Nach Donald Trumps Wahl droht der Weg in die «Tech-Oligarchie»
«Das ist nicht normal». So kommentiert der britische Professor Scott Lucas die Tatsache, dass Donald Trump in den amerikanischen Präsidentschaftswahlen mit den Republikanern einen Erdrutschsieg errungen hat. Die Partei stellt künftig nicht nur den Staatschef, sondern sie dominiert auch den Senat und möglicherweise sogar das Repräsentantenhaus – und sie hat damit enorme politische Spielräume.
«Zum ersten Mal in der Geschichte der USA wird ein Verurteilter Präsident der Vereinigten Staaten sein», so Lucas. Ein Mann, der in einem Zivilprozess wegen Verleumdung im Zusammenhang mit einem schweren sexuellen Übergriff für schuldig befunden wurde. Ein Mann, dessen Unternehmen wegen weitverbreiteten Betrugs verurteilt, das mit einer der höchsten Geldstrafen in der Geschichte des Staates New York belegt und dessen Wohltätigkeitsorganisation wegen betrügerischen Verhaltens aufgelöst worden sei.
Es ist allen klar, dass sich viele Versprechen nicht halten lassen
Ein Mann, der Frauen, Hispanics, Schwarze, das Militär und Behinderte beleidigt und der gesagt habe, dass er am ersten Tag seiner Amtszeit wie ein Diktator handeln werde. Ein Mann, der illegale Einwanderer in grossem Stil aus dem Land schaffen will, der die Bürokratie ausmisten und Staatsausgaben reduzieren möchte, der trotz gewaltiger Staatsdefizite und hoher Schulden Steuern senken, der die Staatskasse durch hohe Zölle auf Importe füllen und der sogar Einfluss auf die unabhängige Notenbank ausüben will. Ein Mann, der in Aussicht gestellt hat, den Ukrainekrieg in kürzester Zeit beenden zu können.
Obwohl allen klar sein muss, dass Trump viele dieser Versprechen nicht halten kann, haben ihn die amerikanischen Wähler eindeutig wiedergewählt. Er wird also trotz seines hohen Alters – er wird der älteste Präsident sein – im Januar weniger als vier Jahre nach einem gescheiterten Putschversuch wieder legal ins Weisse Haus einziehen.
Beobachter führen das Phänomen auf einen grösseren Trend zurück: Die Entfremdung sozialdemokratischer Parteien von der Wählerbasis. Diese Parteien hätten den arbeitenden Menschen die Kündigung ausgesprochen und seien zu Organisationen dünkelhafter urbaner, intellektueller Eliten degradiert, behauptet zum Beispiel der Journalist Christoph Keese.
Widersprüchliche Konzepte
Und natürlich lassen auch die Kritiker nicht lange auf sich warten. Hohe Zölle auf Importgüter wären wie eine massive Steuererhöhung für Amerikaner mit niedrigem Einkommen, argumentiert der Wirtschaftsnobelpreisträger Simon Johnson. Viele amerikanische Bürger mit niedrigem Einkommen konsumierten in beachtlichem Ausmass günstige Importgüter – etwa, wenn sie aus China eingeführte Produkte bei Walmart kaufen. Deren Importpreise würden unter Umständen enorm steigen, sollten sie mit hohen Zöllen belegt werden – das haben die Wissenschafter Kimberly A. Clausing von der University of California und Mary E. Lovely von der Syracuse University ausgerechnet.
Norbert F. Tofall vom Flossbach von Stoch Research Institute fürchtet, Steuersenkungen würden die amerikanischen Staatschulden weiter nach oben treiben, nachdem diese in den vergangenen fünf Jahren schon rasant und schneller als die amerikanische Wirtschaftsleistung zugenommen hatten. Er ist skeptisch, ob hohe Zölle auf Importgüter zum Schutz heimischer Unternehmen oder die Senkung von Staatsausgaben auch nur in Ansätzen reichen, um die Einnahmeausfälle des Staates zu kompensieren. Die Ideengeber seiner Zoll- und Handelspolitik hätten in einer empirischen Evaluationsstudie selbstkritisch festgestellt, dass sie den Wohlstand der amerikanischen Bürger in Trumps erster Regierungsperiode kaum verbessert habe, so der Fachmann.
