US-Wahl: Erst Biden – und vielleicht gibt auch Trump bald auf
«Donald Trump hat in Bezug auf seine jüngste Wortwahl den Verstand verloren. Wahrscheinlich wird es noch schlimmer werden und die Wahrscheinlichkeit, dass er den Präsidentschaftswahlkampf aufgibt, liegt bei 40 Prozent.» Das sagt Anthony Scaramucci, den Trump im Jahr 2017 schon zum Kommunikationsdirektor des Weissen Hauses ernannt hatte, bevor dieser sich davon nach wenigen Tagen distanzierte.
Nichts fürchtet Donald Trump mehr, als dass andere mehr Aufmerksamkeit erhalten
Trump habe panische Angst, Konkurrentin Kamala Harris und ihr Partner Tim Walz zögen bei ihren Optimismus ausstrahlenden Wahlveranstaltungen deutlich mehr Leute an als er, sagt der Hedgefonds-Manager, Buchautor und Podcast-Betreiber. Der ehemalige Präsident habe nach dem Ausscheiden Joe Bidens aus dem Rennen um die Präsidentschaft nicht den «richtigen Wortsalat» gefunden, um sie kommunikativ zu kontern. Folglich sei er fies, gemein und bezeichne Harris sogar als dumm, obwohl die Frau fachlich ziemlich kompetent sei.
Der Narzisst Trump verbreitet also in den Augen von Beobachtern nicht nur einen negativen Vibe, sondern ein Twitter-Interview mit dem ihm eigentlich gut gesonnenen Milliardär Elon Musk sei so gar zu einem Desaster geworden. «Trump schwafelte und lallte», heisst es seitdem und er sei wohl zu alt für den Job, meinen seitdem immer mehr Medien. Trump zeigt nun genau jene kognitiven Schwächen, die er jüngst noch dem amtierenden Präsidenten vorgeworfen hatte.
Solche sind nicht neu. Denn schon in der Vergangenheit hatte er derartige Symptome gezeigt. Tatsächlich leierte er auf Veranstaltungen immer wieder dieselbe, vor Selbstlob strotzende Platte herunter. Bei einer Präsentation vor dem Economic Club of New York hatte diese so gewaltige argumentative Sprünge, dass sich die Granden der Stadt auf dem Podium hinter ihm das Grinsen nur mühsam verkneifen konnten.
Trump schwallt und lallt, wie er es Joe Biden vorgeworfen hatte
Im Rahmen des Musk-Interviews schwallte er, redete über die Grösse der Menschenmengen bei Wahlveranstaltungen, die Einwanderung, Präsident Joe Biden und was ihm sonst noch so durch den Kopf ging. Ausserdem lallte er undeutlich, warf Fragen über seinen Gesundheitszustand auf und tat nichts, um die aufkommenden Bedenken über sein Alter und sein Wohlbefinden zu zerstreuen.
Was für ein Sommer – und welchen Unterschied vier Wochen machen können. Noch Anfang Juli war die Medienlandschaft naiv davon ausgegangen, dass Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl im November gegen Joe Biden und damit gegen den amtierenden Regierungschef antreten werde. Dann zog sich Biden plötzlich zurück, und kurz darauf feierte die Presse den davor schon höchst umstrittenen 78-Jährigen Trump als «politisches Genie», nachdem er bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Provinz instinktiv mit telegener Heldenpose auf ein haarscharf fehlgeschlagenes Attentat reagiert hatte.
Das sind allerdings Tempi passati. Längst hat der politische Wind gedreht. Den Demokraten ist es gelungen, mit der Vizepräsidentin Kamala Harris und Tim Walz als Kandidatenteam eine positive Stimmung zu erzeugen, die sich deutlich vom chaotisch bis destruktiven Vibe der konkurrierenden Republikaner abhebt. In den Wettbüros hat Harris nicht nur deutlich Boden gut gemacht, sondern die Zocker setzen heute sogar mehrheitlich darauf, dass sie die erste Präsidentin der USA werden wird. Der Glaube an Donald Trump dagegen ist in den vergangenen Wochen deutlich geschwunden.
Auch in repräsentativen Umfragen liegt Harris inzwischen vor Trump, wenn auch nicht ganz so stark wie in den Casinos. Dabei hätten die Republikaner inhaltlich grundsätzlich gute Karten, um ihre Wahl zu verhindern. Schliesslich hat Harris gerade erst Ideen vorgelegt, wie die Wirtschafts- und Finanzpolitik der USA im Falle ihrer Präsidentschaft aussehen könnte – und die haben es in sich. Sie möchte nicht nur Joe Bidens «Build Back Better-Agenda» fortsetzen, sondern es ist von Subventionen für potenzielle Hauskäufer, der Förderung kinderreicher Familien und von Preiskontrollen die Rede.
