Tech-Milliardäre verfolgen im US-Wahlkampf ihre eigenen Ziele
Red. Als Vizekanzlerin im Bundeshaus von 1991 bis 2005 leitete die Autorin verschiedene Digitalisierungsprojekte. Nach der Pensionierung engagierte sie sich ehrenamtlich für die Digitalisierung im Bildungsbereich. Heute analysiert Hanna Muralt Müller Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz in ihren Newslettern.
In den letzten Wochen vor dem entscheidenden 5. November, dem US-Wahltag, hat Elon Musk seine Unterstützung von Trumps Kampagne intensiviert. Mit Millionenbeträgen will er die sogenannten Swing States für Trump gewinnen. Er finanziert republikanische Senatoren und verteilt Geld an registrierte Wähler sowie Helferinnen und Helfer, die von Tür zu Tür gehen. Getoppt wird diese Aktion mit der täglichen Verlosung von einer Million Dollar an einen registrierten Wähler im wohl entscheidenden Swing State Pennsylvania. Wie die Washington Post berichtet, streiten sich die Rechtsexperten darüber, ob Musk bei rechtlichen Grenzen ans Limit gehe oder ob diese Aktion bereits illegal sei.
In jedem Fall scheint der Geldsegen zu wirken.
Elon Musk, der bei den letzten Wahlen noch die Demokraten unterstützte, bot Trump am 14. August 2024, einen Tag nach dem ersten misslungenen Attentat, auf seinem Netzwerk X eine Plattform. Gemäss der britischen Tageszeitung The Guardian war das Gespräch der beiden ein langweiliger Dialog zweier übergrosser Egos (planet-sized egos). Aber eine Aussage ist relevant. Trump stellte Musk in Aussicht, ihm die Leitung einer «Kommission für Regierungseffizienz» zu übertragen, sollte er Präsident werden. Allerdings sprach er Anfang September 2024 gemäss Washington Post nur noch von einer wichtigen Rolle, dies offenbar als Reaktion auf Kritik wegen absehbarer Interessenkonflikte.
(Siehe Infosperber vom 26. Oktober: «Musk will Trump, um seine Milliarden-Deals mit der Regierung abzusichern»)
Mit J. D. Vance zu den Hebeln staatlicher Macht
Gemäss Politico, einer US-Zeitung mit Fokus auf dem Washingtoner Politikbetrieb, unterstützen mehr als 200 Investoren, Start-up-Gründerinnen und -Gründer sowie Tech-Manager die Kandidatur von Kamala Harris. Es hat Tradition, dass Kalifornien, speziell das Silicon Valley, demokratisch wählt. Aufsehen erregt nun, dass Mitglieder eines milliardenschweren Netzwerks von Risikokapitalgebern aus dem Silicon Valley für Donald Trump werben. Gemäss Washington Post vom 28. Juli 2024 hätten sie Trump von der Kandidatur eines der ihren, James David Vance, für das Amt des Vizepräsidenten überzeugen können.
J. D. Vance wurde im Investmentbereich und auch politisch vom Tech-Mogul Peter Thiel gefördert. Das war ein entscheidender Schritt, um mit der Präsidentschaft Trumps Einfluss im Sinn der Tech-Libertären auf die künftige Regierung zu nehmen. Trump scheint ihnen der willige Promotor zu sein – er hat sich inzwischen gemäss Washington Post auch bereits vom Skeptiker zum Fan von Kryptowährungen gewandelt und mit seinen Kindern ein Kryptounternehmen – so CNN – gegründet.
Libertäres Machtkartell im Silicon Valley
Zum Netzwerk im Silicon Valley gehört unter anderen auch der mit Thiel eng verbundene Elon Musk. Auf die Seite Trumps geschlagen haben sich auch die beiden Milliardäre der Risikokapitalfirma von Marc Andreessen und Ben Horowitz – aktiv im Kryptogeschäft. Es handelt sich bei allen um libertäre Politaktivisten, die sich über Präsident Bidens Executive Order, eine erste KI-Regulierung, und seine Zurückhaltung in der Kryptoindustrie ärgern und stärker nach rechts abgedriftet sind. Wie Associated Press Ende Juli 2024 berichtete, versprach Trump unmittelbar nach der Inkraftsetzung der Executive Order am 30. Oktober 2023, er werde diese sofort ausser Kraft zu setzen, sollte er Präsident werden.