Donald Trump scheint darauf zu bauen, dass Milliardäre wie Elon Musk, Peter Thiel, David Sacks oder auch John Lonsdale ihm helfen werden, die Staatsausgaben drastisch zu senken und den amerikanischen Staat effizient zu reorganisieren. Die Grundidee besteht darin, moderne Datenbanken und Software zu nutzen, um Ineffizienzen auszumachen, Sparpotenziale zu identifizieren und um den regulatorischen Wust zu durchforsten. Wen wird auf dieser Basis überraschen, dass die Aktienkurse von Unternehmen wie Palantir, Tesla, Coinbase oder auch Goldman Sachs an der Wallstreet durch die Decke gehen.
Palantir, Tesla, Coinbase, Banken – die Anleger rechnen mit Vorteilen
Bei Palantir wetten die Anleger nicht nur allgemein auf sinkende Steuern, sondern auch darauf, dass das Unternehmen Staatsaufträge in grossem Stil erhalten wird. Tatsächlich ist es sogar darauf angewiesen, um überhaupt wachsen zu können. Tesla, Coinbase und die Banken können gegebenenfalls von der Lockerung oder gar der Abschaffung von Regulierungsmassnahmen profitieren. Etwa, weil es trotz aller Risiken einfacher würde, die Software von selbstfahrenden Fahrzeugen im Alltag einzusetzen. In der Tat hatte Elon Musk bei der jüngsten Vorlage der Quartalszahlen wörtlich gesagt, im Falle einer Wahl Trumps genau das anzustreben. Die Krypto- und Finanzkonzerne wiederum würden kurzfristig gute Geschäfte mache, falls die regulatorischen Vorschriften ausgedünnt und die Eigenkapitalanforderungen gesenkt oder gar ausgesetzt würden.
Skeptiker dagegen warnen jetzt schon vor den langfristig negativen Folgen riskanter Geschäfte mit geringstem Eigenkapital von Finanz- und Private-Equity-Riesen. Für diese müssten nach dem Erlöschen kurzfristiger wirtschaftlicher Strohfeuer wie bei der letzten Finanzkrise die Steuerzahler geradestehen. Andere haben konkrete Bedenken, aufgrund laxer Regulierung der Hard- und Softwareanforderungen von selbstfahrenden Fahrzeugen werde der allgemeine Strassenverkehr verunsichert. Generell sorgen sich manche, die nächste US-Regierung werde vor allem die Sonderinteressen prominenter Günstlinge bedienen.
Princeton-Ökonom warnt vor einer «Tech-Oligarchie»
Der prominente Princeton-Ökonomen Markus Brunnermeier warnt sogar vor der Entstehung einer «Tech-Oligarchie». Eine Entwicklung in diese Richtung sei sogar wahrscheinlich. Tatsächlich hat Donald Trump verschiedentlich angekündigt, mindestens 100 000 Personen in der Exekutive und in der Justiz auszutauschen und jeden, der sich ihm bisher in den Weg gestellt hat. Der «Deep State» müsse vernichtet werden, weil dieser ihm den Wahlsieg 2020 gestohlen und bereits vorher den Erfolg seiner ersten Amtszeit hintertrieben habe.
Ausgesprochene Pessimisten wie der University of Notre Dame-Professor Rüdiger Bachmann fürchten sich vor diesem Hintergrund vor der Entstehung des «Aristopopulismus». Dieser Begriff stammt vom an derselben Hochschule lehrenden Politologen Patrick Deneen und meint, der Liberalismus breche unter der Last seiner eigenen Widersprüche zusammen und führe in die Autokratie. Die liberale Gesellschaft scheitere, gerade weil sie so erfolgreich gewesen sei – und es entstehe das Ungeheuer des autoritären Populismus, weil die Populisten neuen Zusammenhalt versprächen. Und versprochen haben Donald Trump und seine Milliarden-schweren Förderer viel.
