EU-Parlament

Das EU-Parlament in Strassburg (Foto von 2015). © cc-by-sa Edda Dietrich / flickr.com

EU «bedauert» Telefonat von Scholz mit Putin

Martina Frei /  Beim Krieg in der Ukraine geht es dem EU-Parlament auch darum, eine «strategische Niederlage» für Europa und die USA abzuwenden.

Am 28. November verabschiedete eine Mehrheit des europäischen Parlaments eine Resolution zur «Verstärkung der unerschütterlichen Unterstützung der EU für die Ukraine angesichts des Angriffskriegs Russlands und der zunehmenden militärischen Zusammenarbeit Nordkoreas und Russlands». Unterstützt wurde die Resolution von den Fraktionen der Grünen, Sozialisten, Liberalen und Konservativen.

In der Resolution weisen die EU-Parlamentarier auf Völkerrechtsverletzungen durch russische Streitkräfte hin, die «systematisch und wahllos Wohngebiete und zivile Infrastruktur angegriffen haben, wodurch Tausende ukrainischer Zivilisten getötet wurden und öffentliches und privates Eigentum zerstört wurde» und auch auf «Deportationen, das Verschwindenlassen auch von Kindern, illegale Inhaftierungen, Folter, die Hinrichtung von Zivilisten, Soldaten und Kriegsgefangenen, Terrorakte, sexuelle Gewalt und Massenvergewaltigungen als Kriegswaffe».

EU-Unterstützung «bis zum Sieg»

«In der Erwägung, dass alles andere als ein Sieg der Ukraine weithin als strategische Niederlage sowohl für Europa als auch für die Vereinigten Staaten wahrgenommen würde und weitreichende Folgen für deren Sicherheit hätte», sichert die EU der Ukraine in der Resolution ihre Solidarität und Hilfe zu, «um die Ukraine bei der Verteidigung bis zu ihrem Sieg und beim Wiederaufbau zu unterstützen»

Das EU-Parlament «bedauert, dass der deutsche Bundeskanzler unlängst wieder mit Wladimir Putin telefoniert hat» und rügt zwischen den Zeilen Ungarn unter anderem dafür, «dass der Ministerpräsident und der Aussenminister Ungarns nach Moskau gereist sind, um sich mit dem Aggressorstaat ins Benehmen zu setzen»

China soll sich für Entspannung einsetzen – Deutschland soll Waffen liefern

Auf acht Seiten stellt das EU-Parlament dann Forderungen an Russland, an Nordkorea und weitere Länder. So müsse unter anderem «der Dialog im Indopazifikraum intensiviert werden» und die Zusammenarbeit «mit gleichgesinnten Verbündeten, insbesondere mit Japan, Australien und Taiwan» enger werden. 

Im Wissen, dass der deutsche Bundeskanzler die Lieferung von «Taurus»-Langstreckenraketen bisher ablehnt, fordert das EU-Parlament «die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre militärische Unterstützung für die Ukraine auszuweiten, auch durch die Lieferung von Kampfflugzeugen, Marschflugkörpern mit grosser Reichweite, wozu auch Taurus-Marschflugkörper gehören, modernen Luftabwehrsystemen wie den Systemen Patriot und SAMP/T samt Munition, MANPADS, Artilleriesystemen und -geschossen sowie durch Programme zur Ausbildung der Streitkräfte der Ukraine …»

Anstatt dass China militärische Güter an Russland liefere – was das EU-Parlament «aufs Allerschärfste» verurteilt – fordern die EU-Volksvertreter «China nachdrücklich auf, seinen Beitrag dazu zu leisten, dass Spannungen abgebaut werden und eine weitere Eskalation der Feindseligkeiten verhindert wird».

Mit keinem Wort verlangt das EU-Parlament in seiner 13-seitigen Resolution hingegen das, was unterdessen über die Hälfte der Bevölkerung der Ukraine, die nicht in russisch kontrollierten Gebieten wohnt, laut einer Gallup-Umfrage wünscht: Verhandlungen, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. 52 Prozent dieser Befürworterinnen und Befürworter von Friedensverhandlungen finden, die Ukraine sollte dabei bereit sein, gewisse territoriale Zugeständnisse zu machen. 70 Prozent derjenigen, die für rasche Friedensverhandlungen eintreten, möchten, dass die EU bei diesen Verhandlungen eine bedeutende Rolle spielt.

