Die kleinen Gemeinden und das grosse Google
Die Gemeinde Gsteigwiler liegt am Eingang zu den Lütschinentälern im Berner Oberland. Das Tal ist ein Nadelöhr. Es hat kaum Platz für die Lütschine, die Hauptstrasse, die Bahnlinie und einen Feldweg. Weiter hinten liegen in den Tälern der Schwarzen und der Weissen Lütschine die Tourismusorte Grindelwald, Lauterbrunnen, Wengen und Mürren. Besonders an schönen Wochenenden hat es viel Verkehr. Wenn sich Stau bildet oder wenn es zu einem Unfall kommt, dann beginnen die Kalamitäten.
Google wusste die «Lösung»
Das war zum Beispiel an Ostern der Fall. Wegen eines Unfalls war die Hauptstrasse vorübergehend gesperrt. Es bildete sich ein langer Stau. Doch der Routenplaner von Google wusste eine «Lösung»: Er leitete die Autofahrer und Autofahrerinnen in Gsteigwiler mitten durchs Dorf und via Buchenstutz nach Gündlischwand. Wichtig zu wissen: Der Buchenstutz ist ein Feldweg. Er ist nicht asphaltiert. Und über weite Strecken ist Kreuzen nicht möglich. Der Feldweg ist mit einem Fahrverbot für Motorwagen und Motorräder belegt. Nur Zubringer dürfen ihn befahren.
Mit grossen Wohnmobilen
Aber das wussten die Ortsunkundigen nicht. Deshalb folgten sie dem Rat von Google und fuhren – selbst mit grossen Wohnmobilen – in Richtung Buchenstutz. Zufälligerweise sah das die Gemeinderätin Ursula Feuz und schickte die Fahrzeuglenker wieder zurück auf die Hauptstrasse. Erst nach etwa einer Stunde kam die Polizei und sorgte dafür, dass die Fahrzeuglenker gar nicht erst von der Hauptstrasse abbogen.
Auch andernorts
Gsteigwiler ist mit dem Problem nicht allein. Auch in anderen Gegenden macht Google mitunter unsinnige Vorschläge. Infosperber berichtete im Februar über solche Probleme im Kandertal BE, südlich des Limmattaler Kreuzes ZH, in Davos GR und rund um Lausanne.
Intervention bei Google
Die 400-Einwohner-Gemeinde Gsteigwiler wollte sich das nicht gefallen lassen und wurde im Sommer bei Google vorstellig. Google liess sich Zeit mit der Antwort. Doch dann versprach der Milliarden-Konzern plötzlich, das Problem innert 24 Stunden zu lösen.
Nur ein kleiner Hinweis
Alles gut, also? Leider nicht. Google gibt den Buchenstutz immer noch als mögliche Ausweichroute an. Nur ein kleiner Hinweis deutet an, dass die Ausweichroute gar nicht befahren werden darf: «Auf dieser Route liegen gesperrte oder private Strassen.»
Auch auf Streetview
Auf Anfrage von Infosperber erklärt Google, die «Einschränkung für Autos und Motorräder» sei auch auf den Bildern von Google-Streetview ersichtlich. Nur: Welcher Automobilist studiert schon während der Fahrt die Bilder von Google-Streetview? Hoffentlich keiner.
Keine «Totalsperrung»
Aber warum zeigt Google die Ausweichroute über den Buchenstutz für Autofahrer überhaupt an? Google schreibt, Google-Maps mache die Nutzer weltweit mit einem gelben Dreieck darauf aufmerksam, dass gewisse Strecken nicht von allen befahren werden dürften. Und weiter: «Eine Totalsperrung der Route wird aufgrund der Tatsache, dass es sich hierbei lediglich um eine Einschränkung des Verkehrs handelt und nicht um ein Fahrverbot für alle, nicht vorgenommen.»
Dabei wäre eine «Totalsperrung» auf Google-Maps überhaupt kein Problem. Denn die Zubringer wissen ja ohnehin, dass sie den Buchenstutz befahren dürfen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ich muss gestehen, ich nutze Google Maps bei langen Autoreisen bzw. Fahrten ins Ungewisse häufig – ich gebe dazu meine Positionsdaten gerne her, erhalte im Gegenzug eine meist tadellose Navigationsdienstleistung in Echtzeit.
Den Kopf bei der Sache haben, sollte man jedoch schon – auf verschneite Passhöhen oder über derartige Feldwege habe ich mich entsprechend noch nie lotsen lassen.
Und trotzdem tappe ich regelmässig fast in die Gotthard-Südportal-Falle…da überlegt man sich, soll ich für nach Zürich über den San Bernardino, sieht dann aber, dass man am Südportal des Gotthards nur 15 Minuten verliert und will in Bellinzona schon links halten.
Dann erinnere ich mich an die komischen Schlaufen auf der Karte und deren Bedeutung…bis heute hat Google nicht gemerkt, dass die Polizei die Einfahrt in Airolo sperrt und in der Folge wohl mit hunderten von Google-hörigen Autofahrern entsprechend frustrierende Gespräche führen muss.
Ich kämpfe schon seit fast zwei Jahren gegen diese Umleitungen. Ich habe ein grosses Areal dies ist auf zwei Seiten mit einer Strasse verbunden. Google und co. bringen es Zustande die Autos über mein Areal fahren zu lassen. Gemeinde und Kanton sind überfordert und können nicht Hand bieten obwohl deren Vertreter vor Ort waren.
Ihr Parkplatz wird wohl auch in Openstreetmap vorhanden sein und ziemlich sicher als öffentlich gekennzeichnet sein. Siehe auch meinen Beitrag unten
Just heute (21.Okt.2024 um 12:51 Uhr) ist ein Google-Auto (ZH-Autokennzeichen und die grosse Kamera-Apparatur auf dem PW-Dach) an meinem Wohnblock vorbeigefahren, wohlgemerkt im absoluten Motorfahrzeuge-Fahrverbot.
Ist das nicht illegal oder haben die eine Sonderbewilligung vom Staat? Abgesehen davon finde ich das wider den Datenschutz, ich finde das sogar Spionage.
Ich habe schon festgestellt dass Google auch auf Daten von Openstreetmap zugreift. Hier auf dem Buchenstutz ist es auf jedenfall so dass in den OSM Daten KEINE Beschränkung eingetragen ist. Ich empfehle der Gemeinde sich an einen lokalen OSM Mapper zu wenden, um die fehlenden Ergänzungen anzubringen. Die können das auch selber machen, einfach einen Openstreetmap Account einrichten
Merci für den Hinweis. Ich melde das der Gemeinde.
Ich habe das Gefühl die Leute verblöden zusehends, indem sie sich blind auf diese Geräte verlassen. Ich navigiere auch mit iPhone und Google Maps (oft benutze ich auch «Karten» von Apple). Es kommt vereinzelt vor, dass mich diese übers Fahrverbot schicken will… aber das habe ich noch nie gemacht. Meist findet das Navi dann eine andere Route.