Unlautere Argumente gegen die Biodiversitäts-Initiative
Parlament und Bundesrat sagen Nein zur Biodiversitätsinitiative der Umweltverbände, die am 22. September zur Abstimmung kommt. Sie würde mit zu strikten Vorgaben die Siedlungsentwicklung hemmen, die wirtschaftliche Entwicklung bremsen, die Landwirtschaft einschränken und die Energieversorgung schwächen. Zudem sei man dank gezielter Massnahmen schon auf gutem Weg.
Das Uvek (Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement) schreibt auf seiner Webseite beschönigend, dass bisher zwar nicht alle Biodiversitätsziele erreicht seien. Aber die ergriffenen Massnahmen hätten Erfolge gezeitigt, zum Beispiel seien Bartgeier und Luchs zurück und in Schutzgebieten fänden sich wieder mehr Libellen und Amphibien.
Für ein stärkeres Engagement wären die Kosten laut Uvek zu hoch.
Spekulativ und irreführend
Diese einseitige Argumentation des Uvek erstaunt nicht, wenn man das übliche politische Vokabular gegen Volksinitiativen kennt. Erstaunlich ist näher betrachtet aber doch, wie spekulativ und irreführend die Argumentation ist.
Erstens sind die Folgen der Initiative schwer abschätzbar. Denn der Initiativtext ist sehr offen formuliert; es lassen sich daraus weder zwingende Massnahmen noch Kosten ableiten. Die Umsetzung wäre abhängig von den daraus resultierenden Gesetzesanpassungen und Interessensabgleichen. Erfahrungsgemäss würden diese nicht radikal ausfallen. Auch die Zusatzkosten würden in der Hand von Bund- und Kantonsparlamenten liegen.
Zweitens, und das ist die hauptsächliche Irreführung, ist die Sicherung der Biodiversität – anders als vom Uvek behauptet – keineswegs auf gutem Weg.
Pflanzen und Tiere schwinden
Denn die Vielfalt an Lebensräumen, Tieren und Pflanzen in der Schweiz ist trotz der Anstrengungen weiterhin am Sinken. Das sagen nicht nur die Verbände, welche die Initiative lanciert haben, sondern das belegt auch das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Dieses – in Bundesrat Röstis Uvek angesiedelte Amt – beschreibt in seinen aktuellen wissenschaftlichen Analysen den erschreckenden Zustand von Pflanzen, Tieren und Lebensräumen in der Schweiz. Würden das Bundesparlament und der Bundesrat diese Analysen des Bafu ernst nehmen, müssten sie ihre Argumente gegen die Biodiversitätsinitiative schreddern.
Der Befund der für Biodiversität zuständigen Behörde Bafu
Im Folgenden zitiert Infosperber ausschliesslich Aussagen dieses Bundesamts (und nicht der Initianten). Das Vorwort zum Bafu-Bericht «Biodiversität in der Schweiz» von 2023 hält fest:
«Eine reichhaltige biologische Vielfalt ist kein Luxus, den man sich leisten mag oder nicht. Sie ist die Grundlage unserer Ernährung, hilft, das Klima zu regulieren, reinigt Luft und Wasser, dient unserer Gesundheit und ermöglicht eine prosperierende Wirtschaft. Kurz: Sie bildet eine wichtige Grundlage unserer Wohlfahrt. Und diese Basis ist am Bröckeln. Denn die Qualität, Quantität und Vernetzung vieler Lebensräume reichen nicht mehr aus, um die Biodiversität unseres Landes langfristig zu erhalten.»
Ohne die bisher ergriffenen Massnahmen wäre die Lage noch schlechter, bilanziert das Bafu. Aber der Abwärtstrend habe nicht etwa gekehrt werden können. Es brauche dazu
«einen umfassenden Ansatz, der alle Bereiche der Gesellschaft einbezieht – beispielsweise die nachhaltige Produktion von Gütern und Dienstleistungen, insbesondere von Nahrungsmitteln. Erfreulich ist, dass die Förderung der Biodiversität einen Mehrfachnutzen hat: Sie trägt massgeblich zum Klimaschutz bei, stärkt die Gesundheit und bildet die Grundlage für wirtschaftliche Aktivitäten.»
Arten verschwinden mit ihren Lebensräumen
Zu den vom Uvek herausgepflückten Bartgeiern, Luchsen, Libellen und Amphibien schreibt das Bafu im Bericht «Gefährdete Arten und Lebensräume in der Schweiz» von 2023:
«Offenbar haben bestimmte Arten davon profitiert, dass in den letzten Jahren viele für sie geeignete Lebensräume revitalisiert, aufgewertet oder neu angelegt worden sind. Allerdings sind vor allem bei den Amphibien immer noch überdurchschnittlich viele Arten gefährdet. Diese Arten erleiden vielerorts weiterhin Bestandsverluste oder haben ein stark eingeschränktes Verbreitungsareal.»
