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Im Zuge eines Ärztestreiks konnte das Pflegepersonal in Südkorea seine Stellung gegenüber der Ärzteschaft verbessern (Symbolbild). © public-domain gcasasola/PxHere

Pflegepersonal: Streik bringt mehr als Verfassungsartikel

Pascal Derungs /  Seit 2021 verlangt die Bundesverfassung eine Besserstellung der Pflegenden. In Südkorea hat sich dank des Ärztestreiks mehr bewegt.

Die Spannungen zwischen der Ärzteschaft und den Pflegenden brodeln oft unter der Oberfläche. Das ist überall so, in der Schweiz genauso wie in Südkorea. Ausgerechnet ein monatelanger Streik der Ärzteschaft hat dort dazu geführt, dass das Pflegepersonal seine berufliche Stellung markant verbessern konnte. Wie die «New York Times» berichtete, gibt ein neues Gesetz den Pflegenden erweiterte medizinische Kompetenzen. Es übertrage ihnen nicht nur mehr Verantwortung und verschaffe ihnen mehr Lohn und mehr Anerkennung. Es baue auch den rechtlichen Schutz des Pflegepersonals aus.

Das ist deutlich mehr als bisher infolge der angenommenen Pflegeinitiative in der Schweiz erreicht wurde.

Artikel 117b der Schweizerischen Bundesverfassung

1 Bund und Kantone anerkennen und fördern die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung und sorgen für eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität.

2 Sie stellen sicher, dass eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen für den zunehmenden Bedarf zur Verfügung steht und dass die in der Pflege tätigen Personen entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen eingesetzt werden.

Die Ärzte wollen vom Ärztemangel weiter profitieren

Bereits seit Februar streikt die südkoreanische Ärzteschaft, weil die Regierung die Zahl der Medizinstudienplätze stark erhöhen will. Angeblich würde das ihre  Arbeitsbedingungen und die Qualität der medizinischen Versorgung verschlechtern.

Die streikenden Ärzte und Ärztinnen leisten weiterhin Notfalldienste und führen lebensrettende Arbeiten durch. Dies gilt insbesondere für Notfallmedizin und Intensivstationen, um sicherzustellen, dass Patienten in lebensbedrohlichen Situationen weiterhin behandelt werden. Laut «New York Times» sagten Experten voraus, dass der Streik bis weit ins nächste Jahr andauern könnte.

Aus der Not geboren

Der Ärztestreik führte in den Spitälern zu einem Personalnotstand. Deshalb erlaubten viele Kliniken qualifizierten Krankenschwestern und Pflegern, neue Aufgaben zu übernehmen, die traditionell von ihren Kollegen im weissen Kittel ausgeführt werden. Dazu zählten etwa das Legen von Kathetern, Blutuntersuchungen und das Ausstellen von Rezepten.

In Südkorea gibt es nach Angaben der Regierung etwa 250’000 berufstätige Krankenschwestern. Während des ärztlichen Streiks wurden nach Angaben des koreanischen Krankenpflegeverbandes 60 Prozent der Krankenschwestern in den betroffenen Krankenhäusern angehalten, verschiedene Aufgaben von Assistenzärzten zu übernehmen.

Viele Krankenschwestern und -pfleger hätten diese Aufgaben jedoch nur widerwillig übernommen, weil sie nicht genug bezahlt würden. Und sie seien gesetzlich nicht ausreichend geschützt, falls etwas schiefgehen sollte.

Auf Druck der Pflegenden erarbeitete die Regierung einen Gesetzesentwurf. Dieser gibt den Pflegenden erweiterte Kompetenzen und bietet ihnen mehr rechtlichen Schutz. Sogenannte «Physician Assistant Nurses» (Assistenzpflegekräfte) dürfen bestimmte medizinische Verfahren durchführen, die traditionell von Ärzten ausgeführt werden. Sie dürfen Ärzte auch bei Operationen unterstützen. Die genauen Aufgaben muss die Regierung in einer Verordnung noch festlegen.

Flachere Hierarchie verspricht bessere Effizienz

Das südkoreanische Parlament hat das neue Krankenpflegegesetz gegen die Opposition der Ärzteschaft im August 2024 verabschiedet. Es wird Mitte 2025 in Kraft treten.

Die Konsumentenschutzorganisation «Consumer Action for Future» zeigte sich erfreut: Das Gesetz würde «die Ethik und Qualität der Krankenpflege verbessern», was wiederum den Patienten zugutekomme. Die «New York Times» zitiert Ah Rim, eine 29-jährige Krankenschwester in der Notaufnahme eines Allgemeinkrankenhauses in Gwangju, einer Stadt im Süden des Landes: «Ich habe vier Jahre lang die Krankenpflegeschule besucht und mehrere Prüfungen abgelegt, um die erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben, aber Krankenschwestern haben bisher nicht die Anerkennung erhalten, die sie verdienen».

Die Öffentlichkeit befürwortet das neue Pflegegesetz

Die «New York Times» zitiert eine Umfrage, wonach 70 Prozent der Bevölkerung das neue Gesetz begrüssen. Die Krankenschwestern feiern ihren Erfolg und schütteln die Kritik der Ärzte ab. «Es gibt einen Ärztemangel, aber dann wollen sie nicht, dass Krankenschwestern einige ihrer Aufgaben übernehmen», sagte die Präsidentin der Gewerkschaft gegenüber der «New York Times», «das verstehe ich nicht».


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