So kommt es in den Augen kritischer Beobachter in den kommenden Jahren wesentlich darauf an, ob die etablierten «Checks-and-Balances» der amerikanischen Verfassung halten. Gelingt es nicht, das Gleichgewicht zwischen den demokratischen Institutionen und die Unabhängigkeit der Justiz zu bewahren, wird es spannend.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Die Liste der Ungeheuerlichkeiten, die Trump wirklich oder angeblich begangen bzw. die er angekündigt hat, ist echt witzig, und bei vielen fragt man sich, was daran schlecht oder böse sein soll. Wirklich zum Lachen ist der Vorwurf, Trump wolle «sogar Einfluss auf die unabhängige Notenbank ausüben». Die US-Notenbank (Federal Reserve) ist eine private Firma, die keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegt, obwohl sie hoheitliche Aufgaben erfüllt. Sie vertritt die Interessen der Wall Street und der amerikanischen Hochfinanz. Ihr Zügel anzulegen, ist ein absolut legitimes und demokratisches Anliegen.
Das tönt alles sehr düster. Aber vielleicht haben sich die amerikanischen Wählerinnen und Wähler gar nicht für das Programm von Donald Trump ausgesprochen, sondern gegen das Programm der Demokraten. Vielleicht haben sie die Cholera der Pest vorgezogen. Pest hat historisch gesehen eine höhere Sterblichkeitsrate als die Cholera.
Machen wir uns nichts vor: die Tech- und Finanz- Oligarchien sind längst Realität. Mit Schaudern erinnere ich mich an die Aussage von Angela Merkel vor einigen Jahren, die Politik müsse das Vertrauen der Finanzmärkte zurück gewinnen – der entsetzte Aufschrei der Öffentlichkeit war schon damals ausgeblieben. Der Einfluss der Tech- und Finanz- Oligarchen schränkt die politischen Handlungsspielräume immer weiter ein, so dass uns als Wählern am Ende sozusagen nur noch die Wahl zwischen Pepsi und Coca Cola bleibt.
Es erschreckt mich besonders, dass die US Wählerschaft (nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung) einen erwiesenermassen Verurteilten zum Oberbefehlshaber der mächtigsten und gefährlichsten Armee der Welt macht. Westliche Werte? Freiheitliche Demokratie? Wer soll noch daran glauben? Kein Wunder, dass sich in grossen Teile der Welt massiver Widerstand gegen die US Hegemonie formiert.
Ich versteh die Welt nicht mehr!
Da spricht man in den USA von „Checks and Balances“ und wählt einen DT, der nicht nur wegen vielen Vergehen angeklagt und zum Teilauch schon verurteilt wurde, der internationale Abmachungen, Gepflogenheiten und Spielregeln verschmäht und dadurch seine ganze Glaubwürdigkeit als seriöser Polktplayer verloren hat, der mit einem primitiven Wortschatz und menschenverachtenden Wortschatz populistische Politik betreibt, die primitiver kaum noch sein kann, der nun nicht nur die Präsidentenwahl gewonnen sondern auch die für eine „Checks and Balances“ entscheidende Mehrheit in Senat und Repräsentatenhaus, der den obersten Gerichtshof zu seinen Gunsten bestimmt hat und der nun darin seine Günstlinge entsprechend komfortabel platzieren kann, Günstlinge notabene, die nicht wissen was Menschen sind, dafür aber umso besser was Geld und Technologie alles bewirken können. Es ist zum ko…
Möglich, dass die Tech-Oligarchen erkannten, dass Donald Trump das Talent haben könnte gekonnt und stilvoll alles mit Luft aufzupumpen und so er wurde überzeugt, wenn er die richtigen Bläser hat wird mehr Luft produziert und mit der gewonnen Luft wird unendlich viel Kohle gemacht und alles wird möglich sein. Oligarch Elon Musk wurde in Südafrika und Oligarch Peter Thiel in Deutschland geboren. Könnte wohl auch sein, dass die beiden erkannt haben könnten, dass Donald Trump eine Bürokratie erschaffen wird, die ausser Kontrolle geraten könnten und Mr. Thiel und Mr. Musk müssen die Koffer packen und zurück nach Südafrika und Deutschland und so könnten die geschäftliche Luftverbindung Trump-Musk-Thiel entstanden sein.
Gunther Kropp, Basel