Die Monopolmacher oder der Abschied von der Marktwirtschaft
Die Grundidee leuchtet ein: Man suche Firmen mit Gewinnpotential, kaufe sie, mache sie profitabler und verkaufe sie mit Gewinn. Wie die Baarer Partners Group (PG) diese Idee konkret umsetzt und wie die drei Besitzer damit in wenigen Jahren gemeinsam um rund 8 Milliarden Franken reicher geworden sind, hat der Kollege Beat Schmid vom «Sonntagsblick» kürzlich erklärt. Offen blieb dabei die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen. Braucht die Marktwirtschaft wirklich eine zweite Schicht von extrem gut bezahlten Übermanagern? Sorgen die 1900 Angestellten der Partners Group dafür, dass die von ihnen finanzierten Firmen effizienter werden? Sind sie die rund 1,8 Milliarden Franken wert, die sie jährlich an Managements- und Performance-Fees kassieren?
Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich die Beteiligung der Partners Group genauer ansehen. Auf Anfrage schickte uns die PG eine Auswahl von 13 Firmen, wovon die PG sechs bereits verkauft hat.
Der Kita-Konzern KinderCare
Die erste Firma auf der dieser Liste ist KinderCare (KC). Sie führt in den USA 2400 Kitas mit 43’000 Angestellten. Sie wurde von PG 2015 übernommen. Und im Oktober dieses Jahres wurde ein Anteil von 29 Prozent zum Preis von 576 Millionen Dollar (24 Millionen Aktien zum Preis von je 24 Dollar) im Rahmen eines IPO an der Börse verkauft.
Details dazu konnte man in einem über 200 Seiten starken Dokument der US-Börsenaufsicht SEC entnehmen. Und dieses Papier ist brisant: Zum Beispiel erfährt man dort, dass KC im Schnitt der letzten drei Jahren nur gerade mal 14 Millionen Dollar Nettogewinn machte und dass dieser Gewinn unter anderem deshalb so tief ist, weil KC mit 1,58 Milliarden Dollar extrem hoch verschuldet ist und für die Schulden fast 10 Prozent Zins zahlt. Das spricht nicht gerade für die Kreditwürdigkeit der KC. Der Gewinn wird ferner dadurch geschmälert, dass die vier Top-Manager insgesamt ein Salär von 7,5 Millionen verdienen und dass CEO Tom Wyatt eine Abgangsentschädigung von 53 Millionen Dollar kassierte.
Dass die Partner Group (PG) für ihre Managementdienste jährlich 4,9 Millionen einsteckt, fällt da kaum noch ins Gewicht. Da versteht es sich von selbst, dass die KC nicht die Absicht hegt, «in absehbar Zukunft eine Dividende ausschütten» zu wollen.
Nicht von selbst versteht sich, warum jemand der PC 24 Dollar für ein Aktie zahlt, die gerade mal 1 Cent Gewinn abzuwerfen verspricht. Entweder lesen die Investoren die IPO-Prospekte nicht, oder sie vertrauen darauf, dass es dem Mehrheitsaktionär aus Baar wenigstens im zweiten Anlauf gelingen wird, Stroh in Gold zu verwandeln.
Die PartnersGroup und ihre Shareholder haben profitiert. Doch wie sieht es mit den übrigen Stakeholdern aus, den Angestellten und den Kunden bzw. den Kindern der KinderCare? Dazu sagte der Prospekt zum Börsengang nichts. Dafür lesen wir auf der Arbeitgeber-Bewertungsseite reddit.com unter anderem dies: «Aktuell haben wir bei KC Lehrpersonen, die auch nach 15 Jahren Dienst nur 12 Dollar pro Stunden verdienen.» Und: «KinderCare war ein Horror für mich und als ich wegging, taten mir die Kinder leid, die ich an diesem Ort zurücklassen musste.»
So gesehen hat die Milliardärs-Maschine Partners Group mit KinderCare auch eine Ungleichheits-Maschine geschaffen: Jährlich rund 7,5 Millionen für den Häuptling und rund 300 mal weniger für die Indianer.
