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Die Stanford-Professorin Anat R. Admati geht mit der Finanzbranche hart ins Gericht. © Stanford University Graduate School of Business

Traue keinem Banker, der über Eigenkapitalvorschriften klagt

Christof Leisinger /  Deregulierung bei den Banken? Kein Problem, wenn die Manager persönlich und mit mehr Eigenkapital hafteten, so Professorin Admati.

Beachtliche spekulative Risiken, möglichst wenig Eigenkapital, enorme Boni und minimale persönliche Haftung – das ist das weit verbreitete Geschäftsmodell im modernen Bankenwesen. Besonders lukrativ ist es für die Finanzmanager, weil sie selbst innerhalb kurzer Zeit bei angenehmer «comsumption on the job» ohne grössere Risiken beachtliche Vermögen scheffeln können.

Wer wird also davon überrascht sein, dass sie sich mit Händen und Füssen gegen alles wehren, das daran rütteln könnte. Und das, obwohl die «schöne neue Bankenwelt» in beinahe schon regelmässigen Abständen von den Steuerzahlern wegen grobem Missmanagement gerettet werden muss; und obwohl genau diese Rettungsmassnahmen zur Entstehung wachsender Ungleichgewichte in der Finanz- und Weltwirtschaft und zur Genese von systemischen Risiken beitragen.

Massivster Lobbyismus gegen mehr Eigenkapital

So lässt sich erklären, dass zum Beispiel die Schweizer UBS auf Forderungen nach höheren Eigenmittelanforderungen so empört reagiert. Die UBS sei kein Risiko, sondern ein Segen für das Land. Unter anderem ihr sei es zu verdanken, dass die Schweiz noch bei internationalen Gremien wie den G20 mit am Tisch sitze, argumentiert der im Rahmen der CS-Übernahme entstandene Bankenriese keck. Und natürlich dürfen die Totschlagargumente nicht fehlen: Mehr Eigenkapital würde die Kreditkosten für die Kunden verteuern und die UBS würde im internationalen Wettbewerb benachteiligt werden, sagen die Chefs.

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UBS – Das Klumpenrisiko nimmt wieder zu. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Als wäre es abgesprochen schlagen auch die amerikanischen Konkurrenten genau in genau dieselbe Kerbe. Selbst nach dem überraschenden Untergang dreier mittelgrosser Banken in jüngerer Zeit wegen fahrlässiger Fehleinschätzung einfachster Zinsänderungsrisiken suchen sie die Konfrontation mit den Aufsichtsbehörden. Diese scheinen daraufhin Forderungen zu überdenken, gut 15 Jahre nach der vom groben Missmanagement der Finanzinstitute ausgelösten Finanzkrise endlich mehr Eigenkapital für die Absicherung der Risiken ihrer waghalsigen Geschäfte zu verlangen.

Und sie scheinen auf dem besten Weg zu sein, solche Forderungen und Vorschläge mit ähnlichen Behauptungen wie die der UBS aufzuweichen. Die amerikanische Notenbank Fed und zwei weitere Bundesaufsichtsbehörden bewegten sich darauf hin, die geplante Kapitalerhöhung von fast 20 Prozent für die grössten amerikanischen Finanzinstitute deutlich abzuschwächen, berichteten jüngst mit der Angelegenheit vertraute Personen. Auch die amerikanischen Lobbyisten hatten unter Führung des JPMorgan-Chefs Jamie Dimon behauptet, die ursprünglich vorgesehenen Regeln würden die Kosten in die Höhe treiben, die Kreditvergabe einschränken und dem Durchschnittsamerikaner schaden.

Nichts hält die Banken prinzipiell davon ab, Kredite zu vergeben

Diese plumpen Argumente werden auch in den Medien regelmässig weiterverbreitet. Sie haben nur einen Fehler: Sie sind falsch. «Solche Drohungen basieren auf Unwahrheiten und Fehlinformationen. Einfachere, wirksamere Vorschriften würden die Banken zwingen, sich stärker auf ihr Eigenkapital zu stützen und damit ihre Abhängigkeit von der Kreditaufnahme zu überwinden», argumentierte in den vergangenen Tagen die Stanford-Professorin Anat R. Admati bei der Präsentation ihres Buches «The bankers› new clothes: what’s wrong with banking and what to do about it».

In Wirklichkeit, so zitiert sie den demokratischen Senator Sherrod Brown, hielte «absolut nichts an diesen Regeln die Banken davon ab, Kredite zu vergeben». Stattdessen würden sie die Finanzkonzerne lediglich dazu verpflichten, sich bei der Finanzierung von Krediten und Investitionen mehr auf ihr Eigenkapital und weniger auf fremde Mittel zu verlassen. Schon der verstorbene Fed-Chef Paul Volcker habe festgestellt, dass die Debatte über die Eigenkapitalanforderungen von der Verbreitung von viel zu viel «Bullshit-Argumenten» geprägt sei.

Umsichtige Banken bestünden darauf, dass ihre Kreditnehmer möglichst grosse Sicherheiten böten. Wie sei diese Erwartung damit zu vereinbaren, dass sie für sich selbst genau das Gegenteil anstrebten? Die Abneigung gegen die verstärkte Eigenkapitalfinanzierung und der hohe Fremdfinanzierungsanteil versetze die Banken in die Lage, Kosten und Risiken auf andere abzuwälzen und letztlich auf Kosten der Allgemeinheit von diesem Umstand zu profitieren. «Oft kommen sie mit den scheinheiligen Argumenten durch, indem sie Politiker und die Öffentlichkeit in die Irre führen», erklärte die Professorin als sie die aktualisierte und erweiterte Version ihres Buches in London vorstellte.

