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Iskandar Safa, Besitzer von Privinvest © cc

Überraschung im Mosambik-CS-Skandal: Privinvest muss zahlen

Thomas Kesselring /  Der Schiffsbaukonzern Privinvest muss zwei Milliarden Dollar Schulden von Mosambik übernehmen. Das entschied Londons High Court.

Red. Thomas Kesselring berichtet auf Infosperber seit 2016 über den Kreditskandal in Mosambik, in den die Credit Suisse verwickelt war. Kesselring unterrichtete jahrelang an einer Universität in Mosambik. 


Der Mosambik-Skandal, in den sich die Credit Suisse 2013 verwickelte, gilt als der schwerwiegendste Wirtschaftsskandal der letzten Jahrzehnte in Schwarzafrika. Jetzt gibt es Neuigkeiten, und zwar gleichzeitig an drei Fronten.

1. Für einmal haben sich die Bestechungsgelder nicht gelohnt

Erste Neuigkeit: Am 29. Juli machte der Londoner High Court ein sensationelles Urteil publik: Die libanesische Schiffbaufirma Privinvest, die das Schlamassel um Mosambiks geheime Kredite angezettelt hat, muss sämtliche Schulden, die dem afrikanischen Land dadurch entstanden sind, übernehmen.

Die Schiffbaufirma hatte für dieses Projekt zwei CS-Banker und ein gutes Dutzend hoher mosambikanischer Politiker und Beamter mit insgesamt etwa 200 Millionen Dollar geschmiert. Die Geschäfte wurden v.a. in den Jahren 2012-2014 vereinbart und auf illegale Weise finanziert. 2016 flog das Ganze auf, Mosambik verlor das Vertrauen der Investoren und sämtliche Budgethilfen durch den IWF und die Geberländer. Die ökonomische Krise, die damit begann, hat das Land noch heute im Griff. 

Die Credit Suisse und die russische Bank VTB zahlten 2013 und 2014 je zur Hälfte drei grosse Kredite (Proindicus-, Ematum- und MAM-Kredit von 622, 850 und 535 Millionen Dollar) an die Firma Privinvest für ein Küstenschutzprojekt und eine Thunfischflotte aus und stellten Mosambik diese Kredite in Rechnung. Wegen Mosambiks Zahlungsunfähigkeit wurden diese Kredite seither ein- oder mehrfach umgeschuldet.

Das Londoner Gericht ist für den Fall zuständig, weil die Kredite in den Londoner Filialen der involvierten Banken organisiert worden sind. 

Richter Robin Knowles begründete das überraschende Urteil damit, dass die libanesische Firma Privinvest mit seiner Bestechungs-Strategie das Schlamassel angezettelt hat und deswegen für den Schaden aufzukommen hat. Konkret muss sie die 825 Millionen Dollar, die Mosambik bereits an Rückzahlungen und Zinsen geleistet hat, vergüten und die noch geschuldete Summe, die auf 1,9 Milliarden Dollar geschätzt wird, übernehmen.

Für Mosambik sind das gute Nachrichten. Seine Schuldenlast verringert sich mit einem Schlag um zwei Milliarden, die Kreditwürdigkeit und der internationale Ruf, der durch den Skandal in den Keller gesunken war, können nach sieben sehr schwierigen Jahren endlich wieder steigen.

Der Entscheid hat auch internationale Signalwirkung: Firmen, die Regierungen rohstoffreicher Länder zu gesetzwidrigen Geschäften verleiten, müssen damit rechnen, für die Folgen haftbar gemacht zu werden. Die in London ansässige NGO Debt Justice und die zivile mosambikanische Organisation FMO (Forum de Monitoria de Orçamento) feiern zu Recht dieses Urteil. Sie haben sich in der Öffentlichkeit jahrelang mit Argumenten und Kampagnen für dieses Ergebnis eingesetzt. 


Die Folgen des Londoner Gerichtsurteils auf die angespannte Lage in Mosambik

Das afrikanische Land hat unter den Folgen des Kreditskandals enorm gelitten: Weil IWF und Geberländer 2016 den Budget-Support einstellten, wurde das Land noch im gleichen Jahr insolvent. Die Schulden türmten sich, die Währung verfiel, die absolute Armut stieg in neun Jahren von 48 Prozent auf 63 Prozent, die Gewaltkriminalität explodierte.