KI-Gipfeltreffen über KI-Regulierungen
Die dynamische KI-Entwicklung ruft zweifellos nach gewissen Regulierungen. Das Potenzial für die Wirtschaft ist riesig. Es gibt aber auch Gefahren und Risiken. Diese betreffen nicht nur die mit KI beschleunigten Fake News und Fake Videos, es geht auch um drohende militärische Nutzungen; und auch darum – wie verschiedene KI-Experten wie der soeben mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnete Geoffrey Hinton warnen –, dass die generative KI ausser Kontrolle geraten und für die Menschheit gefährlich werden könnte.
(Siehe Infosperber vom 24.5.2024: «Immer mehr KI-Entwickler schlagen immer dringlicher Alarm» und Infosperber vom 12.10.2024: «Nobelpreis-Komitee scheint uns vor Superintelligenz zu warnen»)
Bereits versuchen sich Staaten für eine mögliche Regulierung zu profilieren. So gelang dem damaligen britischen Premier Rishi Sunak die Einberufung eines internationalen KI-Gipfels in London im Dezember 2023. 28 Regierungsvertretungen unterzeichneten die sogenannte Bletchley-Erklärung. Diese sieht ein internationales Wissenschaftsnetzwerk zur Identifizierung von KI-Sicherheitsrisiken sowie Sicherheitstests für neue KI-Modelle vor. Vertreten waren auch die USA, China und die EU. Zudem nahmen die Tech-Giganten, Vertretungen von Wissenschaft und von regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) teil.
Ein zweites Gipfeltreffen fand im Mai 2024 in Seoul, Südkorea, statt. Ein weiteres folgt im Februar 2025 in Paris. Bereits kurz vor der Bletchley-Erklärung – wohl auch um den Führungsanspruch der USA klarzumachen – unterzeichnete US-Präsident Joe Biden die bereits erwähnte Executive Order, die unter anderem neue Standards für die Sicherheit und Sicherheitstests vor der Einführung potenter KI-Anwendungen vorsieht.
Doch die EU versucht, ihre Rolle als Vorreiterin aufrechtzuerhalten. Mit ihrem Artificial Intelligence Act (AI Act) erliess sie das weltweit erste KI-Gesetz und hofft, ähnlich wie schon bei der EU-Datenschutz-Grundverordnung, international Standards zu setzen. Auch beim Europarat liegt ein Regulierungswerk vor, das unter Schweizer Vorsitz erarbeitet wurde. Die Schweiz will bis Ende 2024 einen Entwurf vorlegen, der mit dem AI Act der EU und den Regulierungen der KI-Kommission des Europarates kompatibel sein soll.
Regulierungen in Kalifornien?
Im September 2024 verabschiedete das kalifornische Parlament einen wichtigen Gesetzesentwurf (State Bill (SB 1047). Gemäss kalifornischem Recht wird ein Gesetzesentwurf erst rechtskräftig, wenn der Gouverneur nicht Widerspruch einlegt. Der zurzeit amtierende Demokrat Gavin Newsom legte jedoch sein Veto ein und begründete den Entscheid damit – so der Bericht von KQED, einem gemeinnützigen Medienunternehmen mit Sitz in Kalifornien –, dass er nicht gegen KI-Regulierungen sei und bereits über ein Dutzend KI-Gesetze zu spezifischen Risiken erlassen habe. Der vorliegende Gesetzesentwurf hätte jedoch grosse KI-Firmen verpflichtet, ihre Modelle künftig erst auf Sicherheit zu testen, bevor sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Zudem sollte sichergestellt werden, dass im Ernstfall ein Modell abgeschaltet werden kann.
Kein Wunder, wurde beim Gouverneur stark lobbyiert. Kritik am Gesetzesentwurf kam von einigen grossen Tech-Firmen, insbesondere von Sam Altmann, CEO von OpenAI, wie aus einem offenen Brief an die kalifornische Regierung hervorgeht, unterzeichnet von zwei ehemaligen Mitarbeitern von OpenAI. Interessanterweise äusserte sich Elon Musk positiv zum Gesetz – so Politico. Könnte es sein, dass er bremsende Regulierungen wünscht, um Zeit zu gewinnen? Er will bei Grok, dem Produkt seiner Firma xAI, den Entwicklungsvorsprung von Wettbewerbern wie OpenAI einholen. Zurzeit ist Grok wegen mangelnder Sicherheitsleitplanken mit Falschmeldungen im Wahlkampf präsent (so die britische Sonntagszeitung The Observer). Gemäss Politico kamen Einwände auch aus demokratischem Umfeld. Es wurde argumentiert, eine zu rigorose Regelung würde dem Silicon Valley schaden, weil die Tech-Giganten Kalifornien verlassen könnten. Es brauche deshalb eine nationale Regelung.