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Die Eigenkapitalanforderungen für Banken waren früher viel höher, als sie heute sind. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Darstellung. © Anat Admati

Haben die Banken den Regulierungs-Mechanismus korrumpiert?

Kurz nach der Finanzkrise sei ihr klargeworden, dass wichtige politische Entscheidungen durch unsinnige Analysen, undurchdringlichen Fachjargon, falsche und irreführende Argumente und die unangemessene Verwendung mathematischer Modelle beeinflusst würden. Faktisch hätten die Banken den Mechanismus korrumpiert, der eigentlich zu vernünftigen regulatorischen Regeln führen sollte, indem sie Verwirrung stifteten und indem sie ihren Einfluss auf Politiker, Aufsichtsbehörden, Juristen und Ökonomen nutzten, redete die Frau Klartext. Sie befürchtet, die Banken würden das undurchsichtige Umfeld auch in Zukunft nutzen, um hohe Risiken einzugehen, überhöhten Renditen nachzujagen und «uns alle in Gefahr zu bringen».

Behauptungen wie «die UBS ist kein Risiko, sondern ein Segen für die Schweiz» oder «was den grossen amerikanischen Banken nützt, nützt automatisch auch Amerika» sind in Admatis Augen plump und falsch. Doch die symbiotische Beziehung zwischen Banken, Regierungen sowie Teilen der Medien und der Wissenschaft habe sich letztlich durchgesetzt, klagt sie und zitiert den demokratischen Senator Richard Durbin, der schon im Jahr 2009 sagte, «die Banken besitzen den Capitol Hill». Fehlerhafte Rechnungslegungsvorschriften und die Unterstützung des Fed verschleierten weiterhin die Anfälligkeit der Banken, die wiederholten Rettungsaktionen seien für die Gesellschaft kostspielig und sie fördern eine Kultur der Rücksichtslosigkeit, sowohl in den USA als auch im Ausland.

Der Zusammenbruch der Credit Suisse im März des Jahres 2023 sei ein Paradebeispiel für die Verwerfungen, die drohten, sobald ein grosses, international tätiges Finanzinstitut zusammenbreche. Die Frau vom Fach zweifelt, ob man so grosse Institute angesichts der Kosten und Risiken, die sie für die Gesellschaft darstellten, auch künftig noch retten sollte. Darüber hinaus habe die Vorzugsbehandlung von Banken zu einer weit verbreiteten Missachtung von Vorschriften geführt und kriminellem Verhalten Vorschub geleistet, das oft ungestraft bleibe.

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Einfache Regeln: deutlich mehr Eigenkapital und persönliche Haftung der Bankmanager

Die Bankmanager beklagten sich zwar zu Recht über die Regulierungsdichte, wehrten sich aber gleichzeitig vehement gegen einfachere Vorschriften. Dabei liessen sich durch eine wirksame Gestaltung und Umsetzung vereinfachter Regeln kostspielige Prozeduren verringern und praktisch ohne Aufwand erhebliche soziale Vorteile erzielen. Etwa damit, die Eigenkapitalanforderungen wie im 19. Jahrhundert in Richtung auf 50 Prozent hochzuschrauben und die Bankmanager persönlich vollumfänglich haftbar zu machen.

Aber Professorin Anat Admati ist zu realistisch oder resigniert genug, um wirklich daran zu glauben. Folglich macht sie sich Sorgen: Die Unfähigkeit demokratischer Institutionen, sich dem Einfluss mächtiger Unternehmen und ihrer Manager zu widersetzen, sei nicht nur alarmierend, sondern sie schüre auch die berechtigte Unzufriedenheit mit unseren wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Systemen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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3 Meinungen

  • am 30.05.2024 um 12:23 Uhr
    Permalink

    Dass die Demokratien sich den mächtigsten Unternehmen nicht widersetzen, ist leider eineTatsache. Sie scheinen zu abhängig. Auch die Schweiz ist eine gekaufte Demokratie. Je länger je mehr. Dabei wurde die soziale Marktwirtschaft verdrängt vom grossen Reibach der Bänker, der Unternehmer, der multinationalen Konzerne, derer CEOs und anderer Glücksritter. So umspinnen pekuniär-feudale Strukturen immer mehr unser Staatswesen und lullen die Politikerinnen ein «indem sie Verwirrung stifte(te)n und indem sie ihren Einfluss auf Politiker, Aufsichtsbehörden, Juristen und Ökonomen nutz(t)en» (Anat R. Admati). Recht hat sie. Und: Die Macht ist halt dort, wo das Geld. So wie damals bei den Fuggern im 16. Jahrhundert, die von Kaufleuten mit viel Geld zu Adligen wurden mit grossem Einfluss im Reich und in der Kirche.

  • am 30.05.2024 um 16:14 Uhr
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    Es ist nicht anzunehmen, dass BR Keller-Suter und das Parlament die UBS im Interesse der Steuerzahler in die Schranken weisen werden. So sieht man bestens, wie «der Westen» funktioniert. In den USA wie hier: Demokratie als stärkster Transmissionsriemen des Kapitals. Neu ist höchstens, dass die obersten Manager offen blanken Unsinn erzählen, wie ihr Spruch von der UBS als Segen ohne Risiko für den Staat. Neu ist auch, dass die Mainstream-Presse dazu beifällig nickt, statt dass sie den fähigsten Redaktor eine Kritik schreiben lässt.

  • am 31.05.2024 um 08:19 Uhr
    Permalink

    Die Bankenkrise 2008 mit anschliessender Finanzkrise und der Minder-Initiative hat gezeigt, dass die Demokratie den unverschämten Finanzleuten keine Grenzen mehr setzen kann. Die Finanzindustrie setzt der Demokratie ihre Grenzen.
    Wir müssen damit leben. Nur eine radikale Systemänderung könnte das wohl ändern.

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