Demokraten setzen auf Rezepte aus der volkswirtschaftlichen Mottenkiste
Das sind Rezepte aus der volkswirtschaftlichen Mottenkiste, die sich schon vor gut 50 Jahren als untauglich erwiesen hatten. Damals hatte Richard Nixon einen ähnlichen Ansatz gewählt und war nicht nur jämmerlich auf die Nase gefallen, sondern als er die Preiskontrollen schliesslich aufgab, nachdem die Lieferketten völlig durcheinandergeraten waren, ging die Inflation richtig durch die Decke. Notenbanker Paul Volcker konnte den enormen Preisauftrieb erst später mit radikalen Zinserhöhungen unter Kontrolle bringen.
Die hochinflationäre Wirtschafts- und Finanzpolitik der Demokraten böte den Republikanern ein erstklassiges Einfallstor, um gegen Harris und Walz Stimmung zu machen. Allerdings haben sie den Wahlkampf in den Augen von Beobachtern komplett verpatzt, weil sie mit Trump einen Kandidaten aufs Podium gehoben haben, der zu alt und zu verwirrt ist und mit J.D. Vance eine «Windfahne». Die Partei müsse reformiert werden, sonst werde sie sich nicht von dem abstrusen opportunistischen Extremismus der Trumpisten distanzieren und zu ihren ursprünglichen Werten wie Ehre, Kapitalismus, freie Märkte und vernünftigem Umgang mit den öffentlichen Finanzen zurückkehren können.
Schon heute zeichnet sich ab, welche Konsequenzen Preisdeckel in den USA für die Schweiz und speziell für Basel haben können: Die amtierende US-Regierung hat gerade bekannt gegeben, dass der Pharmakonzern Novartis sein Herz-Medikament Entresto ab dem Jahr 2026 um 40 bis 80 Prozent günstiger als bisher an das Gesundheitswesen des Landes abgeben muss. Es handelt sich um ein häufig verschriebenes Präparat, das dem staatlichen Krankenversicherer Medicare besonders hohe Kosten verursacht. Auch die zwei bekannten Blutverdünner Eliquis und Xarelto stehen auf der Liste.
Werden Pharmariesen und Medizintechniker aus dem amerikanischen Paradies vertrieben?
Solche Massnahmen können einschneidend sein, denn sowohl Novartis als auch Roche erzielen bisher einen grossen Teil ihrer Umsätze in den USA. Der amerikanische Markt war für die Anbieter von pharmazeutischen und medizintechnischen Produkten bisher ein Paradies, weil sie dort hohe Preise verlangen und exorbitante Margen erzielen konnten. Ein künstliches Kniegelenk kostet im Land der unbegrenzten Möglichkeiten etwa das Vierfache dessen, was in Spanien dafür berechnet wird. Viele Medikamente sind in den USA mehr als doppelt so teuer wie in der Schweiz. Die enormen Preisunterschiede führen dazu, dass die USA einen überproportional hohen Anteil an den Gewinnen der Pharmaunternehmen ausmachen, welche nicht selten gezielt in Staaten mit niedrigen Steuersätzen abgerechnet werden.
Angesichts ausufernder Budgetdefizite und exorbitant steigender Kosten im Gesundheitswesen ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die relevanten Unternehmen aus dem Paradies vertrieben werden. Bis dahin aber wehren sie sich dagegen mit ungewöhnlich hohen Aufwendungen für das Lobbying.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Um die hohen Gewinne von Novartis muss man sich ja wirklich Sorgen machen, falls Harris die Wahl gewinnt, uiuiui…!
