«30% Fläche weg»: Für so dumm hält uns der Bauernverband
Der Bauernverband engagiert sich wie bei der Trinkwasserinitiative vor drei Jahren mit einer grossen Plakataktion. Bauern und Bäuerinnen lassen sich von ihrem Verband vor den Karren spannen: Landauf landab zieren plakative Aussagen das Bauernland. Praktisch dabei: Er muss keine teuren Plakatwände an bewilligten Standorten mieten, die Bauernhöfe besorgen den Aushang gratis in der freien Landschaft.
Die «Tschüss»-Kampagne des Bauernverbands suggeriert nicht nur den Verlust der Lebensmittelproduktion, sondern auch der Nutzung weiterer Güter, zum Beispiel des Waldes. Unredlich, was der Bauernverband in den Text der Biodiversitäts-Initiative hineinprojiziert: Diese nennt nämlich keine quantitativen Ziele und auch keine Verbote!
Die 30 Prozent pickte der Bauernverband aus der globalen Biodiversitätskonvention, der die Schweiz beigetreten ist. Diese fordert im Handlungsziel 2:
«Sicherstellen, dass sich bis 2030 mindestens 30 Prozent der Flächen degradierter Land-, Binnengewässer- sowie Meeres- und Küstenökosysteme in einem Prozess der wirksamen Wiederherstellung befinden, um die biologische Vielfalt, die Ökosystemfunktionen und -leistungen, die ökologische Unversehrtheit und die Vernetzung zu verbessern.»
Nutzen kann man diese Gebiete gemäss Konvention weiterhin, nämlich so, dass ihr ökologischer Wert erhalten bleibt. Das ist auch bei bestehenden Schutzgebieten in der Schweiz der Fall. Zum Beispiel dürfen geschützte Magerwiesen zwar nicht gedüngt, aber gemäht werden.
Beispielhaft sind auch Regionen, in denen Bauern auf ihrem Land – vom Naturschutz beraten und entgolten – für eine wertvolle Kulturlandschaft sorgen. Ackerfrüchte und Obst produzieren sie auch, aber im Verbund mit vielfältigen Wiesen, Hecken und Kleinstrukturen.
Der Bauernverband macht also aus Schützen und Nutzen einen Gegensatz, den es so nicht gibt. Mehr noch: Nimmt man seine Behauptung vom 30-prozentigen Landverlust zum Nennwert, heisst das: Die Bauern schaffen es nicht, Lebensmittel so zu produzieren, dass die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen erhalten bleiben. Damit erweist er den Bauernbetrieben, die naturgemäss wirtschaften, einen Bärendienst. Würde die Initiative bei einem Ja sinngemäss in Gesetze und Verordnungen gegossen, würden wohl mehr Ökoleistungen von den Höfen gefordert, diese aber auch besser entgolten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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leider ist es soweit gekommen dass man ungestraft öffentlich lügen darf… früher gabs mal so etwas wie „ lauterkeit in der werbung“ wenn ich mich recht erinnere.
wenn nur wenige prozent der leser den schwachsinn glauben und entsprechend suizidal abstimmen, hat das werbebüro bereits den auftrag erfüllt und darf guten gewissens kassieren. die artenvielfalt der veräppelung und schlitzohrigkeit gedeiht jedenfalls bestens…
Herzig auch das Argument mit der Lebensmittel-Versorgungssicherheit.
Bekanntlich war diese nicht mal zu Zeiten des Plans Wahlen auch nur annähernd erreicht – und heute noch weniger, solange ein wesentlicher Teil der Anbaufläche mit Tierfutter bestellt wird. Aber stimmt, sonst müssten wir ja nur mehr Soja importieren.
Und dann spielen wir halt wieder weitere ökologische Anliegen gegeneinander aus – wohlwissend, dass es nie nur das eine oder das andere gibt, und auch kein zwingender Konflikt zwischen Schutz der Biodiversität und erneuerbaren Energien erkennbar ist.
