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Patrick Jerg: Das Spiel © zvg

Das Spiel: Vom Ende her denken

Patrick Jerg /  Man legt die Karten von links nach rechts, wertet sie aber von rechts nach links. Ein kleiner Kniff sorgt für Spieltiefe.

Als «Faraway» im Jahr 2023 auf der weltgrössten Spielmesse SPIEL in Essen erschienen ist, war es innert kürzester Zeit ausverkauft. Ein Jahr danach erschien das Kartenspiel bei einem deutschen Verlag und hat nichts von seinem Reiz eingebüsst. Der Mechanismus beschränkt sich auf das Aussuchen und Legen von nur 8 Karten. Um erfolgreich zu sein, muss man die eigene Auswahl allerdings vom Ende her denken. Das sorgt für eine Vielzahl an Optionen und einen hohen Wiederspielreiz.

Der neu entdeckte Kontinent Alula lockt mit seinen bunten Regionen und strahlt eine natürlich Ruhe aus. Die Bewohnerinnen und Bewohner auf den Karten geben uns Aufgaben mit auf die Reise. Können wir sie erfüllen, erhalten wir Punkte. In jeder Runde besuchen wir eine neue Region. Die Karten dazu legen wir in einer Reihe von links nach rechts vor uns aus. In jeder Runde dürfen wir auch eine neue Regionenkarte auswählen. So besitzt man immer drei Karten in der Hand, von denen man eine für die nächste Entdeckungsreise wählt.

Eine ordentliche Welt

Alula ist ein sehr ordentlicher Kontinent. Sämtliche Regionen sind mit einer Zahl von 1 bis 68 gekennzeichnet. Die Ordnungszahlen erhalten bei «Faraway» gleich doppelt Gewicht. Der Spielablauf ist ganz simpel. Alle wählen sich eine Karte für ihre nächste Entdeckungsreise und legen sie vor sich aus. Wer die tiefste Ordnungszahl auslegt, darf sich zuerst eine neue Handkarte wählen. In einer Auslage liegen immer neue Regionen bereit, die es zu entdecken gilt. Dort liegt jeweils eine Karte mehr, als Personen am Spiel teilnehmen. Wer früh wählen möchte, sollte also eine tiefe Ordnungszahl auslegen.

Ab der zweiten Karte kann man sich in jeder Runde eine Heiligtum-Karte verdienen, wenn man eine Region mit einer höheren Ordnungszahl auslegt. Auch die Heiligtum-Karten erweitern das Wissen über den neuen Kontinent. Sie können Regionen, Ressourcen oder zusätzliche Punktemöglichkeiten abbilden. Natürlich ist es auch erlaubt, tiefere Ordnungszahlen auszulegen. In diesem Fall muss man auf eine Heiligtum-Karte verzichten.

Eine gute Planung punktet

Der Knackpunkt bei «Faraway» ist das optimale Legen seiner Karten. Man beginnt ganz links und legt dadurch erst einmal seine Ziele aus. Denn einzelne Karten bringen nur Punkte, wenn bis dahin genügend Ressourcen vorhanden sind. Diese Ressourcen sammelt man später im Spiel. Sie müssen rechts an den jeweiligen Punktekarten ausliegen. Die Wertung erfolgt am Ende ja von der anderen Seite. «Faraway» lässt sich kaum perfekt spielen. Man muss Kompromisse eingehen und entdeckt die Regionen rückwärts.

Nach nur 8 Regionenkarten und hoffentlich einigen Heiligtum-Karten endet die Partie. Jede Karte wird einzeln ausgewertet. Dazu wendet man alle Karten und beginnt ganz rechts mit der ersten Region. Ist die Aufgabe erfüllt, erhält man Punkte. So wertet man eine Karte nach der anderen. Mit jeder Karte liegen mehr Ressourcen aus, die hoffentlich zu weiteren Punkten führen. Einzig die Heiligtum-Karten bleiben immer offen liegen. Das Sammeln dieser Bonus-Karten hat also grosses, spielerisches Gewicht.

Und gleich nochmal eine Runde

Im Laufe der ersten Partie dämmert es allen Entdeckerinnen und Entdeckern am Spieltisch. Es macht Klick und das rückwärtige Denken setzt ein. Aber alles lässt sich beim Entdecken nicht vorhersehen. Die Karten bringen nicht immer das, was man gerade am dringendsten benötigt. Bei «Faraway» verfolgt man zudem verschiedenste Ziele. Man möchte früh Karten nehmen, in jeder Runde eine Heiligtum-Karte erhalten und die eigene Auslage in eine punktereiche Balance bringen. Prioritäten müssen gesetzt werden.

Die einzelnen Partien entwickeln sich ganz unterschiedlich. Einmal kombiniert man sich wunderbar durch seine 8 Karten, in einer nächsten Partie sucht man verzweifelt nach Ressourcen und geeigneten Kombinationen. Das sorgt für einen hohen Wiederspielreiz und eine vielfältige Spielausrichtung. Man wägt die eigene Spielentwicklung ständig ab und hofft, am Ende noch die erlösenden Ressourcen zu erhalten. «Faraway» ist ein spielerisches Highlight des Jahres 2024. Es löst mit wenigen Mitteln ganz viel anders und stellt die Entdeckerinnen und Entdecker vor knifflige Aufgaben.

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Faraway
Faraway

Faraway

Ein Kartenspiel von Johannes Goupy und Corentin Lebrat
Illustrationen: Maxime Morin

Für 2-6 Personen
Ab 10 Jahren | ca. 25 Minuten
Verlag: Kosmos | ca. 22 Fr. / 18 Euro


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Patrick Jerg betreibt seit 14 Jahren die Webseite brettspielblog.ch und veröffentlicht regelmässig Spielkritiken über Brett- und Kartenspiele.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait Patrick Jerg 2

Das Spiel: Alle Beiträge

Spielen macht Spass. Und man lernt so vieles. Ohne Zwang. Einfach so.

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