In der Tat: „Trump zeigt nun genau jene kognitiven Schwächen, die er jüngst noch dem amtierenden Präsidenten vorgeworfen hat.“ Aber bei der weiteren Lektüre dieses Artikels reibt man sich verwundert die Augen: Hat sich der Autor von der rückwärts gewandten Doktrin der Trumpisten etwa verwirren lassen? Ihm erscheint offenbar noch mehr die Wirtschaftspolitik der Demokraten „obskur“; Demokratische Bemühungen z.B. um die Senkung der in den USA völlig überhöhten Medikamentenpreise oder die Unterstützung kinderreicher Familien seien „Rezepte aus der Mottenkiste“. Statt dass die „Pharmariesen und Medizintechniker aus dem amerikanischen Paradies vertrieben“ werden, bestehe die anscheinend allein den Republikanern zugetraute Chance und Herausforderung darin, dass diese „zu ihren ursprünglichen Werten wie Ehre, Kapitalismus, freie Märkte und vernünftigem Umgang mit den öffentlichen Finanzen zurückkehren können“. Seit wann steht Infosperber für derart wirklich „obskure“ libertäre Ideen?
Da in diesem Wahlkampf ist alles Show und PR. Von Inhalten und Programmen und sowieso von deren Realisierungsmöglichkeiten ist kaum die Rede, und wenn die Kandidatin oder der Kandidat dann doch ausnahmsweise ein bisschen konkreter wird, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die vage Absichtserklärung während der Regierungszeit nicht realisiert wird. Gewinnen wird ohnehin, wer die grösseren Wahlkampfmittel generieren kann und damit besseren PR-Beratungsfirmen bezahlen kann. Sehr gute Wahlkampfspender sind einige undurchsichtige Stiftungen und die Rüstungsfirmen. Menschen, die sich keine amtlichen Dokumente wie z.B. Führerausweise leisten können, dürfen sich auch nicht als Wählerinnen oder Wähler registrieren. Die Bewohnerinnen und Bewohner der US-Kolonien wie z.B. Puerto Rico sind ebenfalls nicht stimmberechtigt, sie müssen nur Steuern zahlen. Kurz: Bei den USA handelt es sich nicht um eine Demo-, sondern um eine Plutokratie, um die Herrschaft der Reichen.
Interessante Frage im Artikel: «Werden Pharmariesen und Medizintechniker aus dem amerikanischen Paradies vertrieben?» Man sagt der New Yorker Immobilienhändler hätte ein Gespür für gute Geschäfte. Watson meldete am 31.01.2017, 14:36: «US-Präsident Trump trifft Novartis-Chef Jimenez» Das Resultat: der Trump-Anwalt für besondere Aufgaben bekam Geld aus Basel. SRF Charlotte Jacquemart 16.05.2018, 09:44: «Der umstrittene Trump-Anwalt Michael Cohen hat nach Recherchen von Radio SRF mit seinem Essential-Consultants-Mandat viermal mehr verdient, als herkömmliche Lobbyisten der Novartis.» Könnte möglicherweise heissen, lukrative Geschäfte könnten der Grund sein, warum es zu einer Vertreibung aus dem Paradies kommen könnte, weil der Stern der Hoffnung im Sinkflug ist?
Gunther Kropp, Basel
Diesen Artikel finde ich irreführend. Theater, damit wir nur zuschauend Nichtstun, statt endlich eigeninitiativ zu werden als einzige Hoffnung. Angebliches Desaster (inkl. Bücher) über Trump wird seit x-Jahren verbreitet, aber Trump ist unstoppable. Leider. Das heisst, ich sehe die «Präsidenten» als Nachrichtensprecher (die sich abwechseln zur Illusion beim Publikum), das sind keine Sololäufer. Wenn die Europäer bloss die «Story behind» begreifen würden. Statt sich von PR und sogenannten «Journalisten» ablenken zu lassen. Übrigens, REPS und DEMS verfolgen dieselben Ziele auf uns (Welt) bezogen. Für uns betrachte ich es also unabhängig vom Wahlausgang als fatal (im englischen Wortsinn).
Ein merkwürdige Idee, die Befindlichkeit von Trump mit den Profiten der Pharmaindustrie zu vermischen. Selbst wenn Trump für diese von Vorteil wäre, wäre der Preis in fast jeder anderer Hinsicht extrem hoch, ja katastrophal.
Erinnerungen kommen auf, wie im U.S.-Präsidentenwahlkampf 2016 Hillary Clinton als klare Wahlsiegerin gehandelt wurde. Dennoch gewann Donald Trump. Die Demokraten akzeptierten damals den Wahlsieg nicht, erfanden stattdessen Einmischungen im Wahlkampf durch Russland. Kamala Harris hat noch kein Interview gegeben im Wahlkampf. Ganz im Gegensatz zum angeblich, wie Präsident Joe Biden, senilen Donald Trump. Es bleibt spannend.
Im Bereich der Medizin sollte man nicht von Markt sprechen. Der existiert dort nicht.