Ein Beispiel für ein Produkt von der Biodiversitätsförderfläche ist der Apfel oder die Kirsche vom Hochstammbaum. Sie finden heute in der CH keinen Konsumenten mehr welcher diese Äpfel oder diese Kirschen kauft. Der Bauer welcher bereit ist, für weniger als Fr. 1.- / Std. zu arbeiten, erntet diese Früchte und lässt Süssmost pressen oder Schnaps daraus brennen. Daher verfault der größte Teil dieser Früchte ungeerntet unter dem Baum.
Dasselbe mit dem Gras der Ökowiese, der Bauer muss es schneiden, sonst bekommt er den Biodiversitätsbeitrag nicht. Der Futterwert dieses Grases ist aber praktisch null.
Drumm ist es keine Falschinfo, wenn der SBV sagt, dass die Ökoflächen für die Produktion verloren sind. Und die CH Bauern dafür verantwortlich zu machen, dass der CH Konsument nur qualitativ beste Ware kaufen will, ist nicht fair.
Will man eine Produktion so gestalten, dass sie so naturnah ist, dass gleichzeitig die Anforderungen an Biodiversität erfüllt werden z.B Permakultur, wird teuer.
Danke für die Ergänzung. Ich verstehe, dass kein Konsument das gern hört und die Erklärung kommunikativ kaum rüberzubringen ist. Trotzdem wäre dann doch eine mögliche Botschaft „Was wir auf Ökoflächen bewirtschaften müssen, wollt ihr uns nicht abkaufen und ist ein geldwerter Verlust. Wir würden es gerne tun, können diesen aber mit dem Preis, den ihr uns für die anderen Produkte zahlt, nicht kompensieren.“
Stopp. ICH würde von Hochstammbäumen Früchte kaufen (und sicher viele andere Konsumenten auch, wenn sie bloss davon WÜSSTEN). Ich suche seit Jahren Bio-Zwetschen und Alte Boskoop-Äpfel in GR, aber selbst eine Bio-Dachorganisation (Chur) hatte keine zielführenden Infos.
Wieso hängen das die Bauern nicht an die grosse Glocke, wenn sie solche Trouvaillen besitzen? Sollte in Zeiten von Internet umso leichter bekanntmachbar sein. Zudem wäre das doch auch eine «Sensation» für Medien gemäss altem Slogan: «Morgen stehts im Blick». Denn die Früchte in Grossverteilern finde ich meist, äh, schwer essbar (zu «süss» und «fad/unaromatisch» gezüchtet).
Zudem wurden die ‹Maschinen› während der Anbauschlacht mit einheimischem Hafer betrieben und nicht wie heute mit zu 100% importiertem fossilem Treibstoff. So tendiert der Anteil der inländischen Nahrungsmittelpdrduktion gegen 0%.
Beschämend wie der Bauernverband die Stimmbevölkerung immer wieder mit Halbwahrheiten in die Irre führt. Die 30% beziehen sich darauf, dass die Schweiz mehr Vernetzungsperimeter benennt. Diese Perimeter sollten mindestens 100 Ha gross sein. In den Perimetern sollte 12% der Fläche als Biodiversitätsförderfläche so vernetz sein, dass sie sinnvoll für die Natur ist. Es würde also höchstens 12% der 30% als Biodiversitätsförderflache genutzt. Mit Prozenten geht der Bauernverband sowieso äusserst unlauter um. Er behauptet regelmässig wie die Bauern ja schon soviel freiwillig für die Natur tun. 19.3% der landwirtschaftlichen Nutzfläche seien bereits Biodiversitätsförderflächen. Gesetzlich müssten die Bauern nur 7% Fläche für die Natur ausscheiden um Direktzahlungen zu erhalten . Kein Wort darüber, dass die 19% nur dank den Biobauern zustande kommen. Eine leider noch nicht veröffentlichte Studie des FiBL zeigt dies eindeutig. Die Plakataufhänger des Bauernverbandes erfüllen bestimmt nur die 7%