Sprachlupe: Nein, «we kam» nicht. Wohin mit der Hoffnung?
Die Beschwörungsformel mit dem deutsch anmutenden Schluss hat nicht funktioniert: «Yes, we kam!» habe auf einem Plakat für die demokratische Präsidentschaftskandidatin gestanden, berichteten die «Süddeutsche Zeitung» und in ihrem Gefolge die Tamedia-Blätter. Die Fortsetzung «sah und siegte» fand dann bekanntlich auf der politischen Gegenseite statt. Und schon auf dem Plakat hatte nichts von «kommen» gestanden, sondern ein Anklang an Barack Obamas Können: «Yes, we can!». Wahrscheinlich war alles, wie bei Demo-Plakaten üblich, in Grosslettern gehalten. Zumindest der Anfangsbuchstabe des Schlussworts hätte auch im Zeitungsbericht gross sein sollen: «Kam». Aha, Kamala Harris!
Aber die englische Lesart wurde von derselben Blätterkette schon vorausgesetzt, als sie die Aussprache des Vornamens präsentierte: «Comma-la, Betonung auf Silbe eins». In dieser Schreibweise hätte vielleicht ein Donald Trump die korrekte Aussprache begriffen. Wahrscheinlich kannte er sie allerdings schon, als er den Namen falsch betonte und damit noch fremdländischer klingen liess. Offenbar hat sich eine Mehrheit dann tatsächlich ihm näher gefühlt als ihr. Als sein zahlungskräftiger Fan Elon Musk die USA als «das Land der Freien und die Heimat der Tapferen» bezeichnete, stellte der Berichterstatter das als stolze Erklärung des Vormarsches der beiden dar – mag sein, aber dass es ein Zitat aus der Nationalhymne ist, musste die Leserschaft selber merken.
Aus dem Blauen
Auf den Resultatkarten drängte also das Rot der Republikaner das Blau der Demokraten ganz an die Ränder. Trotzdem habe ich nirgends gehört oder gelesen, Trumps Wahlsieg sei «out of the blue» gekommen, also völlig unerwartet. Das war für Umfragengläubige höchstens das Ausmass. Schon im Vorfeld schienen manche Medienleute fast nur noch den US-Wahlkampf im Kopf zu haben. Das könnte erklären, warum auf Radio SRF damals aus Litauen zu hören war, dort sei eine innenpolitische Wendung «out of the blue» gekommen. Sogar in eine Mundartsendung schaffte es das englische Einsprengsel, in der Form «out of nothing». Immerhin kam ausgerechnet dem Londoner Korrespondenten «aus heiterem Himmel» mühelos über die Lippen.
Wiederum zuhause im Studio wird das Londoner Strategieinstitut IISS ganz nach Insider-Manier beharrlich «DaBlei DaBläss» ausgesprochen. Da denkt kaum jemand an «double» Buchstaben – schon eher an den Kontrast zwischen den militärischen Mitteln des Feindes am Horizont und jenen der heimischen Verteidigung. Diese Mittel aufzumöbeln, wird jetzt umso lauter gefordert, als jenseits des Atlantiks die «orange Gefahr» droht – dass also Europa «Ami go home» sieht und ganz auf sich selber gestellt ist.
Deutsch, deutlich, differenziert
Zugegeben, das friedensbewegte «Ami go home» habe ich schon lange nicht mehr vernommen und «orange Gefahr» noch gar nie. Dafür aber allerhand andere, eher kindische Anspielungen auf die angebliche Hautfarbe des vormaligen und nächsten US-Präsidenten. Zu erwarten, derlei Spässchen würden fortan unterbleiben, wäre wohl naiv. Aber zu hoffen wage ich, dass den Leuten am Mikrofon vor lauter Abneigung gegen Trump die englischen Brocken in der Kehle stecken bleiben. Beim Räuspern können sie ihre Gedanken dann deutsch und deutlich fassen.
Deutlich braucht nicht demagogisch zu heissen – dies besonders an die Adresse der Politik gesagt (nicht «Addresse» nach englischem Muster, wie jüngst auf einer SRG-Website gelesen). Die von vielen befürchtete – und zum Teil schon eingetretene – «Trumpisierung» der politischen Sprache in Europa ist kein Selbstläufer. Wenn eine Besinnung auf die eigenen Kräfte schon im Militärischen nötig ist, dann erst recht in der politischen Kultur, so in der Kunst des guten Kompromisses. Und der nuancierten Sprache, vorzugsweise der eigenen.
Weiterführende Informationen
- Indexeintrag «Anglizismen» in den «Sprachlupen»-Sammlungen: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2, /lupen3. In den Bänden 1 und 2 (Nationalbibliothek) funktionieren Stichwortsuche und Links nur im heruntergeladenen PDF.
- Quelldatei für RSS-Gratisabo «Sprachlupe»: sprachlust.ch/rss.xml; Anleitung: sprachlust.ch/RSS.html
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Comma-la ist auch falsch; richtig ist Kaməla. Betonung auf 1. Silbe ist korrekt.
Harris hat die Aussprache selber mit «comma-la» erklärt, höre https://www.npr.org/2024/08/08/nx-s1-5050768/significance-trump-repeated-mispronunciation-kamala. In phonetischer Schrift (IPA) scheint mir fürs zweite a das a-Schwa [ɐ] treffender als das von Ihnen verwendete e-Schwa [ə].