Rinderhälften Schlachthof

Der Bund soll weiterhin Millionen zahlen, damit die Fleischindustrie mehr verkauft. © Depositphotos

Beisshemmung bei den heiligen Kühen

Esther Diener-Morscher /  Der Bund will seine Subventionen drastisch kürzen. Allerdings nicht bei der Absatzförderung von Fleisch, Milch und Käse.

Die Berner SP-Nationalrätin Tamara Funiciello machte an ihrer Medienkonferenz keinen Hehl daraus, was sie von den Sparplänen des Bundesrats hält: «Das hier ist der richtige Ort für dieses Papier», sagte sie, ging zum Papierkorb und warf den Bericht fort, den der Bundesrat gestern veröffentlicht hat.

Klima, Kinderbetreuung und Tourismus erhalten weniger Bundesgeld

Tamara Funiciello
Die SP-Nationalrätin Tamara Funiciello hat die vorgeschlagenen Sparmassnahmen in den Papierkorb befördert.

Im Bericht rechnet eine Expertengruppe in 65 Punkten vor, wo der Bund überall sparen kann. Sie schlägt unter anderem vor, die Subventionen für den Klimaschutz zu kürzen und die Beiträge für Kindertagesstätten ganz zu streichen. Auch die Tourismusförderung soll mit 20 Prozent weniger Bundesgeld auskommen.

Immer noch Geld für Fleischwerbung

Erstaunlich ist, dass dafür eine andere Finanzhilfe nahezu ungeschoren davonkommt: nämlich die Absatzförderung von landwirtschaftlichen Produkten. Der Bund zahlt derzeit rund 64 Millionen Franken pro Jahr, damit die Konsumenten mehr tierische Produkte kaufen – 60 Prozent für die Absatzförderung im Inland und 30 Prozent für die Exportförderung.

Die Expertengruppe empfiehlt lediglich eine kleine Kürzung um 15 Prozent. Das entspricht ungefähr 11 Millionen Franken. Eine Minderheit wollte das Fördergeld sogar nur um 10 Prozent zurückfahren.

Dabei führt die Expertenkommission klare Argumente auf, weshalb die Absatzförderung eigentlich unsinnig ist:

  • Sie helfe der Landwirtschaft zu wenig und subventioniere vor allem die verarbeitende Industrie und den Handel.
  • Die Förderung widerspreche zum Teil den Zielen in der Umweltpolitik.
  • Ein Grossteil der Produkte geniesse bereits einen Zollschutz und müsse deshalb nicht auch noch Absatzförderung erhalten.

Dazu kommt: Die Subventionen basieren auf Kann-Bestimmungen im Landwirtschaftsgesetz. Sie könnten somit ohne Gesetzesänderung ganz gestrichen werden.

Fleischwirtschaft schon wieder geschont

Niemand will sich mit den Fleischproduzenten anlegen. Schon unlängst kam eine Studie zwar zum Schluss, dass die Absatzförderung von Fleisch, Milch und Eiern für die Biodiversität tendenziell negativ sei. Doch der Bundesrat beschloss trotzdem, weiterhin Millionen in Aktionen und Werbung zu stecken, welche den Konsum tierischer Produkte fördern (Infosperber berichtete) .

Gut möglich, dass die Fleischindustrie das auch weiterhin mit Steuergeld in der bisherigen Höhe tun darf. Denn die Fleischlobby hat nun Gelegenheit zu intervenieren. Der Bundesrat würdigte den Bericht mit den Sparvorschlägen «als gute Grundlage für die weiteren Schritte». Er will an runden Tischen mit den Betroffenen zusammensitzen und erst dann entscheiden, welche Massnahmen er weiterverfolgen will.


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Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

Massentierhaltung? Bio? Gentechnisch? Zu teuer? Verarbeitende Industrie? Verbände? Lobbys?

