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Veggie-Burger mit Randen, Salat und Dip © cc-by Marco Verch, CCNull

EU-Gericht: Veggie-Wurst darf «Wurst» heissen

Daniela Gschweng /  «Sojasticks» dürfen in der ganzen EU wieder Würstchen heissen und auch das Sojaschnitzel muss sich nicht mehr verbiegen.

Die Frage, wie pflanzliche Fleischalternativen gekennzeichnet werden dürfen, sorgte in den vergangenen Jahren für so manche hitzige Diskussion und einige Unsicherheit. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) legte Anfang Oktober nun eindeutig fest: Die immer beliebteren Veggie-Lebensmittel dürfen als «Wurst», «Schnitzel» oder «Burger» bezeichnet werden.

Ein Mitgliedsstaat könne nicht einfach bestimmen, dass eine vegane Wurst als etwas anderes etikettiert werden müsse – solange klar werde, dass das Produkt keine tierischen Bestandteile enthält.

Entscheidung sorgt für Aufatmen

Im Detail: Wenn es keine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung für ein Lebensmittel gibt, dürfe ein EU-Staat nicht verbieten, dass es mit einer «verkehrsüblichen Bezeichnung» oder einer «beschreibenden Bezeichnung» benannt werde.

Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten wüssten sofort, was sie kaufen, auch wenn die Produkte pflanzlichen Ursprungs seien, so das Gericht. Beim Verdacht auf Irreführung steht der Klageweg offen.

Die Entscheidung des EuGH stellt für die Produzenten pflanzlicher Produkte eine Erleichterung dar. Vor allem in Frankreich gab es seit 2021 strenge Vorgaben. Dagegen geklagt hatte das Unternehmen Beyond Meat und mehrere Verbände wie die Europäische Vegetarier-Union und die Association Végétarienne de France (AVF). Der französische Staatsrat hatte die Klage an den Europäischen Gerichtshof weitergereicht.

Weiterhin strenge Vorschriften für Milch, Käse, Joghurt und Co.

Trotz der sprachlichen Erleichterung bei Fleischalternativen bleibt es bei den strengen Regelungen für Milchprodukte. So dürfen Bezeichnungen wie «Sojamilch» oder «veganer Käse» weiterhin nicht verwendet werden, weil sie tierischen Produkten vorbehalten sind – trotz etablierten Begriffen wie «Scheuermilch».

Viele Konsumentinnen und Konsumenten verwenden im Alltag zwar Worte wie «Hafermilch», doch auf den Verpackungen bleiben diese Bezeichnungen streng reguliert. Dies ist das Ergebnis eines EuGH-Urteils von 2017. Hersteller pflanzlicher Milchprodukte müssen also weiterhin kreative Lösungen finden wie «Schmelzscheiben», «No Milk» oder «Soja Cuisine» für pflanzenbasierte Käse-, Milch-, und Rahmalternativen.

Traditionelle Fleischindustrie im Abwehrkampf

Das aktuelle Urteil wird von Vertretern der traditionellen Fleischindustrie kritisch betrachtet. Sie befürchten Umsatzeinbussen und auf längere Sicht, dass ihre Produkte verdrängt werden könnten.

Im Benennungsstreit stehen sich beide Seiten recht unversöhnlich gegenüber. Die Fleischindustrie argumentiert, dass Konsumentinnen und Konsumenten klar erkennen müssen, ob ein Produkt Fleisch enthält oder nicht. Hersteller von pflanzlichen Alternativen sehen darin einen Versuch, die Konkurrenz kleinzuhalten. Sie betonen, dass ihre Produkte bereits fest verankert sind.

Die Konsument:innen sind da häufig schon weiter. Für die meisten sind Sojaschnitzel und Veggie-Burger längst ein Begriff, den sie von Schweinesteak und Rindsroulade unterscheiden können. Die Frage nach der Bezeichnung ist für sie meist zweitrangig – wichtiger ist die Transparenz über die Inhaltsstoffe und die Herkunft der Ware.