Die Vertuschungs- und Beschönigungsbemühungen der Regierung verlängerten den Streik von IWF und Geberländer um Jahre. Der besonders arme, aber rohstoffreiche Norden rutschte infolge der Krise und verlorener Zukunftsperspektiven in einen Krieg, der sich Richtung Süden ausweitet. Jüngst nahm der IWF den Budget-Support wieder auf, verordnete dem Land aber eine sofortige Kürzung der öffentlichen Gehälter um 10 Prozent und eine weitere in drei Jahren. Die Folgen beschreibt der englische Mosambik-Kenner Joseph Hanlon wie folgt:

«Das bedeutet nicht nur, dass es keine Lohnerhöhungen für das derzeitige Personal gibt, sondern wenn mehr Krankenschwestern und Lehrer eingestellt werden, müssen die Löhne aller anderen gekürzt werden.»

Das Bildungsministerium erklärt, von den dringend benötigen 47’000 Lehrkräften nur 31’000 einstellen zu können – ein Drittel weniger als notwendig wären.  Ähnlich sieht es im Gesundheitswesen aus. Ärzte, Krankenschwestern und Richter reagieren mit der Ankündigung eines Streiks ab 9.August, der sich über eine längere Zeit hinziehen könnte.

In Mosambik sind allerdings viele Politiker und hohe Beamte in den Skandal involviert. Mehr als ein Dutzend haben von Schmiergeldern profitiert. Vielen (nicht allen) wurde längst der Prozess gemacht. Unter anderen sitzt nun der Sohn des vormaligen Präsidenten, Ndambi Guebuza, jahrelang im Gefängnis.

In der Firma Privinvest gab es «nur» drei Angeklagte – alles Libanesen: Gründer und Chef der Firma, Iskandar Safa, ordnete die Schmiergelder an oder hiess sie gut­ (er verstarb ein halbes Jahr vor dem Schuldspruch); der umtriebige Verkaufschef Jean Boustani tourte durch mehrere afrikanische Länder und köderte die Politiker mit üppigen «Geschenken»; trotzdem wurde er 2019 von einem New Yorker Gericht freigesprochen, weil das amerikanische Gericht für seinen Fall nicht zuständig war; Finanzchef Najib Allam bezahlte die Bestechungsgelder aus; er wurde von den USA angeklagt, aber nie festgenommen, weil er sein Land nie verliess. 

2. Nach der UBS schlossen weitere Banken einen Vergleich mit Mosambik

Zweite Neuigkeit: Drei Wochen vor dem historischen Urteilsspruch gegen die Firma Privinvest wurde in London ein aussergerichtlicher Vergleich Mosambiks mit der russischen Bank VTB und BCP (Banco Comercial do Portugal) geschlossen: 1400 Millionen an Schulden gegenüber diesen Banken werden auf 220 Millionen reduziert, die dieses Jahr fällig werden (und die jetzt Privinvest zufallen). Die Erzielung dieses Vergleichs kostete Mosambik allerdings 366 Millionen Dollar, sagt Borges Nhamirre vom Centro de Integridade Publica (CIP) in Mosambik. 

In diesem Zusammenhang ist auch publik geworden, dass der Vergleich der UBS mit Mosambik von Ende September letzten Jahres 450 Millionen Dollar (zum Proindicus-Kredit) beinhaltet hat. Die 145 Millionen, die Mosambik übernehmen muss, stellen das Land aber vor grösste Schwierigkeiten (Infosperber hat darüber berichtet).

3. Gegen Mosambiks Ex-Finanzminister Manuel Chang läuft zurzeit in New York ein Prozess

Dritte Neuigkeit: Der einzige Mosambikaner, dem im Ausland der Prozess gemacht wird, ist der ehemalige Finanzminister. Die Verhandlungen gegen ihn haben Mitte Juli begonnen und sollen fünf Wochen dauern. Der Mann ist angeklagt, in verfassungswidriger Weise die Staatsgarantien für die drei illegalen Kredite unterschrieben und dafür 7 Millionen Dollar kassiert zu haben. Ende 2018 wurde er am Flughafen Johannesburg festgenommen, sass dann viereinhalb Jahre unter beengten Verhältnissen in südafrikanischer Vorbeugehaft und wurde im Juli 2023 in die USA ausgeliefert, wo er jetzt vernommen wird – im gleichen New Yorker Gericht, das 2019 Jean Boustani wegen Unzuständigkeit freisprechen musste. 

