«Karl Lauterbachs ‹Gesundes-Herz-Gesetz› ist völlig gaga!»
upg. Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant ein «Gesundes-Herz-Gesetz». Es sieht vor allem Herz-Kreislauf-Checks für 25-, 35- und 50-Jährige sowie Früherkennungen vor. Doch diese seien wenig geeignet, um Herzkrankheiten zu vermeiden. Dazu brauche es vielmehr Massnahmen der öffentlichen Gesundheit wie etwa ein Verbot von Tabak- und Alkoholwerbung sowie eine Bekämpfung von Armut und Übergewicht. Das sagt Professor und Epidemiologe Jürgen Windeler*.
Karl Lauterbach begründet das Gesetz mit den vielen Todesfällen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, welche die Lebenserwartung der Deutschen fast auf den EU-Durchschnitt drücken würden.
Im Folgenden Windelers wichtigste Aussagen in der deutschen Ärztezeitung. Zwischentitel von der Redaktion.
«Warum nicht ein ‹Gesundes-Männer-Gesetz›?»
Im ersten Gesetzesentwurf des Bundesministeriums hiess es noch ausdrücklich, dass Lebensstilfaktoren bei der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Schlüsselrolle spielen. Nur macht der jetzt vorgelegte Entwurf etwas ganz anderes.
Die erste Frage müsste lauten: Ist die Lebenserwartung ein sinnvoller Zielindikator? Ist es so schlecht, wenn Deutschland knapp über dem EU-Mittel liegt? Bei Pisa sind wir jedenfalls schlechter [als der EU-Durchschnitt]. Und ich darf daran erinnern, dass die Lebenserwartung von Männern in Deutschland fast fünf Jahre unter der der Frauen liegt. Da wäre also eher ein «Gesunde-Männer-Gesetz» angebracht.
Die zweite Frage lautet: Hängt unser Ranking bei der Lebenserwartung wirklich von der kardiovaskulären Mortalität ab? An einer oft zitierten Untersuchung gibt es erhebliche Kritik, weil die Todesursachenstatistiken hochgradig unvollständig sind […] Wir könnten in einer epidemiologisch tragfähigen Stichprobe – vielleicht bei jedem hundertsten Todesfall – über Obduktionen belastbare Aussagen bekommen, woran die Menschen wirklich sterben. Heute spekulieren wir nur.
Die dritte Frage: Wenn unser Ziel ist, Europameister bei der Lebenserwartung zu werden, was ist dann der beste Weg?
Checks machen die Menschen krank
Check-ups machen die Menschen krank. Sie machen durch Laboruntersuchungen aus gesunden Menschen von jetzt auf gleich Kranke, und zwar oft lebenslang.
Ich kenne niemanden, der gerne ernsthaft krank ist, insofern ist eine Krankheits-Diagnose immer erst einmal ein Schaden. Diagnosen sind aber das Ziel von Früherkennung und daher hat ein berühmter Epidemiologe sehr pointiert gesagt: «Jede Früherkennung schadet», um dann fortzufahren: «… manche nützen auch».
Der zweite grosse Schaden liegt darin, dass Sie bei diesen Untersuchungen auch Krankheiten entdecken, die sie eigentlich nicht behandeln sollten, weil sie für die Betroffenen gar keinen Unterschied gemacht hätten, solange sie unentdeckt blieben. Ein typisches Beispiel ist das Prostatakarzinom, bei dem die Überdiagnostik oft zur Übertherapie mit schlechten Folgen führt.
Und so ist es auch bei Menschen, die in ihrem Leben nie einen Herzinfarkt bekommen hätten und sehr viel entspannter und ohne Statine gelebt hätten, wenn sie nicht irgendeinen merkwürdigen Check-up gemacht hätten.
*Professor Jürgen Windeler
Jürgen Windeler war von 2010 bis 2023 Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln. Davor war er lange Zeit beim Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) tätig. 1993 erhielt er die Venia legendi für Medizinische Biometrie und Klinische Epidemiologie. Seit 2006 ist er ausserordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ).
Es fehlen Nutzen-Schaden-Studien für Herz-Check-ups
Diesen beiden sicheren Schadensdimensionen muss man erst einmal einen überzeugenden Nutzen gegenüberstellen. Einen solchen kann man aber nicht im Einzelfall feststellen, sondern nur in grossen Studien untersuchen. Und diese grossen Studien gibt es für die geplanten Checks nicht.
