9077715340_254b1816e7_k

Marktauslage in London © cc-by-nc Kotomi_/Flickr

Briten erlauben nach Brexit drastisch mehr Pestizide

Daniela Gschweng /  Seit dem Brexit erlaubt Grossbritannien mehr Pestizidrückstände auf Lebensmitteln – zum Schaden von Umwelt und Produzenten.

Seit dem Brexit hat Grossbritannien die Grenzwerte für Pestizidrückstände für über 100 Lebensmittelarten deutlich gelockert, zeigen aktuelle Analysen des Pesticide Action Network (PAN). Die zwischen 2022 und 2024 geänderten Höchstwerte betreffen vor allem Obst und Gemüse, aber auch Getreide, Kaffee und Tee.

Insgesamt lockerte die britische Regierung die Grenzwerte für 49 Pestizide, darunter 15 von PAN als hochgefährlich eingestufte Substanzen. Diese sogenannten HHPs (highly hazardous pesticides) werden als reproduktionstoxisch, krebserregend oder hormonstörend eingestuft.

PAN warnt vor Gesundheitsgefahren

Die Änderungen haben erhebliche Auswirkungen auf Konsument:innen und Umweltschutz in Grossbritannien. Kritiker, darunter das Pesticides Action Network UK (PAN UK), warnen, dass die zunehmende Belastung der britischen Bevölkerung mit Pestiziden das Risiko für chronische Krankheiten wie Krebs erhöhen könnte.

Besonders gravierend sind die Erhöhungen der Rückstandsgrenzwerte für die Pestizide Chlorantraniliprol und Boscalid beim Nationalgetränk Tee. Sie wurden um das 4000-fache angehoben. «Not my cup of tea», muss da man sagen. Am gesündesten trinkt man seinen Tee in Nordirland, das die EU-Grenzwerte beibehalten hat.

Seit dem Brexit hat die EU Pestizid-Grenzwerte nicht nur beibehalten, sondern für einige Pestizide sogar verschärft. Grossbrittannien habe dagegen bewusst internationale Standards aus dem sogenannten Codex Alimentarius übernommen, die weniger streng sind. Die Regeln in der EU und auf den britischen Inseln driften also immer mehr auseinander.

Gezielte Übernahme schwächerer Standards

Besonders besorgniserregend sei, dass Grossbritannien die internationalen Standards nur dann übernommen habe, wenn sie geringeren Schutz böten als die bisherigen britischen oder derzeitigen EU-Standards, kritisiert PAN UK.

«Es ist wirklich nicht zu fassen», sagte Nick Mole, Fachreferent bei PAN UK, gegenüber dem «Guardian». «Die neue Regierung muss diesen falschen Ansatz rückgängig machen». Die britische Gesundheits- und Sicherheitsbehörde HSA erklärte, dass ein britischer Grenzwert höher sein könne, wenn ein Pestizid in Grossbritannien in grösseren Mengen ausgebracht werde als in dem Szenario, das für den Codex-Standard berücksichtigt wurde, schreibt der «Guardian».

Die lasche Haltung des Staates schadet den britischen Produzenten

Die Lockerung der Grenzwerte schadet dazu den britischen Produzentinnen und Produzenten. Sie betrifft auch Pestizide, die in Grossbritannien und der EU verboten sind, in Ländern wie den USA, Kanada oder Australien aber weiterhin legal. Produzenten dort können damit kostengünstigere, in Grossbritannien verbotene Pestizide einsetzen. Britische Landwirte dürfen diese Pestizide nicht verwenden, müssen aber mit importierten Produkten konkurrieren, die hohe Pestizidrückstände aufweisen.

Mehr bienengefährdende Neonicotinoide

Besonders problematisch ist der Einsatz von Neonicotinoiden, die mit dem globalen Rückgang bestäubender Insekten in Verbindung gebracht werden. Während die EU plant, die Grenzwerte für «Neonics» bis 2026 weiter zu verschärfen, hat Grossbritannien laut dem «Guardian» zum Beispiel die erlaubten Rückstandsmengen für Thiamethoxam in Hafer um das 25-fache und für Clothianidin in Weizen um das 7,5-fache erhöht.

PAN und andere Umweltorganisationen fordern die britische Regierung auf, die Lockerungen rückgängig zu machen und die Gesundheit der Konsument:innen sowie den Schutz der Umwelt wieder in den Vordergrund zu stellen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Bienen_Befruchtet

Bienen werden Opfer von Pestiziden

Viele Nutzpflanzen brauchen Bienen zur Befruchtung. Doch Pestizide von Agrar-Konzernen machen sie krank.

Brexit_Flickr_Muffinn_

Der lange Weg des Brexit

Austrittsverhandlungen bis zum Austritt aus der EU erschüttern sowohl das Königreich als auch die EU.

Gift_Symbol

Gifte und Schadstoffe in der Umwelt

Sie machen wenig Schlagzeilen, weil keine «akute» Gefahr droht. Doch die schleichende Belastung rächt sich.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

  • am 9.10.2024 um 12:04 Uhr
    Permalink

    Könnte es sein, dass Grossbritannien, völlig übervölkert, nicht mehr genug Lebensmittel produzieren kann mit der «sanfteren, saubereren» Methode? Sicherheit bedingt könnte im übrigen Europa ach Lockerungen geben?

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...