Es ist nicht unmöglich, dass auch Manuel Chang aus dem gleichen Grund freigesprochen wird. In diesem Fall droht ihm nach seiner Rückkehr ein Verfahren in seiner Heimat. Chang behauptet, seine 7 Millionen längst an Mosambik ausgehändigt zu haben.

In den fünfeinhalb Jahren seit seiner Festnahme stritten sich Mosambik und die USA um seine Auslieferung durch Südafrika. Das für den Auslieferungsentscheid verantwortliche südafrikanische Gericht wechselte mindestens viermal seinen Entscheid – einmal sogar auf Geheiss des Justizministeriums, an das sich das Institut CIP (Centro de Integridade Publica), das die Interessen der mosambikanischen Zivilgesellschaft vertritt, gewandt hatte. Präsident Nyusi wollte die Auslieferung in die USA aber unbedingt verhindern, um genau das zu vermeiden, was aktuell am New Yorker Gericht geschieht: 

Prompt belastet Chang in New York den Präsidenten Nyusi, ihn seinerzeit zur illegalen Unterschrift gedrängt zu haben (die Sonntagszeitung meint, Chang belaste den vorherigen Präsidenten, Guebuza, und seinen Sohn). Es ist im Moment unklar, in welchen Ländern Nyusi aufgrund diplomatischer Immunität vor Strafverfolgung geschützt ist. In England ist er es, deswegen liess man dort eine Klage von Privinvest gegen ihn fallen. In Mosambik dagegen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. 

Der Aussage Changs, durch die Schiffbaufirma zur Annahme der Schmiergelder korrumpiert worden zu sein, mass das Londoner Gericht grosses Gewicht bei: Sie stützt das Urteil gegen die libanesischen Schiffbauer.

Die mosambikanische Zivilgesellschaft erhofft sich von Changs Aussagen eine Aufklärung über noch unbekannte Einzelheiten der Skandal-Entstehung und die involvierten Akteure. Der vormalige Präsident, Armando Guebuza, wurde bislang noch von keiner Seite belangt. 

Dass das Verfahren gegen den ehemaligen mosambikanischen Finanzminister ausgerechnet in den USA stattfindet, liegt daran, dass die illegalen Kredite und Schmiergelder in Dollar und damit über amerikanische Banken abgewickelt worden sind. Ein Grossteil der Kredite hat die CS über Eurobonds finanziert. Ein grosser Teil der geprellten Gläubiger lebt in den USA.

Die Privinvest-Angola-Connection

An den Aussagen Manuel Changs ist man auch in Angola interessiert. Denn Privinvest-Verkaufschef Boustani hat auch Angola eine Küstenschutzflotte angeboten oder wohl eher mit üppigen «Geschenken» aufgeschwatzt. Das Projekt ist mit 495 Millionen Dollar zwar etwas bescheidener als das in Mosambik, aber der angolanische Vertrag gleicht in Form und Inhalt dem mosambikanischen. Die beiden Länder – bis 1975 Kolonien Portugals, danach in jahrelange Bürgerkriege verwickelt und bis zum Ende des Kalten Kriegs Alliierte der Sowjetunion – haben viele Gemeinsamkeiten, und zwischen den Regierungsparteien bestehen seit Jahrzehnten gewisse Verbindungen. In beiden Ländern verhandelten die Verteidigungsminister mit Herrn Boustani über das Küstenschutzprojekt, in beiden Ländern wurden sie danach Präsident – in Mosambik Filipe Nyusi, in Angola João Lourenço. Letzterer startete vor 7 Jahren sein Amt als Nachfolger des Langzeitdiktators José Eduardo dos Santos mit beträchtlichen Vorschusslorbeeren, er galt als zuverlässig korruptionsresistent. 

