So merkt man, ob der Husten ein Keuchhusten ist
In der Schweiz, in Europa, in den USA und auch in China gibt es derzeit mehr Kranke mit Keuchhusten. «Die Fallzahlen explodieren», berichtete «20 Minuten». In China sind die Erkrankungszahlen auf einem Höchststand seit 1985 – allerdings wird heutzutage auch mehr auf Keuchhusten getestet als früher.
Aus aktuellem Anlass meldete sich nun im «British Medical Journal» der britische Arzt Douglas Jenkinson mit einem Leserbrief zu Wort. Er hat laut eigenen Angaben im Lauf seines Arbeitslebens über 700 Menschen mit Keuchhusten behandelt. «Es gibt da viele Missverständnisse», sagt Jenkinson.
Seit 2000 betreibt der frühere Hausarzt seine informative (englischsprachige) Website whoopingcough.net mit Hörproben des Keuchhustens (hier und hier klicken). Dieser könne nämlich ganz verschieden tönen.
Das charakteristische Keuchen trete nur in etwa der Hälfte der Fälle auf und selbst dann nur manchmal, so seine Erfahrung. Am ansteckendsten sei diese Erkrankung, bevor die typische Art zu husten erkannt werde. Keuchhusten könne aber auch so uncharakteristisch wie ein viraler Husten klingen, manche Menschen würden ihre Keuchhusten-Infektion sogar nicht einmal bemerken. Das ist eines der Missverständnisse.
Mythen zum Keuchhusten und Tipps von Patienten
Auf seiner Website stellt Douglas Jenkinson auch verschiedene Mythen zum Keuchhusten richtig. Drei Beispiele:
- In China heisse der Keuchhusten übersetzt «100-Tage-Husten», aber seiner Erfahrung nach dauere er meist «nur» etwa 50 Tage.
- Überall sei zu lesen, der Keuchhusten beginne wie eine Erkältung. «Aber in meinen Studien beschreibt das nur eine von drei Personen so», stellt Jenkinson klar.
- Die meisten Keuchhusten-Kranken würden sich vielleicht erschöpft und müde vom Husten fühlen, aber nicht krank wie bei einer echten Grippe. Ein starkes Krankheitsgefühl spreche für eine Komplikation wie Lungenentzündung.
Neben den bekannten Massnahmen gegen Keuchhusten wie vorbeugende Impfung und Antibiotikum im Fall der Erkrankung gibt der Keuchhusten-Spezialist auch Erfahrungen von Patienten weiter:
- Eine Betroffene hatte den Eindruck, sie könne ihren lästigen Keuchhusten stoppen, indem sie etwas Kaltes gegen ihre Stirn oder die Wange drückte.
- Eine Physiotherapeutin berichtete, dass es die Hustenattacken verkürze, wenn man die Luft möglichst lange anhalte und dann langsam weiteratme.
- Man solle versuchen, nach einer Hustenattacke durch die Nase zu atmen, anstatt durch den Mund, riet jemand.
- Eine andere Betroffene meinte weniger zu husten, als sie ihre Getränke «eindickte», so dass diese die Konsistenz von Sirup bekamen.
Mit dem Smartphone aufnehmen
Ein Schlüsselsymptom sei, dass die schweren Hustenanfälle Stunden auseinanderliegen würden. In den Intervallen dazwischen husteten die Betroffen nur wenig oder gar nicht. Jenkinson rät deshalb, die Hustenanfälle mit dem Smartphone aufzunehmen, um sie der Ärztin oder dem Arzt vorspielen zu können.
Dutzende von Patienten berichteten ihm, dass die Ärzte ihre Schilderungen nicht ernst nahmen oder den Keuchhusten nicht erkannten – selbst dann nicht, als Patienten diese Diagnose von sich aus vorschlugen. «Ärzte sagen ihren Patienten oft: ‹Es kann kein Keuchhusten sein, denn Sie sind ja dagegen geimpft.›» Das hält Jenkinson für das allergrösste Missverständnis beim Keuchhusten. «Denn der Schutz durch die Impfung hält nicht sehr lange an – weniger als zehn Jahre.»
Die Keuchhusten-Impfung habe anfangs eine Schutzwirkung von 80 bis 90 Prozent (relativ), aber innert weniger Jahren danach «stürzt sie ab», zitierte das Wissenschaftsmagazin «Science» einen Immunologen und präsentierte die folgende Grafik. Sie zeigt, wie lange die Schutzwirkung verschiedener Impfungen im Durchschnitt anhält. Der Schutz vor Keuchhusten (auch Pertussis genannt) lässt sehr schnell nach. In einer US-Studie hatten Heranwachsende vier Jahre nach einer Auffrischimpfung praktisch keinen Impfschutz mehr vor einer Keuchhusten-Infektion.
Wellenartiger Verlauf mit hoher Dunkelziffer
Ein weiteres Missverständnis betrifft Jenkinson zufolge die Häufigkeit des Keuchhustens. In seiner Praxis diagnostizierte der 2011 pensionierte Hausarzt über die Jahre hinweg 30-mal mehr Keuchhusten-Erkrankungen, als offiziell gemeldet wurden – weil er danach suchte. «In einem Jahr waren es sogar 200-mal mehr. Die erkannten Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs», ist er überzeugt. «Denn viele Keuchhusten-Infektionen verlaufen unbemerkt.»
Der Fachmann für Keuchhusten kennt auch die wichtigen Studien zu dieser Erkrankung. «In einer Studie hat man zum Beispiel gesehen, dass die Keuchhusten-Antikörperspiegel im Blut von Menschen etwa alle fünf Jahre ansteigen und dann wieder abfallen. Daraus kann man rückschliessen, dass sie Kontakt mit den Keuchhusten-Bakterien hatten», erläutert Jenkinson. Ein erheblicher Teil dieser Infektionen gehe ohne oder nur mit leichten Symptomen vonstatten. «Trotzdem wirken sie wie ein natürlicher ‹Booster› und frischen die Immunabwehr gegen Keuchhusten auf.»
Regelmässige Keuchhusten-Wellen als natürlicher «Booster»
Jenkinson vermutet, dass die regelmässigen Keuchhusten-Wellen bei jenen, die mit den Erregern in Kontakt kommen, eine «signifikante Keuchhusten-Booster-Funktion» für das Immunsystem haben könnten. Wer dieses Boosten verpasse, erkranke bei der nächsten Keuchhusten-Welle mit grösserer Wahrscheinlichkeit mit Symptomen – von der leichten Erkältung bis hin zum erstickenden, angsteinflössenden Husten (Infosperber berichtete).
Hinzu komme, dass die Impfung zwar schwere Verläufe verhindere, aber nicht die Bakterienübertragung. An den regelmässig auftretenden Keuchhusten-Wellen im Abstand von drei bis fünf Jahren änderten die Impfstoffe nur wenig: Das Intervall verlängerte sich lediglich um ein bis zwei Jahre.
Mehr noch: «Die derzeit verwendeten Impfstoffe tragen vermutlich sogar zum Anstieg der Fallzahlen bei», glaubt Jenkinson.
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➞ Lesen Sie demnächst Teil 2: In westlichen Ländern steigen die Keuchhusten-Erkrankungen seit Jahren – trotz hoher Impfraten. Welche Argumente dafür sprechen, dass der Impfstoff zu mehr Erkrankungen beiträgt. Und warum Experten trotzdem zur Impfung raten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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