Die Heiztechnikfirma Techem
Die Nummer 2 auf der Liste von Partners Group ist die auf das Ablesen von Heizungsdaten spezialisierte Techem mit ihren rund 4000 Mitarbeitern. 2018 hatte sie die PG zusammen mit zwei anderen Private-Equity-Firmen für 4,6 Milliarden Euro gekauft und im Oktober dieses Jahres für 6,7 Milliarden an ein Investoren-Konsortium weiterverkauft. Das Konsortium bestand aus der US-Beteiligungsgesellschaft TPG und an dem singapurischen Staatsfonds GIC.
Laut marketscreener.com hat Techem ihren Umsatz um 12,5 Prozent auf 1,01 Milliarden Euro ausgeweitet und weist einen Bruttogewinn (Ebitda) von 552 Millionen aus. Davon müssen aber neben den Abschreibungen noch rund 6 Prozent Zinsen auf den 2,8 Milliarden Nettoschulden abgezogen werden. Wieviel letztlich als Nettogewinn übrigbleibt – und ob überhaupt –, ist nicht bekannt.
Bei Techem verdient laut kununu.com eine «Spezialist:in» 45’900 Euro brutto. Das Salär des CEO, Matthias Hartmann, wird nicht veröffentlicht. Bekannt ist nur, dass er auf seinem vorherigen Posten beim Marktforschungsunternehmen GfK 5,3 Millionen Euro kassierte.
Auch Techem wurde nach sechs Jahren mit einem Gewinn von zwei Milliarden Dollar erfolgreich verkauft. Auch da stellt sich die Frage, was den hohen Verkaufspreis rechtfertigt. Auch da fällt auf, dass die Firma beim Verkauf hoch verschuldet war. Mögliche Erklärung: Es werden möglichst viele Konkurrenten aufgekauft. Und man erreicht so eine Monopolstellung. Haben TPG und GIC deshalb so viel bezahlt, weil sie hoffen, demnächst mit Monopolpreisen hohe Gewinne einfahren zu können? Mehr dazu später.
Das Software-Unternehmen GlobalLogic
Die erfolgreiche Transaktion Nummer drei betrifft den Verkauf der GlobalLogic an Hitachi. Die PG kaufte das Software-Unternehmen 2018 zusammen mit dem Canada Pension Plan Investment Board, CPPI für 2 Milliarden Dollar. Drei Jahre später für verkaufte die PG das Unternehmen für 9,6 Milliarden an Hitachi. Bruttogewinn: 7,6 Milliarden Dollar. Auch das ist, gemessen an dem für 2023 erwarteten Bruttogewinn (EBITDA) von 330 Millionen Dollar (siehe hier), ein stolzer Preis, aber Hitachi scheint mit dem Kauf zufrieden zu sein.
Die Windenergie-Anlage CWP
Transaktion Nummer vier: Bei der australischen Windenergie-Anlage CWP handelte es sich um eine Windfarm, die 110’000 australische Haushalte mit Strom versorgen soll. Die Investition wurde mit einer 20 Jahre dauernden Abnahmegarantie des Staats praktisch vorfinanziert. Wie viel die PG mit ihrer Investition von 250 Millionen australischen Dollar verdient hat, ist nicht bekannt. Sollte es sich um die üblichen Profitraten gehandelt haben, würde sich die Frage stellen, warum der Staat das Projekt nicht selbst finanzierte. Australien ist mit rund 44 Prozent des BIP relativ tief verschuldet und kann sich mit einem Realzins von gut 2 Prozent finanzieren.
Die Windfarm Borssele
Transaktion Nummer fünf: Ein ähnlicher Fall ist der Kauf 2018 und Verkauf fünf Jahre später von 45 Prozent an der deutlich grösseren Windfarm Borssele in den Niederlanden. Angaben zum Kauf- und Verkaufspreis sind nirgendwo zu finden. In beiden Fällen wurden die Anteile an andere reine Finanzinvestoren veräussert.