Die aktualisierten roten Listen des Bafu zeigen weitere alarmierende Befunde:
Die Zahl der Pflanzenarten ist rückläufig, der Aderlass bei Fischen, Reptilien und Wildbienen gross. Stark leiden auch die Vogelbestände von Feuchtgebieten und im Kulturland. Grund ist der Schwund oder Qualitätsverlust ihrer Lebensräume. Von den 167 bewerteten Lebensraumtypen sind gemäss Bafu die Hälfte bedroht. Insbesondere betrifft dies die Gewässer, Ufer und Moore sowie die Trockenwiesen tieferer Lagen und die Begleitfluren der Äcker und Weinberge.
Pflege und Schutz müssen eine höhere Priorität erhalten
Es macht die Lage nicht besser, wenn das Uvek geltend macht, dass inzwischen ein Viertel der Landesfläche in Inventaren für Natur und Landschaft aufgenommen sei. Denn Inventarisieren genügt nicht. Es braucht auch eine ausreichende Pflege der Biotope und einen verlässlichen Schutz, der beim Aus- oder Abgleich der zahlreichen divergierender Interessen Priorität hat. Der starke Schwund der Lebensräume trotz Inventaren zeigt, dass die Natur bisher meist den Kürzeren zog.
Ein Ja zur Biodiversitätsinitiative würde die Chancen auf einen für die Natur besseren Interessenabgleich zumindest etwas erhöhen. Dies wäre insbesondere bei den Gewässern nötig, wenn man bedenkt, wie gross der Hunger auf noch mehr Wasserkraft ist.
Dazu ein letztes Zitat des Bafu:
«Von den Lebensräumen der Feuchtgebiete sind 85 Prozent gefährdet. Bei den Gewässern stehen 76 Prozent der Lebensraumtypen auf der Roten Liste, darunter sämtliche Stillgewässer. Beide Grosslebensräume wurden besonders stark durch Eingriffe des Menschen in den Naturhaushalt verändert. Das dichte, fein verästelte Netz aus Bächen und Flüssen wurde systematisch ausgedünnt und kanalisiert. Mit der gross angelegten Entwässerung der Landschaft mittels Gräben und Drainagen gingen Feuchtgebiete und Kleingewässer verloren. Die Energieproduktion hat aus Flüssen eine Abfolge von Stauseen gemacht und im Gebirge trockene Bachbetten hinterlassen.»
Nützliches statt schädliches Geld
Die Trendwende zu Gunsten der Vielfalt von Lebensräumen, Pflanzen und Tieren lässt noch auf sich warten. Deshalb möchten die Verbände mit ihrer «Durchsetzungsinitiative» die Pflicht zum Schutz der Biodiversität neu verankern. Diesen Schutz fordert eigentlich schon die Bundesverfassung.
Was die vermuteten Mehrkosten betrifft: Die Umweltorganisationen verlangen schon lange ohne Erfolg den Abbau biodiversitätsschädigender Subventionen. Damit liessen sich locker ansehnliche Summen für den Biodiversitätsschutz umdisponieren. Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL hat 160 solcher schädlichen Subventionen aufgelistet. Sie ergeben zusammen 40 Milliarden Franken pro Jahr.
Doch der Bundesrat hat bisher nur einen winzigen Teil dieser biodiversitätsschädigenden Zuwendungen überprüfen lassen, mit noch offenem Ausgang.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Für mich gilt : Die Bundesämter sind rechtsbürgerlichen Mehrheiten verpflichtet und unterordnen sich diesen.Deshalb darf nichts anderes rauskommen.Unabhängigkeit geht ander’s.
Diese Insekten (und Flora) finde ich Kunstwerke.
Ich würde die Kunstmuseen schliessen (und deren Geld zugunsten Landschenkung für Tierlis).
Ich sprach einen Bauern an, der das gemähte Gras einer Biowiese wendete. Ich fragte ihn, warum er keine Restgrasstreife (IP-Suissvorschrift) habe stehen lassen, so dass die Heuschrecken, die überlebt haben einen Zufluchtsort hätten, wo sie sich vor den Krähen verstecken können. Ja das stimmt sagte der Bauer. Das Feld sei beinahe voll von Krähen gewesen als er das Feld mähte. Die «die hei ufgruumt, meinte er nicht ohne Anerkennung zur Leistung der Krähen.
Er meinte , dass ich völlig recht hätte und dass auch er sich gefreut habe, weil beim Mähen viele Insekten aufgeflogen seien. Aber es sei eben so: » Mein Sohn hat auf Bio umgestellt, und da gibt es keine Vorschrift über Restgrassstreiten oder gestaffeltes Mähen.» Ich musste dreimal schlucken. Einer von vielen Bauern, die nicht wegen der Liebe zur Natur, sondern allein wegen den höheren Einnahmen auf bio umsteigen.Das Gespräch blieb nett, er werde noch mit dem Sohn darüber sprechen, sage er immerhin.
Ist ein solches Beispiel nur die Spitze des Eisberges oder gibt es davon reihenweise?