Pensionskassen-Abstimmung: Deshalb sind die Umfragen unnütz
«59 Prozent sagen Nein zur Reform der Pensionskassen.» So titelten Zeitungen aus dem Tamedia-Verlag am Mittwoch. Es sah aus, als wäre für die Gegner der Reform der Mist bereits geführt.
Zwei Tage später meldete die Tagesschau des Fernsehens SRF: «Wäre Anfang August abgestimmt worden, hätten 49 Prozent der Befragten, die stimmen wollen, bestimmt oder eher ja gesagt.» Nun sah es plötzlich so aus, als könnten sich die Befürworter zurücklehnen.
Tamedia: Nein!!! SRF: Ja!
Die Ergebnisse der beiden Umfragen widersprechen einander komplett (siehe Grafik unten). Die Tamedia-Zeitungen sagen ein klares Nein voraus; SRF ein recht deutliches Ja.
Die Beteiligten tun sich schwer mit einer Erklärung für den Widerspruch. In der SRF-Tagesschau erklärte Bundeshaus-Korrespondentin Nathalie Christen, die Umfragen hätten zu unterschiedlichen Zeiten stattgefunden.
Wegen des AHV-Rechenfehlers?
Die SRF-Umfrage habe begonnen, bevor der Rechenfehler bei der AHV bekannt geworden sei. Sie sei aber dann noch ein bisschen verlängert worden. Die Tamedia-Umfrage sei hingegen in den zwei Tagen nach Bekanntwerden des Rechenfehlers durchgeführt worden.
Ob das wirklich als Erklärung für die unterschiedlichen Umfrageerbnisse taugt, ist fraglich. Denn der Rechenfehler betrifft die AHV – also die 1. Säule. In der Abstimmung vom 22. September geht es um die Pensionskassen – also um die 2. Säule.
Wegen unterschiedlicher Methoden?
Auch die Tamedia-Zeitungen erklären den krassen Widerspruch zwischen den beiden Prognosen mit dem Rechenfehler bei der AHV. Inlandredaktor Iwan Städler argumentiert aber auch damit, dass die beiden Umfrageinstitute unterschiedliche Methoden anwenden.
Doch so stark unterscheiden sie sich nicht. Leewas (für die Tamedia-Zeitungen) hat knapp 12’000 Personen ausschliesslich online befragt. GFS (für SRF) hat 11’000 Personen ebenfalls online befragt und zusätzlich deren 1200 telefonisch.
Die unterschiedlichen Methoden taugen also auch nicht als Erklärung für die Differenzen. Umso mehr, als die Verantwortlichen der Umfrageinstitute nicht müde werden, zu erklären, mit welch ausgeklügelten Methoden sie allfällige Verzerrungen aus den Online-Antworten herausrechnen.
Leewas-Co-Gründer Fabio Wasserfallen schafft es sogar, den widersprüchlichen Ergebnissen etwas Positives abzugewinnen. Er sagt gegenüber den Tamedia-Zeitungen: «Es ist gut, dass es in der Schweiz zwei unabhängige Umfragen gibt.» Dadurch lasse sich die politische Diskussion breiter abstützen. Inwiefern fragwürdige Prognosen die politische Diskussion breit abstützen sollten – das schreiben die Tamedia-Zeitung allerdings nicht.
Wozu überhaupt?
Dabei gäbe es gute Gründe, über den Nutzen der Umfragen vor den Abstimmungen zu diskutieren. Gerade weil sie mitunter tüchtig daneben liegen.
Unvergessen ist die Minarett-Initiative. Noch zehn Tage vor der Abstimmung veröffentlichten die SRG und das Umfrageinstitut GFS ein Umfrageergebnis, das auf ein Debakel für das Egerkinger Komitee hindeutete (37 Prozent Ja). Schliesslich triumphierte das Egerkinger Komitee (58 Prozent Ja).
Oder die Masseneinwanderungsinitiative der SVP: Das Umfrageinstitut GFS sagte bloss 37 Prozent Ja-Stimmen voraus. Schliesslich waren es 50,3 Prozent.
Und dann die Familieninitiative der SVP: Laut GFS-Umfrage hätte die SVP mit einem Ja-Anteil von 64 Prozent regelrecht triumphieren sollen. Schliesslich unterlag sie mit bloss 41,5 Prozent Ja-Stimmen.
Bleibt die Frage: Wem dienen die unsicheren Umfragen und Prognosen überhaupt? Die Antwort: eigentlich niemandem.
Ausser vielleicht dem einen oder anderen Abstimmungskomitee, das angesichts einer schlechten Prognose noch einmal alles in den Abstimmungskampf wirft. Aber ob es dafür das Geld von Gebührenzahlern und Zeitungsabonnenten braucht?
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Exakt! Solche Abstimmungs-Orakel gehören schlicht verboten. Seit wann gibt’s die eigentlich? Dass bei solchen Umfragen (öfters als nicht) gelogen wird, dürfte klar sein. Der Informationswert tendiert gegen Null.
Solche Prognosen sind in der Tat nur Lückenfüller der Spalten.
Tatsache ist, dass sich nur die SP und die Grünen dagegen auflehnen.
Es ist jedem einzelnen überlassen ob er bereits ist, im Rentenalter weniger Rente zu bekommen.
In der Tat: Diese Rentenreform hilft nur den Pensionskassen und den Reichen.
Für die Bürger mit einer kleinen Rente sieht es unter dem Strich schlecht aus.
Aus meiner Sicht muss man bei dieser Mogelpackung ein bestimmtes NEIN in die Urne legen.
Nun.
Umfragen scheinen mir vor allem für die Meinungsmache verwendet zu werden. Das würde auch erklären, weshalb es nicht stört, wenn verschiedene «repräsentative» Umfragen derart unterschiedliche Resultate hervorbringen, schliesslich unterstützen diese dann oft die «Blase».
Nicht einer Meinung bin ich mit dem Autor bezüglich des Effekts des «AHV-Rechenfehlers». Wenn ich mir überlege, wie viele Menschen ich treffe, die den Unterschied zwischen AHV und PK NICHT kennen… Mal ganz abgesehen von möglichen psychologischen Neben-Effekten solcher «Rechenfehler». Das wäre aber ja relativ einfach herauszufinden, so denn der Wille da ist: SRF könnte einfach die Umfrage wiederholen.