Zahlungsbereitschaft in Europa profitieren. Hier sind die Gaspreise zwar nicht mehr ganz so astronomisch wie unmittelbar nach Kriegsbeginn in der Ukraine, aber immer noch sehr hoch.

Schweizer Konsumenten zahlen in diesen Tagen rund 50 Prozent mehr für Strom und Gas als noch vor fünf Jahren, wie die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. Daran dürfte sich in nächster Zeit kaum etwas ändern, denn das Angebot in Europa bleibt eher knapp. Sollte der verbliebene russische Gasexport durch die Ukraine endgültig zum Erliegen kommen, müssten die Europäer deutlich mehr LNG importieren und möglicherweise entsprechend gut dafür bezahlen.

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Das würde sich auch in der Schweiz bemerkbar machen. Schliesslich kommt das hierzulande verbrauchte Gas aus den umliegenden Ländern. Zum grössten Teil über eine Pipeline, welche aus Deutschland kommend östlich von Basel den Rhein überquert. Diese führt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit LNG-Gas, weil sich die Europäer schon im vergangenen Jahr zu 40 Prozent damit versorgt hatten.

Strom und Gas teurer
Strom und Gas sind in der Schweiz richtig teuer geworden. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Wer allerdings auf eine Entspannung der Preise am europäischen Gasmarkt spekuliert, muss ausgerechnet auf den starken Einfluss der amerikanischen Energielobby bei Donald Trump hoffen. Immerhin hatte der designierte US-Präsident im Wahlkampf versprochen, die Öl- und Gasunternehmen des Landes von der «demokratischen Überregulierung» zu befreien. In seinen Augen sollten sie so viel wie nur möglich fördern.

Sein Vorgänger Joe Biden dagegen hatte im Januar dieses Jahres die Genehmigung neuer Exportterminals gestoppt, da er Kosten und Nutzen des LNG-Booms untersuchen lassen und gegeneinander abwägen wollte. Und eine von ihm in Auftrage gegebene, mit Spannung erwartete, kürzlich veröffentlichte Studie des Energieministeriums kam zum Schluss, dass das rasche Wachstum des Flüssiggassektors des Landes möglicherweise nicht im nationalen Interesse liege.

Scheinheiligkeit der Energiepolitik unter Biden und in Deutschland?

«Eine uneingeschränkte Steigerung der Exporte würde der LNG-Industrie sicherlich zu mehr Wohlstand verhelfen. Aber die amerikanischen Konsumenten und Gemeinden sowie unser Klima würden den Preis dafür zahlen», erklärte die nur noch ein paar Tage amtierende Energieministerin Jennifer Granholm. Der Bericht warnte vor einem Anstieg der amerikanischen Grosshandelspreise für Erdgas um bis zu 30 Prozent, so dass ein durchschnittlicher Privathaushalt jährlich über 100 Dollar mehr für sein Gas zahlen müsste.

Er geht also tendenziell in eine ähnliche Richtung, wie fundamentale Kritiker der Technologie, etwa die von Reclaim Finance. Sie warnen vor Methanlecks an den LNG- Anlagen, die bis Ende des Jahrzehnts angeblich zehn Gigatonnen Treibhausgasemissionen verursachen könnten – fast so viel wie alle derzeit weltweit betriebenen Kohlekraftwerke zusammen. «Jedes geplante Projekt gefährdet das Pariser Abkommen. Die uneingeschränkte Finanzierung von LNG durch Banken und Investoren ist der Treibstoff für eine zukünftige Klimabombe!», behauptet Sprecherin Justine Duclos-Gonda.