Sicherheitsfragen bei OpenAI, dem Treiber des KI-Hype
Im September verliess die Technologiechefin Mira Murati die Firma OpenAI, zusammen mit zwei leitenden KI-Entwicklern, Bob McGrew und Barret Zoph (Information der internationalen Nachrichtenagentur CNBC), was ein mittleres Beben auslöste. Diese Abgänge könnten mit der jüngsten Finanzierungsrunde von OpenAI zusammenhängen. Offensichtlich gelang es OpenAI, zusätzliche 6,6 Milliarden Dollar zu akquirieren, wie die Agentur Reuters am 3. Oktober 2024 berichtete.Die Investitionen, hauptsächlich von Microsoft und neu von Nvidia, seien mit Umstrukturierungen in Richtung eines gewinnorientierten Unternehmens verknüpft. Damit rücken Fragen der Rendite gegenüber Massnahmen zur Sicherheit in den Vordergrund, durch welche die Entwicklung abgebremst und verteuert würde.
Bereits zuvor kam es zu ersten Abgängen. Die prominenten Geschwister Dario und Daniela Amodei verliessen OpenAI schon Ende 2020 und gründeten 2021 das Start-up Anthropic als ein stärker auf Sicherheitsfragen ausgerichtetes Konkurrenzunternehmen zu OpenAI. Im Mai 2024 verliessen mit Ilya Sutskever und Jan Leike zwei für die Sicherheit der KI-Anwendungen Verantwortliche die Firma. Ilya Sutskever gründete das Start-up Safe Superintelligence, Jan Leike ging zu Anthropic. Im August wurde bekannt, dass einer der Mitbegründer von OpenAI, John Schulman, ebenfalls zum Konkurrenten Anthropic wechselte.
Eine Tech-Zukunft in ungebremster Risikofahrt
Offensichtlich ist einigen Tech-Milliardären im Silicon Valley bereits die Executive Order der Regierung Biden zu restriktiv, obwohl diese als Richtlinie nicht dieselbe Rechtswirkung wie z. B. der AI Act der EU entwickeln kann. Die Selbstregulierung der Tech-Giganten dürfte in ihrem Konkurrenzwettkampf nicht funktionieren, weshalb es zu staatlichen Regulierungen kommen muss.
Hier liegt ein wichtiger Grund, weshalb die Tech-Milliardäre über Trump Einfluss nehmen wollen. Für Elon Musk geht es um noch viel mehr. Wie im Infosperber kürzlich berichtet wurde, erhielt Musk für Tesla und SpaceX Milliardenaufträge von US-Bundesstellen; er sieht sich aber auch hier durch Regulierungen eingeschränkt. Wegen dieser Aufträge müsste seine mögliche künftige Funktion als Leiter der bereits erwähnten «Kommission für Regierungseffizienz» zu Interessenkonflikten führen.
Elon Musk hat sich als ein genialer Pionier erwiesen. SpaceX ist an der Spitze der Weltraumforschung, weshalb die NASA nicht ohne dieses Knowhow auskommt. Dank seinem Tesla kam der Markt für Elektroautos in Fahrt. Wenn kriegs- oder krisenbedingt das Kommunikationsnetz ausfällt, kann Musks Starlink-Satellitensystem dieses sicherstellen. Es ist gemäss Washington Post das Rückgrat des ukrainischen Militärnetzes.
Aber es muss beunruhigen, dass der reichste Mann der Welt über die Nutzung des Satellitensystems entscheidet und eventuell nicht im Sinn der US-Regierung. Wie lange kann die Ukraine das System noch nutzen und was wäre im Falle eines Kriegs zwischen China und Taiwan (thematisiert im US-Nachrichtenmagazin Newsweek)? Die Frage, ob Musk ein Sicherheitsrisiko sei, stellt sich nach den jüngsten Berichten (z. B. im Guardian) zu seinen vermuteten direkten Telefonkontakten mit Putin. Das Pentagon will zumindest die geopolitisch heikle Abhängigkeit vom Starlink-Satellitensystem rasch reduzieren.
Noch hat Donald Trump trotz Unterstützung von Elon Musk die Präsidentschaftswahlen nicht gewonnen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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