Doch Friedensverhandlungen und diplomatische Bemühungen, um einen Waffenstillstand zu erreichen, sind für die Mehrheit der EU-Volksvertreter in der Resolution kein Thema.


«Eine Minute vor Zwölf – Einen grossen europäischen Krieg verhindern!»

Mit diesem Aufruf beginnt der «Appell der 38», den 38 prominente Persönlichkeiten vor wenigen Tagen lancierten, darunter der frühere deutsche Innenminister Otto Schily, die Schriftstellerin Juli Zeh, der ehemalige bayrische Staatsminister Peter Gauweiler, die Sportlerin Katharina Witt, der Sänger Peter Maffay, der Schauspieler Henry Hübchen, die Feministin Alice Schwarzer sowie Peter Brandt, Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, die linke Politikerin Sahra Wagenknecht und ihr Ehemann Oscar Lafontaine. 

Die «Last-Minute-Entscheidung» von US-Präsident Biden, Angriffe auf Russland mit von den USA gelieferten Raketen zu genehmigen, habe eine «neue Eskalationsstufe eingeleitet […] Biden hatte sich in der Vergangenheit geweigert, diesen Schritt zu gehen, um, wie er selbst betonte, einen Dritten Weltkrieg zu vermeiden. Gilt das jetzt nicht mehr?», fragen die 38.  

Die «New York Times» berichtete kürzlich, dass die US-Regierung selbst nicht glaube, dass der Einsatz dieser Langstreckenwaffen «den Kriegsverlauf grundlegend ändert». 

«Den Ukraine-Krieg kann und wird keine Seite gewinnen», sind die 38 überzeugt und warnen: «Wenn die Waffen nicht bald schweigen, laufen wir Gefahr, alle gemeinsam zu verlieren.»

Es sei «höchste Zeit, dass sich die deutsche Politik mit Nachdruck für eine Deeskalation und einen sofortigen Waffenstillstand mit anschliessenden Friedensverhandlungen einsetzt. So, wie es zum Beispiel der unter anderem von der Schweiz unterstützte Friedensplan Brasiliens und Chinas vorsieht. […] Wir appellieren an alle politischen Akteure: Vergessen wir unsere Differenzen und handeln gemeinsam, um das Schlimmste zu verhindern!»

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10 Meinungen

  • am 8.12.2024 um 10:46 Uhr
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    Interessanterweise hat die Wahl Trumps, in diese traurige Geschichte, schon Bewegung gebracht.Es kann über Friedenvorschläge diskutiert werden, ohne als Putinversteher gebrandmarkt zu werden, war 3 Jahre nicht möglich.Doch unterdessen sind die Russen am längeren Hebel,wieso sollten die einem Frieden zustimmen, der ihrem Sicherheitsinteresse zuwiederläuft?Leider will dies der Wertewesten aber immernoch nicht akzeptieren wollen.Die Russen haben wohl aus dem Fiasko von Minsk2 gelernt.Es wäre an der Zeit, Politiker und andere Menschen zu fördern, die einen echten Frieden verhandeln wollen und nicht die üblichen Kriegstreiber wie Baerbock und Konsorten. Erstaunlicherweise sehe ich null Anstrengung in diese Richtung und ein großer Krieg wird wahrscheinlicher. China wird kein Interesse haben,im Sinne der Usa zu handeln, weil sie genau wissen, dass sie die nächsten wären. Sehen die Verantwortlichen diese Realität nicht?Leben die ernsthaft mit dieser verdrehten Optik,die sie ständig erzählten

  • am 8.12.2024 um 11:59 Uhr
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    Wie mehr, dass sich die EU einem Kompromiss, oder Einigung mindestens zu einem Waffenstillstand widersetzt, (in dümmlicher Art und Weise) wie mehr wird sinnlos Mensch, Material und Geld vernichtet! Beide Seiten leiden darunter. Keiner wird je als Sieger hervorgehen. Also, wie früher ein Stopp des Krieges erreicht wird, um so besser für Alle!