Vielen ist auch wichtig, welche Auswirkungen der hohe Fleisch- und Milchkonsum auf Umwelt und Klima haben, wer die milliardenschweren Subventionen und Folgeschäden ihrer Produktion bezahlt oder wie hoch die Mehrwertsteuer auf fleischlose Produkte ist.

Ein sich verändernder Markt

Für Hersteller von Kalbsroulade und Schinkenwurst ist das Urteil aber auch ein Vorteil, weil es klare Verhältnisse schafft. Jedes EU-Land hat weiterhin die Möglichkeit, eine rechtliche Vorgabe für die Benennung bestimmter Lebensmittel zu machen – was aber kaum geschehen dürfte. Diskussionen darüber, wie viele Prozent Soja oder Lupinen eine Wurst nun genau enthalten darf, um noch «fleischig» zu sein, ist der EuGH damit auch aus dem Weg gegangen.

Letztlich zeigt das Urteil, dass sich der Markt weiterentwickelt. Einige Hersteller von Fleischereiprodukten positionieren sich erfolgreich mit pflanzenbasierten Wurst- und Fleischalternativen auf dem Markt. Das Unternehmen Rügenwalder Mühle beispielsweise, das seit 2014 auch fleischlose Produkte anbietet, macht damit mittlerweile mehr Umsatz als mit Teewurst und Schweineschinken.


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7 Meinungen

  • am 25.10.2024 um 15:17 Uhr
    Permalink

    Im Artikel wird die Firma „Beyond Meat“ erwähnt. Sie waren ja einer der Pioniere der sog. pflanzlichen Fleischalternativen.

    Schaut man sich den Aktienkurs der Firma an, so ging die Firma Anfang Mai 2019 an die Börse und beendete den ersten Börsentag bei einem Kurs von USD 65.75, eine Marktkapitalisierung von 4.3 Milliarden Dollar. In grenzenloser Euphorie stieg der Aktienkurs auf ca. USD 200, eine Marktkapitalisierung von ca. 13 Mia. Dollar. Sie hatten damals Ende 2019 einen Umsatz von unter 300 Mio. Dollar und Verluste von 12 Mio. Dollar.

    Seither fiel der Aktienkurs auf heute ca. USD 6.5, Marktkapitalisierung von ca. USD 420 Mio.. Ein Verlust seit Börseneröffnung von ca. 90 % und seit dem Höchstkurs von ca. 97%.

    Der Umsatz stieg bis Ende 2021 auf ca. USD 465 Mio., bei Verlusten von ca. USD 180 Mio.. Zuletzt berichtete die Firma einen Umsatz von ca. USD 315 Mio. und Verluste von ebenfalls ca. USD 315 Mio..

    Wie erfolgreich ist die Industrie mit „Fleischalternativen“ wirklich?

    • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
      am 25.10.2024 um 15:48 Uhr
      Permalink

      Ziemlich. Das kann man zumindest für Europa und noch genauer für Deutschland sagen, wo gerade ein Bericht zur Marktsituation von pflanzenbasierten Lebensmitteln publiziert wurde. Besonders stark ist das Wachstum in den Kategorien «Fleisch», «Fisch», «Milch» und «Sahne».

      • am 25.10.2024 um 23:12 Uhr
        Permalink

        Nun ja, wenn man sich konkrete Zahlen anschaut, dann ist in Deutschland im Jahr 2023 die Produktion von Fleischersatzprodukten um 16,6% gestiegen auf einen Wert von 583 Millionen Euro. Das mag zwar ordentlich tönen, aber wenn man es im Vergleich setzt mit der Produktion von Fleischwaren? Dort betrug der Wert im Jahr 2023 44,8 Milliarden Euro.

        Der Wert von Fleischersatzprodukten betrug also nicht mal 0,15% des Werts der Fleischprodukte. Da ist ein Wachstum von knapp 17% nicht gerade viel.

        Und wenn man sich die extrem hohen Verluste bei Beyond Meat anschaut, könnte der eine oder andere Betrieb, der auf Fleischersatzprodukte setzt, noch schlechte Überraschungen erleben.

