Kommentar

Grosser Bazar zwischen Armee und Entwicklungszusammenarbeit

Andreas Missbach © Daniel Rihs

Andreas Missbach /  Das Parlament sorgt in Debatten über internationale Zusammenarbeit und Armee für einen wirren Zahlensalat. Was ist passiert?

(Red.) Der Autor ist Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Der Kommentar ist auf der Webseite von Alliance Sud erschienen.

Normalerweise handelt es sich um ein Routinegeschäft, jetzt hingegen herrscht Schwindelgefahr. Der Reihe nach: Alle vier Jahre entscheidet das Parlament über die Strategie der internationalen Zusammenarbeit, die der Bundesrat vorschlägt. Bei der IZA-Strategie 2025 – 2028 ist alles anders. Schuld daran ist, dass gleichzeitig auch die Armeebotschaft 2024 verhandelt wird. Und was nach zwei ganz unterschiedlichen Geschäften aussehen könnte, wurde in der Sommersession vom Ständerat verknüpft. Er nahm einen Einzelantrag an, der das Armeebudget um vier Milliarden Franken erhöhen will. Für die Finanzierung will sich der Ständerat beim Budget der internationalen Zusammenarbeit bedienen und dort zwei Milliarden abzuzweigen.

Damit sind nun die beiden Geschäfte IZA und Armee aufs engste miteinander verhängt. Das bedeutet, dass zwei Räte, zwei Sub-Kommissionen und sechs Kommissionen sich simultan damit beschäftigen. Und als Kirsche auf dem Chaos-Kuchen kommen noch die Verhandlungen über das Budget 2025 obendrauf, wo ebenfalls um die Armee und die internationale Zusammenarbeit gefeilscht wird. Entsprechend sind natürlich auch die Argumente fröhlich verquirlt. So wird etwa behauptet, dass die Armee auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit ausgeblutet worden sei. Faktencheck: Von 2015 – 2023 wuchsen die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit mit 1,7% deutlich geringer als die ordentlichen Bundesausgaben (2,6%), die Ausgaben für die Armee hingegen mit 3,9% deutlich stärker.

Zwischenstand gegen Ende der Herbstsession

Am 11. September korrigierte der Ständerat bei der Behandlung der IZA-Strategie 2025 – 2028 den Entscheid, den er in der Sommersession bei der Diskussion der Armeebotschaft gefällt hatte. Ein Antrag, der die zwei Milliarden Kürzung wieder ins Spiel gebracht hätte, wurde sehr deutlich mit 31 zu 13 Stimmen abgelehnt. Dem Antragssteller aus der FDP fehlte sogar die geschlossene Unterstützung aus seinen eigenen Reihen. Ebenso abgelehnt wurde mit 28 Ja-Stimmen eine Kürzung um 800 Millionen Franken. In der Debatte wurde der frühere Entscheid als «Hüftschuss» bezeichnet.

Die Erleichterung hielt nicht lange an, am 19. September entschied der Nationalrat in die Gegenrichtung. Er möchte die zusätzlichen vier Milliarden für die Armee, die in beiden Räten eine Mehrheit fanden, mit «Kompensationsmassnahmen» – sprich Kürzungen – in vier Bereichen umsetzen, darunter auch bei der internationalen Zusammenarbeit. Ohne allerdings ein Preisschild daran zu hängen und zu sagen, wie viel jede Massnahme bringen soll. Nur zwei Tage später setzte der Bundesrat noch eins drauf. Er möchte in Widerspruch zu seiner eigenen IZA-Strategie im Rahmen des «Entlastungspakets für den Bundeshaushalt» 2027 und 2028 insgesamt 274 Millionen Franken bei der IZA abzwacken. Damit wird Sachpolitik ganz der Finanzpolitik unterstellt.

Ausblick auf den grossen Bazar

Wie geht es weiter: Zwischen den Sessionen werden sich verschiedene Kommissionen über die miteinander verhängten Geschäfte beugen. Dass der Vorschlag mit den vier Kürzungsmassnahmen zur Armeefinanzierung des Nationalrates bis zum Schluss überlebt, ist wenig wahrscheinlich, und es dürften neue Vorschläge kommen, wo die Millionen und Milliarden zu finden sind. In der Wintersession kommt es dann bei der Armeebotschaft 2024 zur Differenzbereinigung zwischen National- und Ständerat. Die IZA-Strategie 2025 –2028 kommt zum ersten Mal in den Nationalrat, und dann gibt es höchstwahrscheinlich auch gleich in derselben Session eine Differenzbereinigung, die natürlich mit der anderen kommuniziert: Der grosse Bazar. Ach ja, die Budget-Kirsche kommt auch noch oben drauf.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Der Artikel wurde zuerst auf der Webseite von Alliance Sud publiziert.
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