  • am 8.12.2024 um 12:12 Uhr
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    Das heisst wohl, dass die Kriegsfalken den Kurs der EU bestimmen und die Friedenstauben sind zum politischen Abschuss freigegeben. Man will keine diplomatischen Lösung, sondern den militärischen Sieg über Russland, weil der mehr Profite bringen wird.
    Gunther Kropp, Basel

  • am 8.12.2024 um 15:03 Uhr
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    Der deutsche Bundeskanzler hat sich nachdrücklich darum bemüht, das Gleichgewicht zwischen seinen deutschen und seinen europäischen Verpflichtungen zu bewahren – auch wenn das leider viele Deutsche nicht begriffen haben. Er hat dabei den Blick über den Tag hinaus gerichtet, doch einige EU-Partner scheinen das nicht zu verstehen oder aber sie verfolgen höchst eigenwillige Konzeptionen – die sie den Beendigungen der Kampfhandlungen voranstellen. Dabei versuchen sie, sich einer GUT-BÖSE-FIKTION zur Rechtfertigung zu bedienen.
    «Es liegt Weisheit darin, die sozusagen normalenKriegsgreuel als Begleiterscheinung einer unvermeidlichen Ausnahmesituation zu behandeln, in der gute Bürger und Familienväter sich ans Töten gewöhnen, und sie nach dem Kriege möglichst schnell in Vergessenheit geraten zu lassen» [Sebastian Haffner in «Anmerkungen zu Hitler»,Kindler 1978,S.165]. Sollte das EU-Parlament mal drüber nachdenken um einen Weg aus der Sackgasse zu finden.

  • am 8.12.2024 um 20:25 Uhr
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    Aus meiner Sicht vollführt die EUSA (EU als Instrument der USA) den inzwischen vierten Anlauf (nach Napoleon, 1WK, 2WK) um sich das Heartland (Mackinder) einzuverleiben (so wie damals die USA das Land der Indianer). Siehe auch Youtube: «EU-Parlamentarier: Sie wollen den Endsieg über Russland // Michael von der Schulenburg».

  • am 9.12.2024 um 08:47 Uhr
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    Man kann diese Entschließung des EU-Parlaments nur als erneute infantile Propaganda begreifen, die einen fassungslos macht. Natürlich muss verhandelt werden. Auch Kissinger und Le Duc Tho verhandelten in Paris während die US-Bomber Vietnam in Schutt und Asche legten und zehntausende Zivilisten starben. Auch Rabin und Arafat verhandelten trotz einer unerträglichen Last von zehntausenden Toten. Das EU-Parlament bringt nichts an den ewig gleichen Kriegsgreuel-Bullshit, der absolut nichts daran ändert, ob es den Menschen in der Ukraine dreckig geht oder nicht. Diesselben sauren Moralisten schaffen es nicht, den USA für ihre Foltergefängnisse, Drohnenmorde und Dorfabfackelungen oder Israel für seine «verbrannte Erde» in Gaza und im Libanon die gleiche Rute ins Fenster zu stellen, auch deswegen ist diese Entschließung nichts als Heuchelei von US- und NATO-Hörigen, die längst aufgehört haben, im Interesse Europas zu handeln.

  • am 9.12.2024 um 10:51 Uhr
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    Das Telefonat war Wahlkampf pur. Alle, auch Scholz, kannten den Ausgang.
    Der sinngemäss abgewandelte Satz von Scholz: «Wir unterstützen die Ukraine so viel wie nötig, so wenig wie möglich» trieft von Sarkasmus und lässt die Ukraine mit Absicht langsam aber sicher untergehen.

  • am 9.12.2024 um 14:13 Uhr
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    Danke für den erneuten Hinweis auf die Gallup-Umfrage. Unsere üblichen Medien verschweigen diese geflissentlich. Die Mehrheit der Ukrainer wünscht mittlerweile sofortige Friedensverhandlungen wohlwissend, dass dabei Zugeständnisse von ihnen nötig sind (Gebietsabtretungen, neutraler Status?). Diese Umfrageergebnisse sind zwar nicht in Stein gemeisselt, aber sie passen unseren Kriegstreibern in der EU (und auch anderwo in unserem Wertewesten) natürlich nicht ins Konzept.

  • am 9.12.2024 um 14:30 Uhr
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    Wenn ich den Grundton dieser Kommentare lese (weniger den des Artikels, der ist ausgewogener), wird mir schlecht. Da haben die Monate russische Propaganda ihren Zweck erfüllt, so wie Sie es wohl mir vorwerfen würden mit meinen westlichen Massenmedien…

    • am 10.12.2024 um 07:31 Uhr
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      David Brunner: Der Wunsch (bei allen Völkern) nach Frieden, hat mit *russischer Propaganda» nichts zu tun! Das sinnlose Gemetzel, die sinnlose Zerstörung (die wir zum Teil berappen werden) muss endlich aufhören. Leider tragen die «westlichen Medien» noch nicht dazu bei, nach dem Prinzip «Bad News are good News»!

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