Als in Mosambik aber der Kredit-Skandal hochkochte, fragten sich die Angolaner besorgt, ob ihr neuer Präsident wohl in die Affäre involviert sein könnte. Tatsächlich hatte Lourenço in Mosambik die Hotspots des Küstenschutzprojekts besucht und sich angelegentlich über die Umstände seiner Entstehung informiert, bevor es zur Vertragsunterschrift kam. Vielleicht ist Manuel Chang auch zu diesem Thema eine interessante Informationsquelle.

Was die UBS als Nachfolgerin der Credit Suisse verschweigt

Über den aussergerichtlichen Vergleich mit Mosambik von Ende September 2023 orientierte die UBS äusserst wortkarg. Als im März die Schwierigkeiten Mosambiks mit der Rückzahlung eines von der CS verantworteten Kredits publik wurden, kontaktierte Infosperber die regierungsunabhängigen Organisationen CIP und FMO in Mosambik mit einer Frage: Sind die 200 Millionen Dollar von der Mosambik-Schuld wirklich gestrichen worden, wie es die englische Banken- und die amerikanische Börsenaufsicht im Oktober 2021 in ihrem Schuldspruch von der Credit Suisse verlangten? Mosambik führt die entsprechende Kreditschuld (Ematum-Kredit) nämlich noch heute ohne jegliche Reduktion in seinen Büchern. Die angefragten Organisationen hatten keine Informationen und beklagten sich über die herrschende Intransparenz. Am 24. April publizierte Infosperber einen Bericht zum aussergerichtlichen Vergleich der UBS und erwähnte die Frage nach den 200 Millionen. Der Artikel ging auch nach Mosambik. Zwei Tage später stellte das CIP dieselbe Frage in einem Artikel der Deutschen Welle. Die Geheimniskrämerei nach dem UBS-Vergleich ist damit auch international aktenkundig.

Im Nachgang des Infosperber-Artikels beschwerte sich der UBS-Mediensprecher darüber, dass Infosperber in seinem Artikel vom 24. April die «Position» der Bank «nicht wiedergegeben hat, in welcher wir klar sagen, dass sich die Parteien gegenseitig von allen Verbindlichkeiten und Ansprüchen im Zusammenhang mit diesen Transaktionen entbunden haben.» 

Die Behauptung des allseitigen Forderungsverzichts ist einfach inkorrekt. Aus diversen Artikeln der letzten vier Wochen geht klar hervor, dass der Ematum-Kredit mit seinen 900 Millionen Dollar nach wie vor den grössten Brocken in Mosambiks Schuldenlast ausmacht. Drei Fünftel dieses Kredits hat die Credit Suisse ausgerichtet, und für sie ist heute die UBS verantwortlich. Offenbar blieb dieser Monsterkredit vom Vergleich ausgeklammert. Die UBS hat die Öffentlichkeit darüber bestenfalls sehr unvollständig informiert. Die betreffenden 900 Millionen dürfen jetzt, abzüglich der 200 Millionen vom verordneten Forderungsverzicht, auf die Firma Privinvest abgewälzt werden…

Aber nur, falls alles gut läuft. Denn Privinvest geht natürlich gegen das Londoner Urteil in Berufung, das hat die Firma sofort angekündigt. Und informierte Beobachter fragen sich, ob die libanesische Firma eine solche Schuldenlast überhaupt stemmen kann.

Privinvest hatte auf Infosperber massiven Druck ausgeübt

Die in den Skandal verwickelte Schiffsbaufirma Privinvest wollte Infosperber mit Drohungen einer Londoner Anwaltskanzlei und einer Londoner PR-Firma zum Schweigen bringen und verlangte die Löschung von Artikeln – vergeblich. Infosperber hat diesen exemplarischen Fall eines Druckversuchs eines mächtigen Konzerns vollständig dokumentiert und ins Netz gestellt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_Mosambik

Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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Eine Meinung zu

  • am 6.08.2024 um 09:31 Uhr
    Permalink

    Selten gibt es auch noch positive Nachrichten!

    Daran hat Thomas Kesselring massgeblichen Anteil – herzlichen Dank für die Hartnäckigkeit!

    Allerdings ist das auch ein «Sieg» für die kreditgebenden Banken, welche damit ihre kriminellen Kredite nicht abschreiben müssen. Sie werden jetzt aber von Privinvest bedient.

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