Wie das Swiss Finance Institute die Finanzforschung beeinflusst
25 von 75 Schweizer Finanzprofessoren, die Mitglied des privaten Swiss Finance Institute (SFI) sind, beziehen von diesem einen jährlichen Bonus von mindestens 50’000 Franken. Das SFI wird von Grossbanken kontrolliert. Diese «Verbindung der Praxiserfahrung mit akademischer Exzellenz» soll nach Eigendeklaration des SFI «den Schweizer Finanzplatz stärken». Die Geldempfänger sind alles Männer.
Eine Recherche des Recherchenkollektivs WAV hat Licht hinter ein fragwürdiges akademisches Boni-System des SFI gebracht. «Das Lamm» und die «Republik» veröffentlichten die Recherche Mitte September. Das SFI war nicht «amused» und verbreitete eine «Gegendarstellung», welche die beiden Publikationen jedoch nicht veröffentlichen mussten. Wie es Sponsoren immer tun, beteuert das SFI, es nehme auf Lehre und Forschung keinerlei Einfluss.
Am 22. April 2024 hat Professor Marc Chesney zusammen mit Professor Peter Ulrich auf Infosperber festgestellt, dass die grosse Mehrheit der vielen Schweizer Finanzprofessoren schweigt, wenn es um das Debakel der Credit-Suisse geht oder darum, wie man das Klumpenrisiko der UBS in den Griff bekommt. Von der akademischen Welt würden sich vor allem Wirtschaftsprofessoren und Wirtschaftshistoriker melden, jedoch auffallend praktisch keine Finanzprofessoren. Schon im Jahr 2014 hatte Chesney das Universitätssponsoring in der «NZZ» beanstandet. Doch die Kritik blieb ohne Folgen.
Chesney war bis 2017 als Professor quasi automatisch Mitglied der SFI-Fakultät, bezog jedoch keine Boni. Seine Aussenseiterposition dient dem SFI jetzt als Beleg, dass es bankenkritische Meinungen toleriert habe.
Am 26. April 2024 hatte Infosperber aufgezeigt, warum viele Professoren industrie- und bankenfreundlich sind. Im Folgenden die wichtigsten Fakten, welche Sophie Hartmann und Maria-Theres Schuler vom Recherchenkollektiv zusammengetragen haben.
Hintergrund und Finanzierung
Das Swiss Finance Institute ist eine private Stiftung mit Sitz in Zürich, die 2005 gegründet wurde, um die Schweizer Banken- und Finanzbranche international an der Spitze zu halten. Die Stiftung finanziert ausgewählte Finanzprofessoren an verschiedenen Schweizer Universitäten, darunter solche der Universität Zürich, ETH Zürich, Universität St. Gallen und andere. Diese Finanzierung erfolgt grösstenteils durch Mitgliedsbanken der Schweizer Bankiervereinigung und ist an spezifische akademische Leistungen gebunden. Die Finanzierung durch Banken wirft Fragen zur Unabhängigkeit der Forschung auf, da die Kriterien für die akademische Exzellenz vom mehrheitlich aus Bankenvertretern bestehenden Stiftungsrat festgelegt werden. Dies führt zu potenziellen Interessenkonflikten, da die Finanzlobby Einfluss auf die akademische Ausbildung und Forschung nimmt.
Gehalt und Anreize
Professoren, die einen SFI-Lehrstuhl innehaben, erhalten vom SFI eine jährliche Gehaltserhöhung von 50‘000 Franken. Diese Gehaltserhöhungen sind an das Erfüllen bestimmter akademischer Kriterien gebunden, was den Druck auf die Forscher erhöht, sich an den Interessen des Finanzsektors zu orientieren. Zusätzlich können SFI-affiliierte Professoren sogenannte «Knowledge Exchange Contracts» beantragen, um ebenfalls oder zusätzlich 50‘000 Franken jährlich zu erhalten. Diese Verträge erfordern von den Professoren, dass sie Seminare oder Diskussionen für Banken durchführen.
Welche Professoren solche Entschädigungen erhalten, geht aus der Liste der Stiftungsprofessuren der Universität Zürich nicht hervor – obschon das SFI den Grundlohn von zwei Lehrstühlen finanziert. Die weiteren Kosten für diese Lehrstühle wie Sekretariat, Assistenten, Büro und Infrastruktur gehen zu Lasten der Steuerzahler.
Die gesponserten Gelder für die Zusatzverdienste lassen sich nach Angaben der Medienstelle der UZH keiner der bestehenden Transparenzkategorien zuteilen, da es sich um eine Auszeichnung für «wissenschaftliche Exzellenz» handle. Deshalb würden die Zahlungen der 50’000 Franken administrativ als Nebenbeschäftigungen gewertet.