Red. Der Gesetzesvorschlag definiert, wann Cholesterinsenker präventiv kassenpflichtig verordnet werden dürfen. Wenn beispielsweise unter 50-Jährige ein Risiko von mindestens 7,5 Prozent haben, innerhalb von zehn Jahren einen Schlaganfall zu erleiden, sollen sogenannte Statine eingesetzt werden. Dazu Professor Windeler:
Zwei Dinge sprechen gegen das geplante Vorgehen. In einem Gesetz festzulegen, ab welcher konkreten, fein justierten Indikationsstellung man eine Medikamententherapie macht, ist ehrlich gesagt völlig gaga. Ich weiss gar nicht, was das bedeutet – wenn ich bei 7,3 Prozent Risiko ein Statin verordne, bekomme ich dann ein Bussgeld? Das ist schon sehr skurril.
Der andere und entscheidende Punkt ist: Für die Frage, wann eine Statintherapie sinnvoll und angemessen ist, gibt es die Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der hat das in der Vergangenheit gemacht, der hat das in der Vergangenheit gut gemacht. Er kann das auch in der Zukunft machen. Man kann ihm ja sagen, überdenkt das nochmal. Dann klärt der G-BA die Evidenz, macht Anhörungen und holt Stellungnahmen ein, und dann kann das neu entschieden werden. Aber eine Indikationsstellung ist eine ureigene medizinische Aufgabe und gehört natürlich nicht in ein Gesetz […]
Es werden Indikationen für medikamentöse Therapien ins Gesetz hineingeschrieben. Das muss man sich mal vorstellen: Wenn sich die Evidenzlage ändert, muss künftig der Bundestag ein neues Gesetz beschliessen, um die Verordnungsfähigkeit zu ändern.
Hier wird die Staatsmedizin konkret ausgelebt. Die Ärzteschaft hat sich aus der inhaltlichen Diskussion verabschiedet […] Das ist ein bisschen unglaubwürdig, wenn man in dem Moment, wo der Staat sich wirklich die Medizin unter den Nagel reissen will, nicht ganz laut Halt ruft. Und da habe ich bisher nicht viel gehört.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Lauterbach ist faktisch kein Gesundheitsminister, sondern ein Gesundheitsindustrieminister. Er fördert nicht das Gesundheitswesen, er fördert die Profitinteressen der Gesundheitsindustrie. Das tat er schon bevor er Minister wurde, Stichwort Spitalsschliessungen. Völlig versagt und nur im Interesse der Industrie gehandelt hat er beim Thema Corona, siehe dazu die inzwischen nicht mehr geschwärzten RKI-Files. Er sollte sich vor Gericht für seine Handlungen verantworten müssen, aber das wird wohl nicht geschehen.
Das Problem einer Diagnose einer ernsten Krankheit, die vom Untersuchten nicht erwartet wurde, besteht darin, dass dieser sich als erstes fragt: warum bekomme gerade ich diese Krankheit, was habe ich dazu beigetragen, ist mein Leben, wie ich es lebe, nun komplett in Frage gestellt?
Und so ein «Patient» oder «Klient» kommt dann in die Fänge einer Organisation, die ihm potenziell Freiheiten nimmt. In den aller wenigsten Fällen wird eine Krankheit als Chance begriffen.
Ein Mensch ist keine Maschine, die man reparieren und justieren kann – ein Mensch will immer die Chance bekommen, sich zu entwickeln. Manchmal muss er dazu erst geweckt werden.
Ich kann der Argumentation nur zustimmen. Die Indikationsstellung gehört ausschließlich in die Hand des behandelnden Arztes, der auf wissenschaftlicher Grundlage, jedoch der individuellen Situation angepasst, entscheidet. Es gilt unbedingt die alte Weisheit: man behandelt nicht abweichende Laborwerte sondern erkrankte Patientien.
Aus Sicht des Körpers braucht es Prävention. Aus Sicht der Pharmalobbyisten wie Karl Lauterbach (oder Jens Spahn) braucht es (Kranke und) Pharmazeutika.
Ist es eine Frage der Herz- oder geistigen Gesundheit (Psychohygiene) der Wähler? Denn wer wählt diese «Vertreter» als Führer, Lotse, Kapitän, in Zeiten des Nebels und der Untiefen?
Es ist seit langem völlig klar, was man tun muss, um die Gesundheit seines Herzens zu fördern. Es sind alles Ratschläge, die keine schädlichen, dafür einige nützliche Nebenwirkungen haben. Dort kann man ansetzen, wenn man die Gesundheit fördern will.