Die Software-Entwicklerin Civica
Transaktion Nummer sechs: Und schliesslich ist da noch der 2023 abgeschlosse Verkauf der fünf Jahre zuvor übernommenen Cloud-Software Entwicklerin Civica an den weltgrössten Hedgefund Blackstone. Gemäss Finews war Civica beim Kauf eine und beim Verkauf zwei Milliarden wert. Trifft das zu, hätte PG den Wert von Civica in nur fünf Jahren verdoppelt und einen Bruttogewinn von einer Milliarde Dollar eingestrichen. Doch auch diese Aussage ist mir Vorsicht zu geniessen: Normalweise zahlen Finanzinvestoren nicht nur den Verkaufspreis, sondern schiessen auch noch neues Eigenkapital ein. Vermutlich war also der Nettogewinn deutlich kleiner.
Gemäss der Jahresrechnung von September 2023 wies Civica einen Bruttogewinn von 131 Millionen Pfund aus. Doch nach Abzug der Zinsen und Amortisationen blieb unter dem Strich ein Verlust von 165 Millionen – rund 40 Millionen mehr als im Vorjahr. Auch die Bilanz sieht nicht gut aus. Per 30. September war Civica mit 751 Millionen Pfund überschuldet – nach Abzug aller Aktiven.
Heisst das nun, dass die Partners Group die Civica in den 5 Jahren kaputt gemacht hat? Nicht unbedingt. Die hohen Abschreibungen kommen vor allem daher, dass Civica offenbar auf Teufel komm raus expandiert hat. Man hat Konkurrenzunternehmen weit über deren Buchwert gekauft und die Differenz als Goodwill aktiviert. Ferner hat man Software entwickelt und die Kosten aktiviert. Insgesamt wurden auf diese Weise Ausgaben von 1,58 Milliarden in Aktiven verwandelt, wovon inzwischen 0,52 Milliarden zulasten der Erfolgsrechnung wieder abgeschrieben worden sind.
Die Schulden im Umfang von 1,934 Millionen kommen nicht nur von den laufenden Verlusten, sondern vor allem auch davon, dass sich die Partners Group jährlich Vorzugsaktien gutschreiben liess, und auf diesen Guthaben auch noch jährlich 10 Prozent einforderte. Im September 2023 beliefen sich diese Guthaben auf 1,038 Milliarden Pfund. Sie werden nach dem Verkauf von Blackstone übernommen bzw. aus deren Vermögen bezahlt. Die restlichen Schulden von 717 Millionen müssen zu fast 11 Prozent verzinst werden. Die meisten davon sind 2030 fällig.
Und auch hier: Die rund 6000, meist hoch qualifizierten Angestellten der Civica verdienten im Schnitt rund 44’000 Pfund. Die drei Topmanager hingegen kassierten zusammen rund 4 Millionen Pfund und zudem liess sich die Partners Group für die Dienste ihrer drei entsandten Non-executive-Direktoren jährlich noch 4,4 Millionen Pfund überweisen.
Hat Blackstone für diese schwer defizitäre Firma wirklich den oben genannten hohen Preis von 2 Milliarden Pfund (wohl samt den 1,04 Milliarden Guthaben der PartnersGroup) bezahlt? Wenn ja, müssten die Spezialisten von Blackstone zum Schluss gekommen sein, dass die Civica dank der Vorarbeit der Partners Group kurz davorsteht, dauerhaft hohe Reingewinne einzufahren. Möglich wär’s. Mehr dazu gleich.