        Ca. 43% der handelbaren Aktien von Beyond Meat werden leer verkauft. Bei kaum einer Aktie setzen so viele Börsianer auf noch weiter fallende Aktienkurse der Firma.

  • billo
    am 25.10.2024 um 19:53 Uhr
    Permalink

    Der Kampf um die Bezeichnungen ist wichtig in einer Übergangsphase, in der immer mehr Menschen immer weniger Fleisch essen sollen, um Tiere, Umwelt und Klima zu schonen. Für viele mag der persönliche Wandel leichter vonstatten gehen, wenn das Ding auf dem Teller noch wie eine Wurst aussieht und auch so heisst.

    Auf ganz lange Sicht aber werden Bezeichnungen, die an ein aus Tieren gewonnenes Produkt erinnern, wohl ganz verschwinden, wenn es um vegetarische oder vegane Kost geht, die dereinst zum Regelfall wird. Eine Mehrheit der Menschen wird nicht mehr «Wurst» nennen wollen, was aus Gemüse besteht und in eine längliche Hülle angepackt ist. Würste, Burger, Schnitzel oder Fischfilets von toten Tieren dürften nur noch von einer Minderheit gegessen werden, ab und zu, und die damit verbundenen alten Begriffe überlässt man ihnen gern.

  • am 25.10.2024 um 20:21 Uhr
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    Ist doch OK. Früher war in der Wurst oft haufenweise schlechtes Zeug drinnen: minderwertiges Fleisch, viel Chemie, Phosphat, Streckmittel wie Mehl oder Getreideflocken. Noch heute sind selbst bei Bio-Wurst unnötige Sachen drin wie Dextrose (Geschmacksverstärkter, Haltbarkeit) oder Magermilchpulver (Konsistenz). Wurst wurde früher als die Pastete des armen Mannes bezeichnet und war bei besseren Kreisen verpönt; dort aß man Braten und eben echte Pasteten. Insofern reiht sich die Ersatzstoffindustrie für vegane Produkte, die oft hoch verarbeitet, energieintensiv und sicher nicht gesünder als Wurstprodukte sind, sich dort gut ein. Wer sich gesund ernähren will, nimmt gering verarbeitete (oder selbst hergestellte) Sachen, egal ob wurstig-fleischig oder vegan. Veggie-Burger und -schnitzel kann man sich selber machen oder Pilze in die Pfanne hauen. Auch die «Soja-Sticks» kommen letztlich aus Monokultur, brauchen riesige Transportwege und kommen aus einer «Brust-oder-Keule»-Fabrik.

  • am 25.10.2024 um 21:15 Uhr
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    Zitat: «Vielen ist auch wichtig, welche Auswirkungen der hohe Fleisch- und Milchkonsum auf Umwelt und Klima haben, wer die milliardenschweren Subventionen und Folgeschäden ihrer Produktion bezahlt.» Ende Zitat. Hoffentlich ist denselben Leuten auch klar welche Auswirkungen der wieder weltweit vermehrte Einsatz von subventionierten Waffen und Kriegsmaterial auf Umwelt und Klima haben, sowie wer die multimilliardenschweren Sachschäden all dieser grauenhaften Kriege bezahlt. Der anhaltend eskalierenden Situation entsprechend befürchte ich allerdings, dass sich diesbezüglich kaum jemand ernsthafte Gedanken macht.

  • am 26.10.2024 um 19:16 Uhr
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    Letzthin lachte mich im Regal eine «vegane Poulet-Kalbsbratwurst» an. Geht’s noch?
    Und weiter fällt mir jeweils gegen Abend auf, dass viele vegane Produkte zum halben Preis zu haben sind.
    Nun, jedem Tierchen sein Pläsierchen. Vegi ist nicht meine Sache. Aber weniger Fleisch essen und für das Tierwohl kämpfen sehr wohl. Was in Sachen Tierhaltung in der industriellen Landwirtschaft abgeht, ist eine Schande für zivilisierte Menschen.

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