Ukraine-Krieg: Herzinger hetzt pauschal gegen Mearsheimer
Regelmässig lädt die «NZZ» Soziologen, Philosophen oder Historiker ein, die Russland in Gastbeiträgen als eine inhärent böse imperialistische Macht darstellen. Die Autoren von oft unbekannten Universitäten oder Think-Tanks ordnet die «NZZ» politisch nicht ein. Im laufenden Informationskrieg vertreten die meisten die Politik der Nato und der USA.
Nicht zum ersten Mal bekam auch Richard Herzinger Gelegenheit, die Plattform der «NZZ» für seine Tiraden zu nutzen. Am 9. November hatte er es auf den «US-Politologen John Mearsheimer» abgesehen. Dieser verurteilt Russlands Krieg klar, sieht aber die Ausweitung der Nato an die russische Grenze als das Hauptmotiv Russlands.
In einem Gastbeitrag auf Infosperber vom 21. September 2024 hatte John J. Mearsheimer seine Argumente sachlich und ausführlich dargestellt. Sie sprechen dafür, dass die USA und ihre Verbündeten den Krieg provozierten, und dass Putin keine imperialistischen Absichten hat.
Man kann den Argumenten des Professors für Politikwissenschaften an der University of Chicago mit Argumenten entgegnen und damit zur Aufklärung und Meinungsbildung beitragen.
Doch Richard Herzinger, laut «NZZ» «freier Publizist in Berlin», ging auf die Argumente von Mearsheimer nicht ein. Vielmehr unterstellte er ihm pauschal, ein «plumper Schallverstärker der Desinfomationskriegsoperationen des Kreml» zu sein, der «Sympathien für den Putinismus» hege.
Damit nicht genug: Mearsheimer sei ein «wesentlicher Taktgeber» eines weitverzweigten politischen, intellektuellen und akademischen Netzwerks, das versuche, «den Verteidigungswillen der westlichen Demokratien zu untergraben und das Ausmass der Bedrohung Russlands […] zu leugnen oder herunterzuspielen».
Dass sich Russland durch die Ausweitung der Nato […] innerhalb seiner Einflusszone bedroht fühlen musste, sei ein «antiwestliches Verschwörungskonstrukt, das sich mit den propagandistischen Vorgaben des Kreml deckt».
Herzinger kann nicht verstehen, dass «der in akademischen Kreisen weitherum geschätzte Mearsheimer» den «Anschein politikwissenschaftlicher Seriosität» erwecke. Trotz seiner «nur vermeintlich» konsistenten Theorie über die Gesetzmässigkeiten der Weltpolitik» geniesse er in der Fachwelt nach wie vor den «Rang eines zwar kontroversen, aber dennoch kompetenten Strategieexperten».
Doch Mearsheimer leugne die imperialen Absichten des Kreml-Regimes, obwohl «die Invasion der gesamten Ukraine [ihn] brutal widerlegt» habe.
Journalist und «NZZ»-Gastautor Herzinger greift kein einziges Argument von Professor Mearsheimer wörtlich auf, um es zu kontern. Vielmehr stellt er ihn pauschal in eine Ecke.
Die «NZZ» gab dem diffamierten Professor John J. Mearsheimer keine Gelegenheit für eine Stellungnahme.
«Mearsheimers Zerrbild erinnert an ein antisemitisches Stereotyp»
Herzinger wirft Mearsheimer auch Antisemitismus vor. Im Jahr 2007 hatte Mearsheimer das Buch «Die Israel-Lobby» publiziert (Herzinger: «ein Pamphlet»), in dem er den enormen Einfluss der Israel-Lobby in den USA an die Öffentlichkeit brachte. Dazu Herzinger: «Dieses Zerrbild erinnert an das alte antisemitische Stereotyp vom Judentum als einem Fremdkörper im Inneren der Nationen.»
Mearsheimer sei auf einem Auge blind, schrieb Herzinger in der «NZZ»: «Heute wirft Mearsheimer Israel vor, in Gaza einen Genozid zu verüben, während er den von Russland in der Ukraine tatsächlich begangenen Genozid verschweigt.»
Es gibt keinen objektiven Beleg dafür, dass sich die israelischen Streitkräfte nicht an die Vorgaben des humanitären Völkerrechts halten würden.
Richard Herzinger am 7.12.2023 in «Jüdischer Allgemeine»
Den «Kardinalfehler» von «Realisten» wie Mearsheimer ortet Herzinger in deren Irrglauben, «aggressive Regimes gäben sich damit zufrieden, dass man sie innerhalb ihrer ‹Einflusszone› nach Belieben schalten und walten liesse». In Wahrheit wollten Russland und auch China die «liberalen westlichen Demokratien zerstören» und «die internen Schaltstellen der westlichen Gesellschaften kontrollieren».
Dieser Gastbeitrag in der «NZZ» reiht sich in viele andere mit der gleichen Stossrichtung ein.
Zwei Sichtweisen
«Putins Russland ist imperialistisch. Es wollte sich die Ukraine schon immer einverleiben. Als Nächstes wären die baltischen Staaten und Polen dran, falls Russland in der Ukraine gewänne und die Krim und den Donbas behalten könnte.»
Das ist die eine Sichtweise. Über diese werden wir fast täglich informiert.
«Die Nato wollte sich an die Grenzen Russlands ausdehnen und dort Raketen stationieren. Die USA wollten Russland schon lange schwächen und von Westeuropa abkoppeln. Seit dem russischen Angriff ziehen es die USA vor, Russland lieber mit einem andauernden Krieg zu schwächen, als eine neutrale Ukraine zu akzeptieren.»
Das ist die andere Sichtweise.
Diese beiden gegensätzlichen Sichtweisen sind Teile des Informationskriegs und beeinflussen selektiv die Informationen, welche Regierungen und Medien verbreiten.
Doch selbst wenn der Krieg nach der zweiten Sichtweise – ohne Nato in der Ukraine – vermeidbar gewesen wäre: Der Angriffskrieg Russlands und die Kriegsverbrechen sind ein krasser Verstoss gegen das Völkerrecht. Das Uno-Recht auf Selbstverteidigung gemäss Artikel 51 der Uno-Charta setzt einen bewaffneten Angriff voraus. Von einem solchen war Russland nicht betroffen.
Ebenso völkerrechtswidrig wäre ein präventives militärisches Eingreifen der USA, falls Kuba, Venezuela, Nicaragua oder Mexiko es den Chinesen oder den Russen erlauben würden, Raketen zu stationieren. Die USA würden dies wohl nicht zulassen – Völkerrecht hin oder her.
Urs P. Gasche.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
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