Von Finanzinvestoren zu Finanzinvestoren
Sechs Stichproben im Marktwert von rund 15 Milliarden sind zu wenig, um das rund 10 mal grössere Portfolio von PG abschliessend zu beurteilen. Aber sie geben doch Anlass zu ein paar Bemerkungen:
Zum einen fällt auf, dass die Partners Group gegen aussen nur sehr oberflächlich kommuniziert. Die Pressemitteilungen und öffentlichen Geschäftsdokumente enthalten kaum Angaben dazu, zu welchen Preisen die Beteiligungen ge- und verkauft wurden, und wie genau die PG diese Firmen effizienter gemacht hat. Im Falle von Civica erfuhr man immerhin, dass die Firma auf die reine Herstellung von Software fokussiert worden ist, und dass man nicht weniger als 24 «hoch-komplementäre» Firmen dazu gekauft habe.
Auffällig ist auch, dass mit zwei Ausnahmen alle Beteiligungen an andere Finanz-Inverstoren verkauft worden sind. Nur in einem Fall wurde ein – kleiner – Anteil über die Börse verkauft. Dazu hat der Sprecher der PG, Alec Zimmermann, sinngemäss folgendes gesagt: Die Equity-Firmen unterziehen die übernommen Firmen einem «Transformationsprozess», der im Verlaufe immer mehr Mittel erfordert. Deshalb arbeiten die kleinen (wie CPPI), die mittelgrossen (wie die PG) und die grossen Private-Equity-Firmen (wie Blackstone) eng zusammen.
Doch wie kommt Blackstone dazu, für eine – punkto Nettogewinn – hoch defizitäre Firma wie Civica derart teuren Preis zu zahlen? Die Frage erstaunt Zimmermann. Von einem Defizit könne keine Rede sein. Unter Private-Equity-Firmen orientiere man sich immer am Bruttogewinn, und der habe sich im Fall der Civica sehr gut entwickelt.
Das bringt uns zurück zur Sache mit dem «Goodwill». Dieser entsteht, wenn Firmen zu einem Preis gekauft werden, der weit über dem Buchwert liegt. Dieser Aufpreis wird dadurch gerechtfertigt, dass die gekaufte Firma ihre Produkte oder Dienstleistungen zu Preisen verkaufen kann, oder in Zukunft verkaufen wird, die weit über den Kosten liegen. Das wiederum heisst, dass Monopolpreise erzielt werden können bzw. dass der Markt nicht so spielt, wie es im Lehrbuch steht.
Monopolstellungen anvisieren und Monopolrenten erzielen
Im Klartext: Die Käufer setzen darauf, dass die übernommene Firma entweder ihre Lieferanten oder ihre Kunden oder ihre Angestellten ausbeuten kann – oder auch alle drei. Gelingt dies, dann ist die Erwartung gerechtfertigt, dass sich die Bruttogewinne von heute schon bald in die Nettogewinne von morgen verwandeln – mindestens.
Das wiederum bestärkt den Verdacht, dass das entscheidende Argument für die Private-Equity-Investoren nicht in erster Linie darin liegt, dass sie dank der hohen Kompetenz ihrer Finanzanalysten die übernommenen Firmen besser führen können. Es sieht so aus, dass sie gezielt in Märkte investieren, in denen sie dank Akquisitionen und hohem Kapitaleinsatz – im Verbund mit anderen PE-Investoren – Monopolstellungen aufbauen können.
Wenn das so ist, wäre auch die Frage nach der gesellschaftlichen Nützlichkeit der Private-Equity negativ beantwortet. Die von ihr geschaffenen höher gelagerten zweite Management-Ebene wäre dann bloss der Motor einer immer durchdringenderen Monopolisierung der Märkte.
Konkret heisst das: Weniger Lohn für die Arbeitnehmer, höhere Preise für die Kunden und mehr Profit für die Aktionäre und vor allem für die Topmanager. Von diesem so geschaffenen «Mehrwert» schöpfen natürlich auch die PE-Investoren ihren Teil ab. Dass allein die drei Gründer einer der kleineren PE-Firmen in wenigen Jahren insgesamt 8 Milliarden Franken kassiert haben, illustriert das Ausmass dieser Umverteilung.
Wir sind gerade daran, uns von dem zu verabschieden, was wir einst als sozialen Marktwirtschaft gelobt haben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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