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7 Meinungen

  • am 8.09.2024 um 16:45 Uhr
    Permalink

    Man kann ja durchaus Diskussionen pro/contra Fleischkonsum und Tierhaltung führen, völlig ok; aber dieser moralingetränkte Duktus und die Umerziehungsmethoden, mit denen man uns auf Linie bringen will, haben einfach nichts mehr mit einem pragmatischen und objektiven Diskurs zu tun – es ist reinste Propaganda und Gehirnwäsche.
    Das mögen viele nicht gern hören, aber es gibt auch in der Schweiz eine Essenskultur, in der Fleisch seinen Platz, in der eine grosse Vielfalt an Milchprodukten ihren Platz haben.
    Ist das jetzt alles Teufelszeug, nur weil sich verschiedenste Probleme aufwerfen, die aber nicht primär mit diesen Lebensmitteln, sondern mit der kapitalistischen Produktionsweise derselben zu tun haben? Nur weil der Freie Markt einmal mehr versagt, müssen wir jetzt beliebig unsere Kulturgüter zur Disposition stellen? Und wie genau ist es denn um die hochverarbeiteten Ersatzprodukte bestellt, wie gesund und nachhaltig sind die denn? Wo bleibt hier der kritische Blick auf das Geschehen?

    • Favorit Daumen X
      am 8.09.2024 um 17:27 Uhr
      Permalink

      Im Artikel geht es um die Subventionen zur Förderung des Fleischabsatzes. Aus Ihrem Kommentar geht nicht hervor, warum der Verkauf von Fleisch mit Steuergeldern gefördert werden soll.

  • am 9.09.2024 um 10:59 Uhr
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    Absatz – und Verkaufsförderungsbeiträge mittels Steuergelder, Angaben in Millionen : 21 für Käse, 3.2 für Wein, für Fleisch 4 , Obst 2.2 , Käseexport 3.5 überregionale Produkte 3.1 , Eier 1.2 und deren Marktstützung 1.7 , gemeinwirtschaftliche Leistungen 2.6 , Förderung Weinbau 1 ,Verwertung Schafwolle 0.9.-, Gemüse, Kartoffeln 0.57.- ,Getreide 0.83.- , Lebende Tiere 0.78.- Fleischexporte 0.7.- Rindergenetik 0.12.- Verkäsung Milch 263 , Milch und Anken 8, Auslagerung an Proviand 6.5, Fleisch 5.3. Das Einlagern von Kalbfleisch aufgrund Überproduktion kostet Steuerzahlende jährlich. 2.5 Millionen. Die 2 heiligen Kühe, Landwirtschaft und Armee bleiben unangetastet, deshalb rein politsche Entscheide.

  • am 9.09.2024 um 13:40 Uhr
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    Der durchschnittliche Arbeitsverdienst/h beträgt für die Schweizer Bauern Fr. 17.30 – im Berggebiet, das stärker von der Fleisch- und Milchproduktion abhängig ist, ist es etwas weniger. Da kann die eine oder andere Parlamentarierin Hemmungen kriegen beim Kürzen. Damit will ich aber die Problematik der Absatzförderung tierischer Produkte im Grundsatz gar nicht in Frage stellen – nur, es hängen halt Existenzen daran.

    • Favorit Daumen X
      am 9.09.2024 um 16:29 Uhr
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      Laut BFS liegt der ø Arbeitsverdienst der Bauern bei etwa 55’000 CHF pro Jahr. Doch der Arbeitsverdienst ist nicht gleichzusetzen mit dem Einkommen eines Bauern, da auch staatliche Subventionen, Betriebsüberschüsse und andere Faktoren meistens eine wichtigere Rolle spielen.

      • am 9.09.2024 um 20:54 Uhr
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        Der Arbeitsverdienst entspricht dem landwirtschaftlichen Einkommen nach Abzug der kalkulatorischen Kosten für das Eigenkapital des Betriebes. In den Fr. 17.-/h sind die Direktzahlungen mit drin. Bei den Milchbauern beträgt der Arbeitsverdienst im Mittel Fr. 14.-/h. Darum gibt auch ungefähr ein Betrieb pro Tag die Milchproduktion auf. Ohne ausserlandwirtschaftliches Einkommen könnten viele Bauernfamilien nicht überleben, dieses macht rund einen Drittel des Gesamteinkommens aus (und ist in den oben genannten Beträgen natürlich nicht enthalten, weil ich ja vom landwirtschaftlichen Arbeitsverdienst geschrieben habe.
        Quellen: Agroscope und BfS

      • Favorit Daumen X
        am 10.09.2024 um 08:23 Uhr
        Permalink

        Wie hoch sind denn die kalkulatorischen Kosten für das meist geerbte Eigenkapital?

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