«Diktator für einen Tag» könnte ganze Ministerien abschaffen
Landwirtschaftsministerium – abschaffen. Wirtschaftsministerium – abschaffen. Bildungsministerium – abschaffen. Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung – abschaffen und die Immobilien für einen Dollar an die Mieter verkaufen. Wer wissen möchte, woher manche der radikalen politischen Ideen kommen, mit denen Donald Trump zum nächsten Präsidenten gewählt wurde, schaut sich am besten ein Interview mit Milton Friedman aus dem Jahr 1999 an.
In diesem Video kommt auch die Idee vom «Diktator für einen Tag» vor, welche Trump im Wahlkampf zitiert und welche daraufhin für Unruhe gesorgt hatte. Der Wirtschaftsnobelpreisträger selbst wollte zwar überhaupt nichts von einer Diktatur wissen.
Er erklärt aber, sich zusammen mit anderen libertären Geistern eine Regierung zu wünschen, welche sich möglichst wenig in die Belange der Bürger einmischt. Und er versucht zu erläutern, wie ihre Vision mit Umweltfragen, öffentlicher Sicherheit, Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle und anderen diffizilen Themen in Einklang werden gebracht könnte.
Als Libertärer glaubt Friedman an die grösstmögliche Freiheit des Einzelnen, die Zwangsgewalt des Staates sei grundsätzlich unmoralisch. Gleichzeitig aber sieht er ein, dass der Staat ein paar wenige Funktionen übernehmen müsse, nämlich die Landesverteidigung, das Justizwesen, die Polizei – und das war es. Alles andere lasse sich ohne Beteiligung des Öffentlichen Sektors effizienter und ohne die staatliche Verschwendung organisieren.
Mit diesen Argumenten wuchern auch Donald Trumps Unterstützer. «Milton Friedman ist der Beste», twittert der amerikanische Milliardär Elon Musk umher und verlinkt seine X-Botschaft direkt auf das Video mit dem Friedman-Interview. Er zählt neben Vivek Ramaswamy, Matt Gaetz, Robert Kennedy Jr., Marco Rubio, Tulsi Gabbard und Pete Hegseth zu den Auserwählten, die die amerikanische Bundesverwaltung auf Effizienz trimmen sollen.
Der «Staatssumpf» soll trockengelegt werden
Sie alle sind «dem Führer» und dessen Mission ergeben, den «administrativen Sumpf» auszutrocknen und ihn durch eine innere Ordnung zu ersetzen, von der sie sich maximale wirtschaftliche Stärke und die Bekämpfung ausländischer Feinde erhoffen. Sobald diese Leute fest im Sattel sitzen, werden sie wohl auf den unteren Verwaltungsebenen die gleiche Methode praktizieren, um alle loszuwerden, die nicht mit der Mission einverstanden sind.
Ray Dalio, der ehemalige Hedge-Fundmanager, vergleicht das Vorgehen mit der unfreundlichen Übernahme einer Firma. In diesem Rahmen werden Personen an Schlüsselpositionen üblicherweise ausgewechselt, und es kommt zu drastischen Kostensenkungsmassnahmen, welche wiederum durch die Einführung moderner Technologien begleitet werden. Dalio zieht sogar einen verkappten Vergleich zu den Massnahmen, welche rechtsradikale Regierungen in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach der Machtübernahme ergriffen hatten.
Die wirtschaftliche Erneuerung des Landes werde aller Wahrscheinlichkeit durch industriepolitische Massnahmen angestrebt werden, die auf die Verbesserung von Produktivität und Effizienz abzielen. Dabei werde sich die Regierung kaum um die Menschen oder die Themen kümmern, die dem im Wege stehen könnten – wie Umweltschutz, Reduzierung des Klimawandels, Armutsbekämpfung oder Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration. Kulturelle und finanzpolitische Schlüsselbereiche wie etwa die Bildung und das Schuldenmanagement würden wahrscheinlich ebenso vernachlässigt werden, wie unter demokratischer Führung.
Keine Rücksicht auf untergeordnete Interessen
Donald Trump und Elon Musk würden die Impulse so lange setzen, bis sie sich zerstritten – und davon dürften vor allem die Wallstreet, verschiedene Trump-freundliche Tech-Unternehmen und alle Firmen profitieren, welche bisher von bürokratischen Regeln geplagt wurden, die sich vor höheren Steuern fürchteten und deren Agilität administrativ eingeschnürt wurde. Die Entwickler der künstlichen Intelligenz dürften mehr Freiräume erhalten. Die Anbieter von Schlüsseltechnologien werden wohl dazu animiert werden, im amerikanischen Inland zu produzieren.
Geopolitisch werde die Welt wohl fragmentierter und unberechenbarer als bisher werden. Sie werde künftig wohl eher von einer darwinistischen, dschungelartigen Ordnung dominiert als vom Konsensbestreben der Vergangenheit. Moral und Ethik, wie die Amerikaner sie verstehen, werden irrelevanter, weil Trumps Regierung die entsprechenden Regeln nicht mehr so intensiv durchsetzen werde, wie in der Vergangenheit. Im Gegenteil, es sei mit einem Wettbewerb Chinas und der USA um die Gunst anderer Staaten zu rechnen.
Alle Länder würden unter grossem Druck geraten, ihre innerstaatliche Ordnung so zu ändern, dass sie mit der Trump-Regierung und -Ordnung im Einklang stehen. Wer sich auf die andere Seite schlage, müsse mit negativen Konsequenzen rechnen. «Dieser Konflikt zwischen den beiden Grossmächten wird Chancen, vor allem auch Geschäftsmöglichkeiten, für neutrale, bündnisfreie Länder schaffen,» denkt Dalio. Das ist ein Argument, das die Schweiz wohl gerne hören wird. Die Erfahrung zeigt, dass sie oft das Beste aus so einer Konstellation macht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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