Andere warnen, dass die Politik zumindest in Deutschland einen «Grünen Kapitalismus» vorantreibt, der sowohl soziale Ungerechtigkeiten verschärft als auch den Kampf gegen den Klimawandel in sein Gegenteil verkehrt und in ein profitgenerierendes und imperialistisches Projekt verwandelt. Beispielhaft hierfür sei der Aufbau und die rigorose Durchsetzung einer neuen fossilen LNG Infrastruktur. Dabei werde neben der Verstetigung von Klimakillern auch die massive Zerstörung wertvoller Küsten und Urlaubsgebiete wie Rügen in Kauf genommen. LNG sei eine Klimabombe und grüne Politiker hantierten mit Greenwashing und faustdicken Täuschungen, so das Fazit.

Trump wird den Export wohl trotz gegenteiliger Argumente ankurbeln

Donald Trump hingegen wird solche Studien sehr wahrscheinlich in der Luft zerreissen, den Schutz besonderer Landflächen in den USA einschränken und verstärkt neue Förderlizenzen ausgeben. Er lässt sich stark von der Lobby der Öl- und Gasindustrie beeinflussen, die schon seit langem plakativ argumentiert, LNG-Exporte in grossem Stil kämen dem Klima zugute. Denn sie brächten die Welt von der Kohle ab, dem schmutzigsten fossilen Brennstoff überhaupt.

Und Trump verknüpft die Interessen seiner Klientel, die im Wahlkampf kräftig für ihn gespendet hat, mit seiner Vorstellung von Handelspolitik. Gerade erst erklärte er auf seiner eigenen Social-Media-Plattform, die Europäer müssten sich verpflichten, künftig in grossem Umfang Öl und Gas aus den USA zu kaufen, um ihre Handelsbilanzüberschüsse auszugleichen. Sonst drohten Zölle. Damit scheinen die Europäer vom «russischen Regen» in die «amerikanische Traufe» geraten zu sein.

LNG Exportpreise der USA nach Europa
Die LNG-Exportpreise per Schiff sind zwar nicht mehr auf Krisenniveau, aber teilweise immer noch hoch. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Zum Infosperber-Dossier:

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7 Meinungen

  • am 21.12.2024 um 11:14 Uhr
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    Einige Infosperber-Autoren müssen aufpassen, nicht in die Propaganda abzudriften. Nach welchen Massstäben werden manche Staatschefs hier als «Despoten» bezeichnet, andere jedoch nicht? Zudem hat Russland die Gaslieferungen nach Europa nicht «drosseln lassen» (erst recht nicht vor dem Krieg, aber auch seither nicht).

  • am 21.12.2024 um 12:11 Uhr
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    Wer sich über hohe Gaspreise und das besonders «klimafreundliche» LNG beklagt, sollte an den Auslöser dieser Entwicklung denken. Mit dem Heranrücken der NATO an die russischen Grenzen, dem damit provozierten Krieg und den damit verbundenen Sanktionen gegen Russland, zuletzt der Sprengung der Ostsee-Pipelines haben die USA endlich ihr Ziel erreicht. Europa (besonders Deutschland) beziehen jetzt ihr Gas von dort und aus lupenreinen Demokratien anstatt von einem Despoten (der allerdings weiterhin großen Rückhalt im eigenen Land hat) zu so hohen Preisen, dass Schlüsselindustrien das Land verlassen. Oft in Richtung USA. Um politische Entwicklungen zu verstehen, muss man die GANZE Geschichte betrachten. Und das ist für den Konsumenten nur der «Qualitäts-«Medien (und der Oligarchen-Presse) nicht möglich. Deshalb großen Dank an Infosperber, der als wirkliches Qualitätsmedium allseitig und weitgehend objektiv informiert.