Einfluss auf Forschung und Lehre
Die enge Verbindung zwischen dem SFI und den Universitäten hat erhebliche Auswirkungen auf die Lehrinhalte. Ein Grossteil der Lehrveranstaltungen im Bereich Finanzwissenschaften wird von SFI-affiliierten Professoren angeboten, was zu einer einseitigen Perspektive in der Lehre führen kann.
Das Rechercheteam schreibt: «Die Auflagen sind vielfältig, wie ein Mustervertrag für einen SFI-Lehrstuhl zeigt: So müssen SFI-Lehrstühle dem Institutsdirektor jährlich über ihre forschungsrelevanten Aktivitäten Bericht erstatten und bei Publikationen oder Vorträgen ihre Zugehörigkeit zum SFI an erster oder zweiter Stelle erwähnen. Sie müssen für die SFI-‹Research Paper Series› schreiben sowie aktiv dazu beitragen, «herausragende Talente» für ihre Universität zu rekrutieren. Zudem evaluiert das SFI alle fünf Jahre die ‹wissenschaftliche Exzellenz› ihrer Lehrstuhlinhaber und entscheidet, ob sie weiterhin ihren Bonus erhalten.»
Kritiker argumentieren, dass dies den Raum für alternative Ansätze in der Finanzforschung einschränke. Die Auswahlkriterien für SFI-Lehrstühle basieren stark auf Publikationen in renommierten Fachzeitschriften wie dem «Journal of Finance» oder dem «Journal of Financial Economics». Um einen SFI-Lehrstuhl zu erhalten, müssen Bewerber mindestens vier Publikationen in diesen Zeitschriften innerhalb der letzten sechs Jahre vorweisen. Dies führt dazu, dass vor allem Mainstream-Positionen gefördert werden und alternative Ansätze wie kritische Finanzwissenschaft oder interdisziplinäre Perspektiven benachteiligt werden.
Die finanzielle Abhängigkeit vom SFI kann dazu führen, dass wissenschaftliche Integrität und gesellschaftliche Verantwortung in den Hintergrund gedrängt werden. Die enge Verknüpfung zwischen Boni und akademischen Positionen kann die Unabhängigkeit der Lehre gefährden und dazu führen, dass kritische Perspektiven in der Finanzforschung vernachlässigt werden.
SFI: «Im Stiftungsrat sitzen auch Vertreter der Partneruniversitäten»
In seiner «Gegendarstellung» wehrt sich das «Swiss Finance Institute» dagegen, dass «mehrheitlich Bankenvertreter» das Sagen hätten, wie das Recherchekollektiv feststellte. Das SFI hält dazu fest: «Der SFI-Stiftungsrat umfasst nebst Bankenvertretenden auch vier Vertretende der SFI-Partneruniversitäten.»
Tatsache ist, dass der Präsident (UBS) und der Vizepräsident (Zürcher Kantonalbank) Vertreter von Grossbanken sind. Von den insgesamt 14 Stiftungsratsmitgliedern sind nur 4 keine Vertreter der Finanzwirtschaft. Ihren Namen hergegeben haben Klaus Möller, Professor für Performance Management/Controlling an der Universität St. Gallen, Frédéric Herman, Rektor der Universität Lausanne, Luisa Lambertini, Rektorin der Università della Svizzera italiana sowie Christian Schwarzenegger, Prorektor der Universität Zürich und Professor für Strafrecht und wissenschaftliche Information.
Das SFI weist in der «Gegendarstellung» darauf hin, dass es sämtliche Verträge mit den Partneruniversitäten offenlegt, falls diese mit Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz eingefordert würden. Auf der SFI-Webseite sind sie nicht veröffentlicht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Hier muss man nicht um den Brei reden. Diese 25 Professoren sollen fristlos entlassen werden. Eine Schande für die Schweizer Universitäten, welche sich und der Schweiz damit einen unterirdischen Ruf graben.
Als Ergänzung zum Artikel mag interessieren, dass die darin erwähnten Peter Ulrich und Marc Chesney im Namen des Rates Kontrapunkt die Problematik des Universitätssponsoring bereits 2014 analysiert und Bedingungen formuliert haben, welche die zu erwartenden Verzerrungen zu kontrollieren erlauben. Unnötig zu sagen, dass sich kaum eine Universität derartige Gedanken macht, besonders angesichts der stets wiederkehrenden Tendenzen, ihre öffentliche Finanzleine zu kürzen.