  • am 21.12.2024 um 13:36 Uhr
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    Los Angele Times s By Kevin Phillips Feb. 8, 2004: «Bush Family Values: War, Wealth, Oil» und Wikipedia «House of Bush, House of Saud»
    Wie man hört, soll es in den USA einflussreiche Persönlichkeiten geben, die meinen, dass der Bush-Clan die Türöffner und Ideengeber für die saudischen Prinzen sein könnten, wie man Europa von Russland isoliert, damit die Oelgeschäfte, die von den Saudis kontrolliert werden noch mehr Gewinne bringen und das könnte der Grund sein, warum der Ukraine-Konflikt inszeniert werden konnte. Die Frage ist wohl, ob tatsächlich das «US-LNG-Gas Europa gerettet» hat? Möglich, das Donald Trump die Geschäfte des Bush-Clans unter die Lupe nehmen wird, um geschäftliche und wirtschaftliche Vorteile zu haben.
    Gunther Kropp, Basel

  • am 21.12.2024 um 13:42 Uhr
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    Zum Glück wird dieser Klimakiller teurer. Hat nichts mit «grünem Kapitalismus» zu tun. Der viel gehypte Wasserstoff-Ersatz oder neuartige Bioheizstoffe (Gas aus Algen?) eher. Eine wirklich preiswerte Heiz-Lösung gibt es wohl nicht ausser Sparen. Ich trage im Haus zur Zeit eine Wolljacke und Daunenveste und fühle mich bei 17-18° wohl. Zum kuscheligen Einschlafen in noch kälteren Zimmern helfen Grossmutter’s Kirsisäcke, Bettflaschen oder elektrische Bettvorwärmer.

  • am 21.12.2024 um 13:45 Uhr
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    Nun, das stimmt nicht:»Der Despot hatte die Gaslieferungen in den Westen schon im Vorfeld drosseln lassen.». Zur Drosselung kam es, weil eine reparierte Gasturbine im Rahmen der Sanktionen nicht aus Kanada an Russland zurückgeschickt wurde. So wie im Kalten Krieg hätte Russland stetig weiter geliefert, nur wurde das nicht gewollt. Auch jetzt könnte man im Interesse Tscheschiens, Ungarns und Österreich die Weiterbelieferung über die ukrainische Pipeline von der Gazprom bekommen (sie hat das angeboten). Aber damit ist 2025 Ende, Vertragauslauf. Die EU, insbesondere Deutschland, hat sich ins eigene Knie geschossen mit dem Wunsch, Russland zu strafen.

  • am 21.12.2024 um 15:41 Uhr
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    zit.(«…Damit scheinen die Europäer vom «russischen Regen» in die «amerikanische Traufe» geraten zu sein….»)
    – das scheint nicht nur so, es IST so. Hinzu kommt, daß das russische Gas genau so wie das Öl am Ende doch seinen Weg in den Markt findet. Wahrscheinlich ist ein Teil der deutschen Importe sogar nach wie vor aus russichen Quellen, eben nur auf (teuren) Umwegen. Na gut – den Schein haben wir aber gewahrt. Diese Schizophrenie kann man kaum vermeiden – es sei denn, man hätte sich nicht in dieses Kriegsszenario hineinziehen lassen. Dazu hätte man allerdings schon sehr viel früher die Weichen anders stellen müssen. Auch das nicht einfach – aber möglich. Bleibt die Frage, an welchem Haken wir lieber hängen – am russischen oder am amerikanischen. Nun ja ….. !

  • am 21.12.2024 um 16:07 Uhr
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    Interessant, dass die (von Biden angekündigte aber bis dato nicht geklärte) Sprengung von Nordstream als Ursache der heutigen Situation mit keinem Wort erwähnt wird.
    Kommt dazu, dass Russland die vertraglich festgelegten und bezahlten Liefermengen bis zuletzt geliefert hat und heute auf Umwegen immer noch Gas und Oel liefert.
    Eine Leitung der Nordstream ist zudem noch intakt, man könnte somit jederzeit auf Russland als Lieferanten zurückkommen.
    Was resp. wer hindert Europa daran? Natürlich der grosse Bruder, der wie im Artikel dargestellt und wie mit dem ganzen Ukraine-Krieg big business macht.
    Und wer das nicht glauben will: lest die zahlreiche Strategiepapiere und Aussagen von US-«Sicherheitsberatern».

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